naner holen mit einem ge¬
wissen Eifer, der sich nicht überhaftet, deutsche Dra¬
matik nach. Vor ein paar Wochen freundeten sie sich
mit Wedekind an und gestern grissen sie auf den
jungen Schnitzler zurück, auf jene frühen Jahr¬
gänge, wo er empfindsam modellierte Kleinkunst trieb.
Man war gern bereit, in selbst erlebte Vergangenheit
zurückzuwandern und das Interesse wurde von jener
Neugierde gestachelt, die bei Jugendlieben nach Alters¬
runzeln ausspäht. Es ist nicht zu schlimm damit.
Der gutartige, liebeshungrige, aber im Vollgenuß
durch Aphorismen behinderte Großstadtjüngling
Anatol hat ein paar historische Falten bekommen.
Auch sein Freund Max kann sich auf die Dauer als
Dialogbehelf nicht verleugnen. Doch haben beide, vor
allem Anatol kostbare Momente jener Wesensfrische,
die nie verdampft. Bei der „Frage an das
Schicksal“ hat sich die Vorführung einer Hypnose,
derein szenische Sensation, wesentlich abgenutzt.
Auch durschaut man, in Schnitzlersche Einfälle
allzusehr eingeweiht, viel zu früh das Motiv, so launig
es auch Verstecken spielt. Der psychologische Kern,
die Angst des Eifersuchtigen vor heimlich entrissenen
Geständnissen, die Neigung zum Selbstbetrug, die
Gegenschliche der Eigenliebe bleiben heitere Toku¬
nente der Menschenkenntnis. Ausgeblichener sind die
„Denksteine“, wo ein Gefühlchen sich zu hoch
schraubt und die Spannung höher klettert, als ihr der
Anlaß gestattet. Auch wird Anatol, der nie tragisch
werden darf, weil ihn bloß Gereiztheit kleidet, zu,
bitter und nimmt Anläufe zum Pathos. Man wurde
nicht warm. Am herzlichsten begrüßte man das
„Abschiedssouper“ wo alles Melancholische der Lust¬
spieldichter überwindet. Zwischen sich jagenden
Pointen und Farbengeflimmer wettern Situationen.
Dramaturgisch interessant ist, wie das Mitwissertum
des Publikums die Wirkung vorhergesehener Ueber¬
raschungen nicht abschwächt, sondern lustige Voraus¬
setzung ist. Natürlich nur bei überlegener Führung.
Im übrigen gehört zur Aufführung Opfermut. Es
wird Bordeaux und Sekt getrunken und noch schwerer
zu Beschaffendes gegessen. Bloß die für den Schlu߬
witz so wichtige Schlagsahne hat sich in Vanillecreme
verwandelt.
Die drei Anatolszenen wurden um den Einakter
„Literatur“ bereichert. Schnitzlers Humor nähert sich
hier Schwankformen. Die Satire auf gelocktes, frei¬
zügiges Literatentum, das Erlebnisse in die Welt
trompetet, hat sich verbürgerlicht, wofür weniger
Schnitzler kann, als die Zeit, die neue Typen der
Boheme schafft. Aber gerade diese Uebereinstimmung
mit landlaufigen Begrissen von Schwabinger Naturen
hat der Wirkung sehr genützt.
Von der Aufführung war ich nicht sehr begeistert.
Es fehlte bei redlicher Bemühung das intime Ver¬
hältnis zu jenen Eigenheiten, die Schnitzlerschen
Dialog von Plauderstücken unterscheiden. Nicht im¬
mer lags am Griff. Manche strebten nach Feinheit,
aber sie paßten nicht zu ihren Rollen. So Herr Eugen
Burg, der ein prächtiger, instinktvoller Schau¬
spieler ist (für seine Haupttatigkeit im Komödienhaus
viel zu schade). Aber den Anatol spielt er um zehn
Jahre zu spät. Der kann die Würze des Halbreifen
nicht entbehren. Die Blasiertheiten dieses Erlebnis¬
jägers durften nicht so echt werden, wie sie unver¬
meidlich einem bereits abgeklärten Darsteller geraten.
Sonst wirken sie wie geistige Zurückgebliebenheit.
Auch den Baron in der „Literatur“ gestaltete Burg
als Dümmling. Er ist im Gegenteil etwas Ge¬
scheites, das seine engen Grenzen hat.
Unbefriedigend auch die weiblichen Figuren. Die
[Orska enttauschte nicht als Cora, die vor allem
sehr unbefangen zu sein hat. Das machte sie aus¬
gezeichnet und erschrak glänzend. Doch ihre Annie
im „Abschiedssouper“, war ein Rückfall in unter¬
streichende Bewußtheit. Das Wienerische hatte den
Tonfall der Z##wanderten, die beim Kopieren sich
vergißt. Und ###misches knallte mehr, als es lustig
war. Kurzum: es fehlte ihr die Regie Bernauer.
Auch Frau Triesch kam mit Schnitzler nicht
zusammen. Die Emilie wurde von ihr psychologisch
überlastet, als ob es die Hedda Gabler ware. Zuviel
Ehre für eine Wiener Kokotte. Die humoristische
Figur der Margaretha gab die Künstlerin mit dem
Ausdruck schwerster Verstörung. Man hörte Schreie,
die sich im Augenblick des Entstehens zu überlegen
schienen, ob sie tragisch oder parodistisch klingen
wollten.
Für Schnitzler zu muskulös, aber seinen Absichten
am nächsten kam Herr Eckert. Aber den zottigen
Literaten übertrieb er. Auch hier fehlte Bernauer.
Die Aufführung war in Gefahr, verboten zu wer¬
den. Doch der Zensor ließ sich, wie erzählt wurde,
durch die glänzenden Eindrucke der Generalprobe
umflinmen. Ich ziehe schleunigst alle. Einwände zu¬
mi Faktor.
1ug.
110
S#einesche euser
vom:
W
Ber liuer Bhsen #ung, Berlin
Morgen#sgase
ArthurZchuitzler=.
Theater in der Königgrätzer Straße.
Ein angenehm verplanderter Abend. Wie natürlich,
wenn Arthur Schnitzler Gastgeber ist. Sein Kunstter¬
tum im Plandern, erweist sich darin, daß seine Plander¬
kunst nur eines Themas bedarf. So ist seine
Planderkunst zugleich und wesentlich eine Varianten¬
kunst. Eine so reiche Variamienkunst, daß man ihm
ziemlich drei Stunden ohne Ermüdung lauschen kann.
Thema ist immer: Mann und Weib und Weib und
Mann. Freilich nicht in jener Verbindung, da sie an
die Gottheit heranreichen. Sondern in einer minder
heiligen, der eher das Wort als Motto dienen möchte:
Lanne löst, was Laune knüpste. Klassisches und iy¬
pisches Beispiel für diese Art der Verbindung, deren
geistreichster, kuktiviertester, dialogfreiester Schilderer
Schnitzler — all seinen eifrig kopierenden Epigonen
zum Trotz — bis heute geblieben, ist noch immer das
„Abschiedssouper . Die Variantenkunst gilt
im ganzen weniger dem Thema, das soweit das
gleiche ist, daß der Mann immer überlistet wird, als
vielmehr den Details. Und jenes Thema findet im
„Abschiedssonver“, den klassischen und iypischen
Ausdruck. Indem es hier sozusagen auf eine
Formel gebracht wird. Indem Mann und
Weib — wenn man nicht Männchen und
Weibchen sagen will — sich die Wahrheit ihrer gegen¬
seitigen Ueberlistung deutlicher, brutaler, minder ver¬
schleiert, zynischer gestehen, als sonst die Schnitzler¬
schen Typen. Und weil das hier dentlicher, brntaler,
minder verschleiert, zynischer geschieht, hat dies Stück
immer den lautesten Erfolg. Vielleicht weil es der
Zartheit, der Diskretion mehr ermangelt als andere
des Anatol=Zyklus, hatte man das Weibchen der
grellen Schauspielerin Orska gegeben. Die es
denn auch fertig brachte, den trumpfenden Schluß
aller wienerischen Grazie zu entkleiden.
Im ersten Stück des Abends: „Die Frage
an das Schicksal“ gab diese Schauspielerin
das von Anatol in Hypnose versenkte Mädchen, das
nach dem Erwachen so ängstlich bangt, eine geheime
Sünde im Dämmerzustande ausgeplaudert zu haben.
Hier war sie auf Einfachheit und Molligkeit gedrillt,
was bei ihr naturgemäß unwahrer wirkt, als wenn
sie sich knallig geben kann.
Ein meines Wissens noch nicht aufgeführtes Stück
aus dem Zyklus, „Denksteine betitelt, fällt
aus dem Rahmen, da es tragische Töne anzuschlagen
sucht und stark posiert. An zwei Edelsteinen werden
am Tage vor der Verehelichung aus der Vergangen¬
heit des Weibes, mit dem Anatol sich verbinden
will, bisher geheim gehaltene Beziehungen offen¬
mit dem verachtenden Ausruf
bar, und
„Dirne !“ empfiehlt sich Anatol. Frau Triesch
gab hier eine Hedda Gabler=Studie im kleinen, die ###
nicht ohne Interesse war, aber das Bedauern nicht
aufzuheben vermochte, daß Schnitzler ängstlich jeden
humoristischen Einschlag ferngehalten hat.
Um so erfreulicher durchwirkt dieser den an den¬
Schluß gestellten Einakter: „Literatur“, der viel¬
leicht darum besonders einschlug, weil er nach dem drei¬
mal abgewandelten Anatol=Thema andere Typen bringt.
Denn der Baron, der vor der Ehe mit dem
Weibe steht, das den Anatol =Geliebten nicht
ge¬
unähnlich sieht, hat mit Anatol nur das
mein, daß er auch überlistet wird macht dies
aber dank seiner erheblich bescheideneren Geistes¬
kräfte auch um vieles wahrscheinlicher. Und während
Max in den Anatol=Stücken nur dazu da ist, Mono¬
loge zu verhüten, ist der Schriftsteller Gilbert eine
selbständige Persönlichkeit, die aktiv in die Handlung ein¬
greift, — soweit bei Schnitzler von diesen Begriffen
überhaupt die Rede sein kann. Herr Eckert, der als
Max ein diskreter und humorvoller Zuhörerwar, gewann
als Gilbert eine prachtvolle, runde Körperlichkeit. Er
und Frau Triesch ergänzten sich trefflich zu einer
Charakteristik der ihr eigenes Leben und Erleben ab¬
konterfeienden Literatur. Herr Burg als literatur¬
fremder, dafür desto sortbewanderterer Baron zeich¬
nete die beschränkte Geistesverfassung mit bewährten
Lustspielmittein. Für den Anatol wollten diese
nicht immer zureichen. Der Schnitzlersche Typ des
vom Weibe erfällten Lebemanns erfordert doch weichere
Grazie und hat wesentliche Merkunterschiede volk
einem Fuldaschen Schwerenöter. Im ganzen aler
— hauptsächlich Dank Frau
blieb man Schnitzler
Tpieich und Herrn Ekert — nicht allzu vil schäldig.
Franz Röyhen.
wissen Eifer, der sich nicht überhaftet, deutsche Dra¬
matik nach. Vor ein paar Wochen freundeten sie sich
mit Wedekind an und gestern grissen sie auf den
jungen Schnitzler zurück, auf jene frühen Jahr¬
gänge, wo er empfindsam modellierte Kleinkunst trieb.
Man war gern bereit, in selbst erlebte Vergangenheit
zurückzuwandern und das Interesse wurde von jener
Neugierde gestachelt, die bei Jugendlieben nach Alters¬
runzeln ausspäht. Es ist nicht zu schlimm damit.
Der gutartige, liebeshungrige, aber im Vollgenuß
durch Aphorismen behinderte Großstadtjüngling
Anatol hat ein paar historische Falten bekommen.
Auch sein Freund Max kann sich auf die Dauer als
Dialogbehelf nicht verleugnen. Doch haben beide, vor
allem Anatol kostbare Momente jener Wesensfrische,
die nie verdampft. Bei der „Frage an das
Schicksal“ hat sich die Vorführung einer Hypnose,
derein szenische Sensation, wesentlich abgenutzt.
Auch durschaut man, in Schnitzlersche Einfälle
allzusehr eingeweiht, viel zu früh das Motiv, so launig
es auch Verstecken spielt. Der psychologische Kern,
die Angst des Eifersuchtigen vor heimlich entrissenen
Geständnissen, die Neigung zum Selbstbetrug, die
Gegenschliche der Eigenliebe bleiben heitere Toku¬
nente der Menschenkenntnis. Ausgeblichener sind die
„Denksteine“, wo ein Gefühlchen sich zu hoch
schraubt und die Spannung höher klettert, als ihr der
Anlaß gestattet. Auch wird Anatol, der nie tragisch
werden darf, weil ihn bloß Gereiztheit kleidet, zu,
bitter und nimmt Anläufe zum Pathos. Man wurde
nicht warm. Am herzlichsten begrüßte man das
„Abschiedssouper“ wo alles Melancholische der Lust¬
spieldichter überwindet. Zwischen sich jagenden
Pointen und Farbengeflimmer wettern Situationen.
Dramaturgisch interessant ist, wie das Mitwissertum
des Publikums die Wirkung vorhergesehener Ueber¬
raschungen nicht abschwächt, sondern lustige Voraus¬
setzung ist. Natürlich nur bei überlegener Führung.
Im übrigen gehört zur Aufführung Opfermut. Es
wird Bordeaux und Sekt getrunken und noch schwerer
zu Beschaffendes gegessen. Bloß die für den Schlu߬
witz so wichtige Schlagsahne hat sich in Vanillecreme
verwandelt.
Die drei Anatolszenen wurden um den Einakter
„Literatur“ bereichert. Schnitzlers Humor nähert sich
hier Schwankformen. Die Satire auf gelocktes, frei¬
zügiges Literatentum, das Erlebnisse in die Welt
trompetet, hat sich verbürgerlicht, wofür weniger
Schnitzler kann, als die Zeit, die neue Typen der
Boheme schafft. Aber gerade diese Uebereinstimmung
mit landlaufigen Begrissen von Schwabinger Naturen
hat der Wirkung sehr genützt.
Von der Aufführung war ich nicht sehr begeistert.
Es fehlte bei redlicher Bemühung das intime Ver¬
hältnis zu jenen Eigenheiten, die Schnitzlerschen
Dialog von Plauderstücken unterscheiden. Nicht im¬
mer lags am Griff. Manche strebten nach Feinheit,
aber sie paßten nicht zu ihren Rollen. So Herr Eugen
Burg, der ein prächtiger, instinktvoller Schau¬
spieler ist (für seine Haupttatigkeit im Komödienhaus
viel zu schade). Aber den Anatol spielt er um zehn
Jahre zu spät. Der kann die Würze des Halbreifen
nicht entbehren. Die Blasiertheiten dieses Erlebnis¬
jägers durften nicht so echt werden, wie sie unver¬
meidlich einem bereits abgeklärten Darsteller geraten.
Sonst wirken sie wie geistige Zurückgebliebenheit.
Auch den Baron in der „Literatur“ gestaltete Burg
als Dümmling. Er ist im Gegenteil etwas Ge¬
scheites, das seine engen Grenzen hat.
Unbefriedigend auch die weiblichen Figuren. Die
[Orska enttauschte nicht als Cora, die vor allem
sehr unbefangen zu sein hat. Das machte sie aus¬
gezeichnet und erschrak glänzend. Doch ihre Annie
im „Abschiedssouper“, war ein Rückfall in unter¬
streichende Bewußtheit. Das Wienerische hatte den
Tonfall der Z##wanderten, die beim Kopieren sich
vergißt. Und ###misches knallte mehr, als es lustig
war. Kurzum: es fehlte ihr die Regie Bernauer.
Auch Frau Triesch kam mit Schnitzler nicht
zusammen. Die Emilie wurde von ihr psychologisch
überlastet, als ob es die Hedda Gabler ware. Zuviel
Ehre für eine Wiener Kokotte. Die humoristische
Figur der Margaretha gab die Künstlerin mit dem
Ausdruck schwerster Verstörung. Man hörte Schreie,
die sich im Augenblick des Entstehens zu überlegen
schienen, ob sie tragisch oder parodistisch klingen
wollten.
Für Schnitzler zu muskulös, aber seinen Absichten
am nächsten kam Herr Eckert. Aber den zottigen
Literaten übertrieb er. Auch hier fehlte Bernauer.
Die Aufführung war in Gefahr, verboten zu wer¬
den. Doch der Zensor ließ sich, wie erzählt wurde,
durch die glänzenden Eindrucke der Generalprobe
umflinmen. Ich ziehe schleunigst alle. Einwände zu¬
mi Faktor.
1ug.
110
S#einesche euser
vom:
W
Ber liuer Bhsen #ung, Berlin
Morgen#sgase
ArthurZchuitzler=.
Theater in der Königgrätzer Straße.
Ein angenehm verplanderter Abend. Wie natürlich,
wenn Arthur Schnitzler Gastgeber ist. Sein Kunstter¬
tum im Plandern, erweist sich darin, daß seine Plander¬
kunst nur eines Themas bedarf. So ist seine
Planderkunst zugleich und wesentlich eine Varianten¬
kunst. Eine so reiche Variamienkunst, daß man ihm
ziemlich drei Stunden ohne Ermüdung lauschen kann.
Thema ist immer: Mann und Weib und Weib und
Mann. Freilich nicht in jener Verbindung, da sie an
die Gottheit heranreichen. Sondern in einer minder
heiligen, der eher das Wort als Motto dienen möchte:
Lanne löst, was Laune knüpste. Klassisches und iy¬
pisches Beispiel für diese Art der Verbindung, deren
geistreichster, kuktiviertester, dialogfreiester Schilderer
Schnitzler — all seinen eifrig kopierenden Epigonen
zum Trotz — bis heute geblieben, ist noch immer das
„Abschiedssouper . Die Variantenkunst gilt
im ganzen weniger dem Thema, das soweit das
gleiche ist, daß der Mann immer überlistet wird, als
vielmehr den Details. Und jenes Thema findet im
„Abschiedssonver“, den klassischen und iypischen
Ausdruck. Indem es hier sozusagen auf eine
Formel gebracht wird. Indem Mann und
Weib — wenn man nicht Männchen und
Weibchen sagen will — sich die Wahrheit ihrer gegen¬
seitigen Ueberlistung deutlicher, brutaler, minder ver¬
schleiert, zynischer gestehen, als sonst die Schnitzler¬
schen Typen. Und weil das hier dentlicher, brntaler,
minder verschleiert, zynischer geschieht, hat dies Stück
immer den lautesten Erfolg. Vielleicht weil es der
Zartheit, der Diskretion mehr ermangelt als andere
des Anatol=Zyklus, hatte man das Weibchen der
grellen Schauspielerin Orska gegeben. Die es
denn auch fertig brachte, den trumpfenden Schluß
aller wienerischen Grazie zu entkleiden.
Im ersten Stück des Abends: „Die Frage
an das Schicksal“ gab diese Schauspielerin
das von Anatol in Hypnose versenkte Mädchen, das
nach dem Erwachen so ängstlich bangt, eine geheime
Sünde im Dämmerzustande ausgeplaudert zu haben.
Hier war sie auf Einfachheit und Molligkeit gedrillt,
was bei ihr naturgemäß unwahrer wirkt, als wenn
sie sich knallig geben kann.
Ein meines Wissens noch nicht aufgeführtes Stück
aus dem Zyklus, „Denksteine betitelt, fällt
aus dem Rahmen, da es tragische Töne anzuschlagen
sucht und stark posiert. An zwei Edelsteinen werden
am Tage vor der Verehelichung aus der Vergangen¬
heit des Weibes, mit dem Anatol sich verbinden
will, bisher geheim gehaltene Beziehungen offen¬
mit dem verachtenden Ausruf
bar, und
„Dirne !“ empfiehlt sich Anatol. Frau Triesch
gab hier eine Hedda Gabler=Studie im kleinen, die ###
nicht ohne Interesse war, aber das Bedauern nicht
aufzuheben vermochte, daß Schnitzler ängstlich jeden
humoristischen Einschlag ferngehalten hat.
Um so erfreulicher durchwirkt dieser den an den¬
Schluß gestellten Einakter: „Literatur“, der viel¬
leicht darum besonders einschlug, weil er nach dem drei¬
mal abgewandelten Anatol=Thema andere Typen bringt.
Denn der Baron, der vor der Ehe mit dem
Weibe steht, das den Anatol =Geliebten nicht
ge¬
unähnlich sieht, hat mit Anatol nur das
mein, daß er auch überlistet wird macht dies
aber dank seiner erheblich bescheideneren Geistes¬
kräfte auch um vieles wahrscheinlicher. Und während
Max in den Anatol=Stücken nur dazu da ist, Mono¬
loge zu verhüten, ist der Schriftsteller Gilbert eine
selbständige Persönlichkeit, die aktiv in die Handlung ein¬
greift, — soweit bei Schnitzler von diesen Begriffen
überhaupt die Rede sein kann. Herr Eckert, der als
Max ein diskreter und humorvoller Zuhörerwar, gewann
als Gilbert eine prachtvolle, runde Körperlichkeit. Er
und Frau Triesch ergänzten sich trefflich zu einer
Charakteristik der ihr eigenes Leben und Erleben ab¬
konterfeienden Literatur. Herr Burg als literatur¬
fremder, dafür desto sortbewanderterer Baron zeich¬
nete die beschränkte Geistesverfassung mit bewährten
Lustspielmittein. Für den Anatol wollten diese
nicht immer zureichen. Der Schnitzlersche Typ des
vom Weibe erfällten Lebemanns erfordert doch weichere
Grazie und hat wesentliche Merkunterschiede volk
einem Fuldaschen Schwerenöter. Im ganzen aler
— hauptsächlich Dank Frau
blieb man Schnitzler
Tpieich und Herrn Ekert — nicht allzu vil schäldig.
Franz Röyhen.