IV, Gedichte und Sprüche 5, Bemerkungen mit Fragezeichen, Seite 6

5. Benerkunge
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mit
Fragezeichen

behauptung vorstellt und daß das innere Gleichgewicht eines In¬
dividuums eigentlich schon gestört ist, sobald dieses sich nicht mehr
als Zentrum, sondern als peripherisch zu empfinden beginnt; daß also
die Menschen im allgemeinen ihren sozusagen physiologischen Größen¬
wahn bestenfalls nur zu dissimulieren versuchen. — Daher wird
nicht nur Feindseligkeit oder Abneigung, sondern auch schon Gleich¬
gültigkeit von den meisten Menschen als Verfolgung empfunden, —
und gewissermaßen mit Recht. Denn Mangel an Interesse und För¬
derung ist in seiner Wirkung von Schädigung nur graduell unter¬
schieden, und in der Okonomie menschlicher Beziehungen besonders
von ethischem Standpunkt aus kaum anders zu bewerten.
Der Asthet als Bösewicht —?
ede Art von ästhetischer Weltanschauung ist mit Egoismus nahe
verwandt; — wenn er nicht geradezu als eine ihrer Quellen gelten
darf; und auf die Wirklichkeit angewandt, kann eine rein ästhetische
Betrachtungsweise leicht wie Schurkerei erscheinen. Denn wenn wir
uns beispielsweise sorgfältig in Acht nehmen, dem bunten Schmetterling
etwas zuleide zu tun und im nächften Augenblick den uns wider¬
lichen Wurm achtlos oder gar absichtlich mit unserem Fuß zer¬
treten; — was haben wir denn anderes getan als den Wurm mit
dem Tod zu bestrafen, weil er vor unserem Schönheitssinn nicht
so gut bestand wie der Falter, der unser Aug’ entzückt hat.
Gespensterfurcht —?
Wie einsam du zeitlebens gewesen bist, das kannst du nie völlig
erfassen und wirst es nie, — es sei denn, du vermöchtest als Dahin¬
geschiedener in die Seele eines Menschen zu schauen, dem du vor
allen lieb gewesen bist. Dann würdest du erfahren, wie sich auch
in dieser treuesten Seele der Gedanke, du könntest wiederkehren,
aus der Sehnsucht nach einem Wunder ohnegleichen allmählich, doch
unaufhaltsam, von Jahr zu Jahr, von Tag zu Tag in grausamere
Schauer der Angst wandelt.