V, Textsammlungen 1, Die Frau des Weisen. Novelletten, Seite 5

rau des Neis

1. Die Fie
So ergeht sich Arthur Schnitzler, der Ver¬
fasser des Dramas „Liebelei“ in einigen Novelletten
seines Buches „Die Frau des Weisen“ (2. Auflage
Berlin 1898, S. Fischer) in endlosen Gedankenreihen,
die eigentlich sehr nebensächlich sind, weil sie von unter¬
geordneten Geistern gedacht werden.
In der
ersten Erzählung ist es eine Ich Person, die in
einem dänischen Badeort, bald in einem Kahn,
bald unter Buchen faulenzt und ihre unbedeuten¬
den Eindrücke aufschreibt, bis langsam die Begegnung
mit der Frau des Lehrers, bei dem jener
„Ich“ als Primaner in Pension war,
die
in
Aufzeichnung hineintröpfelt, dazu einzelne Erinnerungen,
aber man verliert fast die Geduld, ehe man endlich dar¬
über unterrichtet wird, daß zwischen dieser Frau und
dem Schüler beim Scheiden ein Liebesgeständnis stattge¬
funden hat und von dem Lehrer belauscht ist. Seitdem
sind sieben Jahre vergangen, die Frau hält sich mit
ihrem vierjährigen Knaben allein in dem Seebad auf, um
später ihren Mann zu treffen und knüpft von neuem Be¬
ziehungen mit dem ehemaligen Pensionär an, der sie aber
verläßt, als ei erfährt, daß ihr Gatte ihr kein Wort
von der damaligen Entdeckung gesagt hat, daß sie all
die Jahre, ohne es zu fühlen, unter einer großen Ver¬
zeihung dahin gelebt hat. Das seelische Problem ist
überaus fein, die Skizzierung sehr zart hingehaucht, aber
statt der beabsichtigten träumerischen Stimmung weht
aus dem Zuviel von gleichgiltigen Anmerkungen eine ge¬
wisse Langeweile. Noch mehr ist das der Fall in der
Skizze „Ein Abschied“. Ein ungenannter „Er“ vermißt
den gewohnten Besuch der heimlich Geliebten, er schleicht
vor ihr Haus, ungewiß ob sie krank ist, endlich erfährt
er, sie ist krank, sie ist sehr krank, sie liegt im Sterben,
sie ist tot, dann dringt er in das Trauerhaus, durch die
Leidtragenden, zum Totenbett, vor dem der Gatte in
Schmerz zusammengebrochen ist, hier endlich ist das
Problem. „Er“ wagt nicht, dem trauernden Gatten das
Recht zu bestreiten, an dem Bett zu knieen und fühlt
ein verächtliches Lächeln der Toten. Aber bis wir end¬
lich dahin kommen, müssen wir jeden Gedanken, den der
Liebhaber denkt, während er tagelang im Regen vor dem
Sterbehaus auf der Straße steht in qualvoller Unge¬
duld anhören, ohne eigentlich imstande zu sein, die
Qualen des trauernden Liebhabers anders als närrisch
und langweilig zu finden. Der Liebhaber erscheint uns
als ein recht banaler Durchschnittsmensch, nur noch
etwas nervöser als andere Normalmenschen, und wenn
er nach der Nervenerregung der letzten Tage auf dem
starren Gesicht der Toten ein Lächeln zu sehen glaubt,
und dem aus seinem schlechten Gewissen eine Deutung
unterlegt, so ist das noch lange kein Problem, dem man
Interesse abgewinnen kann. Das breite Vorführen von
nebensächlichen Dingen ist auch das Unglück der Ge¬
schichte „Blumen“. Ein Liebhaber bekommt regelmäßig
von seinem geliebten Mädchen Blumen, auch nach ihrem
Tode trifft zum gleichen Tag der Blumenstrauß ein und
er steht unter einer Art Suggestion, die von diesen Blumen
ausgeht, bis eine neue Liebe die alten welken Blumen
fortwirft und frische hinsetzt. Die bedeutendste Novellette
des Buches ist die letzte „Die Toten schweigen“. Eine
junge Frau macht mit dem heimlich Geliebten eine
abendliche Spazierfahrt, der betrunkene Kutscher wirft
den Wagen än einem Steinhaufen um, die Insassen
stürzen heraus; die Frau ist wenig verletzt, der Mann
tot.
Während der Kutscher Hilfe herbeiholen will,
flieht sie unter großen Seelenqualen in die Stadt zurück,
fortwährend für das Zugeständnis, das sie der
Konvention machte, als sie den toten Geliebten verließ,
nach Entschuldigungen ringend. Sie glaubt sich im
Hause geborgen bei Mann und Kind, sie sucht sich zu
bezwingen, aber die Anklage des Toten schweigt nicht in
fihrem fiebernden Empfinden und sie verrät sich. Hier
ist ein Problem durch Seelenzeichnung gelöst und jedes
Empfindungsmoment ist bedeutsam. Immerhin steckt
ber auch in den anderen Novelletten des Wiener Ver¬
hältnisse behandelnden Dichters ein schönes Stück
künstlerischer Arbeit und bildungsfähiger Eigenart¬
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2
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Ausschnitt
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S
Ausschnitt aus: —
G
vom JUN 1898
Eingegangene Bücher.
Die Fran des Weisen. Noveletten von A. Schnihler¬
(Berlin, S. Fischer.) Der Verfasser des über alle nam¬
haften Bühnen mit viel Erfolg gebenden Schauspiels „Lie¬
enthaltenden
belei“ legt uns einen neuen fünf Novell
gisch seiner
Band vor. Alle fünf sind Meisterstücke
alle au
Erzähl= und Darstellerkunst. Diese N
um d
Moll gesimmt, lassen den verhaltener
Zeilen her¬
Lebens vergebens erjagtes Glück zwische
Leben,
ausfühlen, ein Glück, das kein Glück ist, wi
hes,
aus dem diese Geschehnisse bervorgingen, kei
thätigendes, eroberndes Leben ist, sondern ei
suchendes Dämmerleben. In zarten, zerfli
die
doch deutlich wahrnehmbaren Uebergäng
en
gebeimen Wege der Psyche aufaedeckt un
gen
Fabeln durch eine Darlegung der leiseste
Sge
zu feinen, klar gestalteten, begreifbare
eues
staltet. Wir zweifeln nicht, daß diese Nov
J.46.
Ruhmesblatt für den Verfasser bilden werden
Doktor Ix. Roman von Karl Larsen, übrsetzt
Inon E. Brausewetter, (Berlin, Schuster u. Lofser.)

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