V, Textsammlungen 1, Die Frau des Weisen. Novelletten, Seite 30

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Die Fral
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DEUTSCHE BUCHER.
unbändiger Naturkinder sollen durch den Reiz des Kontrastes
doppelt und dreifach wirken in seinem eisgekühlten Diplo¬
matenstil. Diese Kunstübung treibt und übertreibt er bis zur
Koketterie. Hätte Rudolf Lindau die Irrfahrten des Odysseus
zu besingen, er würde sicherlich nicht nach der “klingenden
Harfe des Demodokos langen. Viel eher könnte es ihn
locken, Heimsuchung und Heimkehr des göttlichen Dulders
in die Prosa eines Metternich’schen Rundschreibens zu kleiden
oder den Lebenslauf Monte Christos, die Räubergeschichten
von Vautrin und Rocambole aktenmässig zu protokolliren.
Das Rezept ist weder neu, noch schlecht. Stendhal erklärte
den Text des Code Napoléon für sein unerreichbares Vorbild,
und vom ersten aller französischen Novellisten hat man mit
Recht gesagt:“ Mérimée ist Weltmann in seinem Stil, wie in
allem übrigen, ja noch mehr, als in allem übrigen, denn das
Merkmal der Korrektheit besteht just darin, sich von nieman¬
dem in Anzug, Haltung, Tonfall, Sprechweise zu unterscheiden.“
Diesem Grundsatz folgt Mérimée, wie im Salon, auch am
Schreibtisch: “er hat sowenig Manier, dass man sagen möchte,
er hat keinen Stil. So soll es sein. Für ihn ist der beste Sti!
derjenige, dessen man gar nicht gewahr wird. Gewiss ist
ein Stil derart am schwersten zu erlangen. Diese Kunst, die
alle Kunst verbirgt, erfordert unbedingte Klarheit, unfehlbare
Richtigkeit des Ausdrucks, Genauigkeit, Leichtigkeit, ebenso
behenden als behaglichen Wechsel der Töne. Nach dem
Urteil aller echten Kenner hat Mérimée diese Eigenschaften
in höchstem Maasse besessen.“ Der schwarze Ritter im
romantischen Turnier,“ wie ihn — wenn ich mich recht ent¬
sinne — Georg Brandes genannt hat, kredenzte lieber krystall¬
helles Wasser aus dem Felsenquell, als überwürzten Glühwein.
Er zog es vor, zu bilden, statt zu “bildern“: ancun sonci
d’erpression éclatante, de ciselure, de joaillerie li'téraire: cest
aur saits, cest aus gestes et paroles des personnages d’étre pitto¬
resques.“ Nichts scheint einleuchtender als diese Regel, nichts
leichter nachzuahmen, als dieses Beispiel. Gleichwol ist nicht
leicht ein Künstler unnachahmlicher als Mérimée: Zeuge
dessen nach so vielen anderen wieder einmal Rudolf Lindau.
Wie Mérimée pflegt er mit Vorliebe aparte Vorwürfe. Wie
* EMiLE FaauEr: Eindes lilteraires sur 1e XlAme siecle. Paris, 1887, 346.

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