IV, Gedichte und Sprüche 3, Buch der Sprüche und Bedenken, Seite 42

gnsche siammenprent, der grocte Preelen der 1r
Schnitzler von je war, ist in jedem Worte die es überreichen Buches
lebendig; besonders aber am Schluß, wenn er sein eigenes Spruch¬
werk gewichtles zu machen scheimt und plötzlich mit hinerlistiger
Miene durch die Aeußerung zum Widerspruch herausfordert:
„Schüttle ein Aphorisma, so fällt eine Lüge heraus und eine
Banalität bleibt übrig.“ Es ist anzunehmen, daß der Dichter
diesen Satz. zum mindesten in der Anwendung auf ihn selbst.
nicht so ernst genommen zu wissen wünscht wie dessen Variante,
mit der er das Ganze ab chließt: „Im Herzen jedes Aphorismas,
ise 10 so neo oder gar paradox es sich gebärden möge, schlägt eine ur¬
alte Wahrheit.“ Es ist möglich, daß dieses Buch vom Anfang bis “
zum Ende nichts als uralie Wahrheiten enthält; sicher aber, daß
sie neu erlebt, gesehen und gesagt sind und wahrscheinlich zum
erstenmal.
Eine Fülle ist in all dem, die verwirrend wirken könnte
wäre nicht Urtur Schnitzlers ordnender Geist gliedernd und auf.
—bauend auch hier am Werke Bekeumais, transparent gewordene
Stunden, im #utscheidruben Wol öffenbart, Erlülenes und Er¬
schautes fügt sich zur Lebensanschaung und gleichzeitig zum Adbild
des Betrachtenden selbst, der hier, ohne derart Definitives zu wollen.
ja seiner Meinung nach nur beiläufig Entstandenes, zwanglos 2
Tagebuchartiges (und wohl eben deshalb so unentrinnbar anziehend)
wabe
die Summe seiner Erfahrung gezogen hat. Ein Sondern in ein¬
zelne Abschnitte ermöglicht das Zusammenfassen des geistig Ver¬
wandten zu geschlossenen Komplexen, deren Aufeinanderfolge
Steigerung und Einheit zugleich erzielt, und der Mensch, der aus
jedem Satz spricht, tritt so stark und liebersweit in die Er¬
scheinung, daß man diese Monologe und Interjektionen mit
größerer Spannung lieft als manche berühmte Erzählung. Sprüche
in Versen präludieren, solch ein Prosa bilden den Epilog Ahnungen
und Fragen, Schicksal und Wille, Wunder und Gesetze geben
asse 5
Anlaß zu Reflexionen und Maximen, denen nichts Doktrinäres
und mühsam Ergrübeltes anhaftet und in denen jedes Wort von
unmittelbarem Erleben durchblutet ist. Was der Dichter über
Politik, Journalismus, Gesinnung äußert, ist die Erkenntnis eines
innerlich ganz frei Gewordenen, der mu fast perfider Hellsichtigkeit
auf das Getriebe der Kleinen und Unfreien blickt, es mutet
beinahe wie Komödienrepliken an und bei manchem Abschnitt
möchte ich mich anheischig machen, gewisse Stellen in der politisch¬
journalistischen Lustspielsatire „Fink und Fliederbusch“ oder in dem
nen und
Roman „Der Weg ins Freie“ zu bezeichnen, für die sie

stoffe hin
unsprünglich bestimmt gewesen sein mögen; man spürt den inneren
uf Grund
die uns Reichtum des Schnitzleischen Lebenswerkes erst ganz, wenn man erwägt.
ffe ent, daß all diese Sprüche und Widersprüche, die ein so unvergleichlich die all die Werke einfach ignorieren, die der vor¬
glühen leuchtkräftiges Buch ergeben, zum großen Teil nichts als Ge- gefaßten Klischeemeinung nicht entsprechen, sondern gegen
Prisnias denkenabfalle aus seiner Dichterweikstatt bedeuten, auf die er ver= solche, die das Gebotene mit den angeblich größeren
zird, so zichten durfte, ohne seine Schöpfung durch Dürftigerwerden zu Prodlemen der Gegenwart erschlagen wollen, richtet sich seine
Er bringt gefährden und nur, weil ihm diese Einfälle nicht organisch genug unwiderlegliche Abwehr: „Manchmal möchte man beinahe glauben,
ischer in mit dem Ideenzentrum des Ganzen verbunden zu sein scheinen bedeutende historiiche Ereignisse erfolgten nm zu dem Zweck, um
m besagt mochten — Einfälle, die für einen Literaten ebensoviele Höhe= den Rezensenten immer wieder neue oder falsche Maßstate für die
Betrachtung von Kunstwerken an die Hand zu geben. Haue man
sammen= punkte einer Arbeit bedeutet hätten und die dieser geistige
die Bedeutung jedes Werkes durch eine Reihe von Jahren mit
Die Verschwender einfach über Bord werfen konnte, ohne sich zu
st.
Vorliede an der „großen Zeit“ gemessen — ein Schtagwort, das
zefunden schmälern.
nun von denselben Leuten verspottei wird, die es damals für ihre.
Was der Dichter, dem die menschliche Verantwortung und
Beispiel
die Unsicherheit der Beziehungen zum Hauptprodiem seines Zwecke mißbraucht und zu Tode gehetzt haben —, so ist nun das
Helium,
Schaffens geworden ist, über diese ethischen und feelischen Dinge, Schlagwort von der „versunkenen Welt“ aufgekommen, für die sich
er Erde
was er über Liebe und Enttäuschungen zu sagen hat, ist von in Wirklichkeit kein anständiger Mensch mehr zu interessieren vermöge
en zu-schmerzlich seiner und müder Skepfis erfüllt, vom noblen Ver= und die daher mit ihren Indiduen und ihren Prodlemnen künst¬
gedeutet stehen eines Wissendgewordenen, dem kein Wahn der Sinne den lerischer Behandlung überhaupt nicht mehr würdig sei.
„War aber der Phrase von der „großen Zeit“ immerhin noch
edehnte Blick mehr trübt und der doch ein Sehnsüchtiger geblieben ist.
eine Spur von Vernunft zuzubilligen, zum mindesten, wenn man
jen be- Und nicht nur in ihrer überleger u Scharssichtigkeit hinreißend,
zustand sondern persönlich aufschlußreich ist der Abschnitt „Werk und jene in rein quantitativer Hinsicht zu verstehen suchte, so ist die
dies es Widerhall“ und besonders die Auseinandersetzung mit dem Wesen von der „verfunkenen Welt“ mag sie auch so manchen sonst
) zwar der Kritik Zum erstenmal wird eiwas wie Polemik und selbst. gescheiten Leuten leichtfertig nachgeplappert werden, so völlig sinnlos
1 vor- bewahrende Feststellung gewisser Schlagwortunsinnigkeiten bei Schnitzlex und verrät eine so naive Auffassung vom Wesen politischer,
iß das laut, der zu ihnen ebenso wie zu unzähligen Beschimpfungen und sozialer, ethischer Entwicklungt kurz ein solches M.ßverstehen aller
Dort Verleumdungen bishei immer nur geschwiegen hatte. Schon in Geschichte (als wäre jemals im Laufe weniger Jahre eine
als hätte.
Stoff den Sprüchen in Versen ironisiert er die vielen, die ihn immer Welt wirklich versunken und — wäre es selbst so —
erung wieder in eine enge Rubrik einsperren wollten: „Und klagt ihr der Dichter das Recht nicht, die Gestalten einer versunkenen, auch¬
Ich wüßte nur von Lied' und einer eben erst versunkenen Welt heraufzubeschwören —), daß es
dieseswieder eure krit'sche Not.
ulium Spiel und Tod — Das wohlvertraute Lied euch vorzusingen. —nicht lange dauern wird bis zu dem Augenblick, da dieselben
haften So seid getrost: in diesen ewigen drei'n — Ist alle Wahrheit Leute das neue Schlagwort als lächerlich verhöhnen werden die
und ihr Spiegelschein — Und Sinn und Seel' von allen Erden= heute noch ihre kritische Ueberlegenheit zum großen Teil von ihm
das dingen.“ Und gleich darauf sehr maliziös: „. .. nur ich bin zu bestreiten suchen.“
In diesem ganzen Buche steht, dem allzu bescheidenen Vor¬
,daß steh'n geblieben — Und was euch in den Kram nicht paßt,
unge= — Das hab' ich nicht geschrieben.“ Aber nicht nur gegen jene, wort zu Trotz, nicht ein unbeträchtlicher, nicht ein nebensächlicher