III, Einakter 9, (Lebendige Stunden. Vier Einakter), Literatur, Seite 21

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S . —
Klose & Seidel
= Bureau für Zeitungsausschnitte.=
Berlin NO.43, Georgenkirchplatz 211.
(Liest die meisten Zeitungen und ist das
bestorganisierte Bureau Deutschlands.)
Zeitung: Berliner Lokal-Anzeiger
Ort:
Berlin
Datum: #eeen
J. K. Schnitzler=Feiern in Berlin. Arthur
Schnitzter, der feinsinnige Wiener Poet, beging
gestern (Mittwoch) seinen 50. Geburtstag. Trotz¬
seinen neuesten Werken auf den
Berliner Bühnen starke und dauernde
Erfolge versagt blieben, zählt Schnitzler doch zu
den Lieblingen des Berliner Theaterpublikums, zu
den Autoren, denen man immer gern zuhört, weil
sie wirklich etwas zu sagen haben. Seine liebens¬
würdige, graziöse Art, heikle Dinge gefällig vor¬
zutragen, geistreich zu sein, ohne durch aufdring¬
liche Geistreicheleien zu bluffen, gesellschaftlichen
Schwächen keck zu Leibe zu gehen, ohne dabei je¬
mand erstlich weh zu tun, haben ihn in den ver¬
dienten Ruf eines scharfen und dabei doch an¬
genehmen, sagen wir eines „charmanten Sitten¬
Klose & Seidel
schilderers gebracht, und wenn er in neuerer Zeit
Bureau für Zeitungsausschnitte. —
das „Dramatische“ in seinen Komödien nicht gar
zu sehr vernachlässigte und seine liebe, wienerische
Berlin NO.43, Georgenkirchplatz 211.
Manier, ausgiebig zu plauschen, sich nicht gar zu
oft in das „weite Land“ unbegrenzter Redseligkeit
verlöre, wäre er der wenigen einer, die man mit
(Liest die meisten Zeitungen und ist das
Berechtigung als berufene moderne Lustspieldichter
bestorganisierte Bureau Deutschlands.)
preisen kann. So muß man sich, um seiner würdig
zu gebenken, an seine früheren Werke halten, und
zwei Berliner Bühnen benutzten gestern die
Zeitung: Morgenpost
günstige Gelegenheit zur Veranstaltung sympathi¬
scher Schnitzler=Abende. Im Neuen Volks¬
theater wurde der Einakter „Literatur"
Ort:
Berlin
und der Dreiakter „Liebelei“ gegeben — zwei
Stücke, in denen die Eigenart Schnitzlers besonders
eindringlich und liebenswürdig zur Geltung
Datum: sssssssssssssser teneseetrensetessetenstesenerterereeereeeeen
kommt. „Literatur", die reck=lustige Plaudel ei,
die so ergötzlich das München=Wiener Kaffeehaus¬
literatentum glossiert und in wirksamen Gegen¬
1A Meian
satz zu dem Typus eines literaturfeindlichen
österreichischen Aristokraten bringt, wurde freilich
Kleine Bühnenchronik. Der mbrgige
in all seinen feinen Beziehungen zur Wirklichkeit
50. lburtstag Arthur Schnitzlers wird
und seinen intimen Milieureizen vom Publikum
der Neuen freien Volksbühne, das sich lediglich an
nur von zwei Theatern begangen: vom Neuen
die lustigen Aeußerlichkeiten hielt, nicht ganz er¬
Volkstheater, das „Liebelei" und „Die
faßt. Um so echter und kräftiger aber wirkte die
Gefährtin“ spielt, und vom Schillerthea¬
unverwüstliche „Liebelei“ mit ihrer herzigen
ter, das die drei Einakter „Paracelsus“, „Die
Heiterkeit und ihrer zu Herzen gehenden Senti¬
Gefährtin" und „Der grüne Kakadu“ ein¬
mentalität, mit der Fülle echter Volkstümlichkeit,
studiert. Das Kleine Theater wird noch
die ihre von Leben und Wahrheit strotzende
eine nachträgliche Aufführung von „Liebelej“
Figuren umgibt. Die Darstellung bewährte sich
in beiden Stucken wieder aufs beste, wenn sie auch
veranstalten. Alle übrigen Direktoren drücken,
den „literarischen" Einakter, wohl mit Absicht,
sich um diese Ehrenpflicht herum.
etwas grell und laut nahm. Aurel Nowotny als
Klemens und Theodor Kaiser, Robert Müller in
den Rollen des wilden Literaten und des alten
Violinspielers, das talentvolle Frl. Angerstein als
Christine, Johannes Riemann als Fritz Lobheimer,
die muntere Else Bäck in der derblustigen Episode
der Mizi Schlager, Yella Wagner, Adolf Edgar
Licho und Anna Rubner verdienen für ihre schau¬
spielerischen Bemühungen um das gute Gelingen
dieses Schnitzler=Abends ehrenvolle Erwähnung.
hs. Das Schiller=Thater Char¬
lottenburg hatte zur Schnitzler=Feier drei
Einakter des Dichters ausgewählt, die — vielleicht
mit Ausnahme der „Gefährtin“ — nicht die Welt
darstellen, die in den Dramen des Oesterreichers
mit Vorliebe behandelt wird, die aber von seiner
Weltanschauung und Sprache eine treffliche Probe
geben. „Paracelsus“ führt in die primitivere
Denkungsart des 16. Jahrhunderts zurück, wäh¬
rend „Der grüne Kakadu am Vorabend der großen
französischen Revolution spielt. Die Darstellung,
die besonders in dem Vorspiel „Paracelsus“ zahl¬
reichen Fallstricken begegnet, hielt sich gestern
(Mittwoch) abend auf der guten Mittelhöhe; in
der Groteske „Der grünc Kakadu“ stieg sie sogar
hier und da noch darüber hinaus, obwohl man in
den Ensembleszenen das Zusammenspiel manch¬
mal vermißte. Unter den Darstellern ragte vor
allem Hans F. Gerhard hervor, der als
Paracelsus und Henri (im „Grünen Kakadu")
die Intention des Dichters mit voller Hingabe
und feinem Verständnis für die seelischen Stim¬
mungen erfüllte. Die Schwierigkeit der Rolle des
Paracelsus überwand auch er freilich nicht ganz.
Konrad Wiene, der den Doktor Hausmann in der
„Gefährtin“ lobenswert spielte, mimte im
„Grünen Kakadu“ einen vorzüglichen naiben
Strolch (Grain). Von den übrigen Darstellern
seien noch Max Reimer als Professor Pilgram,
Heinz Bernecker als der Waffenschmied Cyprian,
Else Wasa als Justina, seine Gattin, Hedwig
Pauly als Marquise von Lansac und Richard
Wirth als Prospère. Die Regie führte Alfred
Walter=Horst.
In Wien bildet der fünfzigste Geburtstag
Artur Schnitzlers bereits die ganze Woche über
den Anlaß zu literarischen und theatralischen
Veranstaltungen, denen sich der Dichter selbst
durch eine kleine Ferienreise fluchtartig entzogen
hat. Gestern, am eigentlichen Festtag, spielte das
Burgtheater, wie uns unser hl.=Kor¬
„Das
telegraphiert,
respondent
Eine
Vorlesung des
Land“.
weite
„Schleiers der Beatrice", des Renaissance¬
stückes, das in Wien noch nie gegeben wurde,
durch Ferdinand Onno vom Deutschen Volks¬
theater wurde vom Verband für Literatur veran¬
staltet, und ein Merkerabend, in dem Werke des
Dichters durch Elsa Galafres vom Deutschen
Volkstheater, Lilli Marberg und Arnold Korff
vom Burgtheater vorgelesen wurden, bildeten die
außertheatralischen Festveranstaltungen. Ferner#
brachte das Deutsche Volkstheater eine Neuinsze¬
nierung von Schnitzlers „Liebelei“ und die seit
langem nicht gegebene Groteske „Der grüne Ka¬
kadu“ in einer liebevollen Regie und guten Dar¬
stellung. Gleichzeitig veranstaltete Jarno am
Theater in der Josefstadt eine Aufführung von
Schnitzlers vor Jahren mit Katharina Schratt in
der Hauprolle am Burgtheater gegebenen Schau¬
spiel „Das Vermächtnis“. Diesmal spielte
Frau Niese die Rolle der Toni.