box 3578
Wunc
Ker
5. Mas
(Quellenatigäbe ohne Gewähr.]
Osterreichische Rundschau, Wien
sschnitt aus:
FPR.1911
m:
„Del der Anzelge des letzten Rovelen¬
bandes von Arthur Schuitler „Masken
und Wunder“ an dieser Stelle ist ene Er¬
weiterung des Stoffkreises, eine Vertiefung
im Ideellen hervorgehoben worden; mit dem
neuesten Buch, der Novelle: „Frau Beate
und ihr Sohn““ ist der Dichter jedoch in
seine alte Welt zurückgekehrt. Dieses Be¬
harren hat etwas Tragisches, etwas von
Einsamkeit, Blindheit und Flucht; es ist
äußerste Treue, aber ohne Gebot; Treue als
Rettung. Die neue Novelle ist nun eines
jener Dichtwerke, die weit mehr von ihrem
Stoff als seiner formalen Gestaltung bedingt
sind und sich in ihrer Wirkung daher als
sehr relativ erweisen. Man kann geradezu
sagen: ihr Schicksal hängt von jedem ein¬
zelnen Leser ab, sie ist auf die innere Er¬
widerung angewiesen und kann in unmittel¬
barer Folge sowohl Triumph als Niederlage
erfahren, ohne daß hier oder dort das abso¬
lute Recht zu finden wäre, Darum wird
schwerlich über sie etwas Unbedingtes ausge¬
sagt werden können. Sie verleugnet die Art
ihres Verfassers nicht, enthält viele Vorzüge
dieser allmählich aus der Zeit kommenden
Kunst und ist namentlich sprachlich rein und
schön gehalten; gegen den Schluß hin steigt
die Diktion wahrhaftig ganz ins Erhabene
ihres Todesbildes auf. Aber die Reinigung,
die diesen verworrenen Schicksalen durch
ihre Selbstvernichtung zuteil werden sollte,
ist keine erlösende. Die Liebeswege der beiden
Menschen, Mutter und Sohn, vereinigen sich
zu einem gemeinsamen Todesweg. Und doch
ist dieser Ausgang nicht sühnend; denn was
geschehen ist, war nicht Schuld, sondern nur
Irrung und wäre in Zeit und tätigem Leben
vergangen. Aus Irrung Schicksal zu
schaffen, ist psychologisierenden Schriftstellern
ja vor allem Problem. Sie versteigen sich
darum in einer übermäßigen Betonung des
Regungshaften, dunkel als Wunsch Be¬
wußten, und löschen die künstlich angefachten
Gluten dann kaum mit der Gewaltsamkeit
des Todes. In der Erinnerung bleibt der
dumpfe Dunst einer Treibhauswelt. Was man
allerdings für sich gewonnen hat, ist kaum
mehr als eine Erfahrung, die jedoch so an
ein Einzelgeschick gebunden ist, daß sie als
allgemeine Wahrheit niemals gelten könnte:
ein Beispiel und eine Darstellung, aber darumg.
noch keine tiefere Kenntnis der Seele.
Wunc
Ker
5. Mas
(Quellenatigäbe ohne Gewähr.]
Osterreichische Rundschau, Wien
sschnitt aus:
FPR.1911
m:
„Del der Anzelge des letzten Rovelen¬
bandes von Arthur Schuitler „Masken
und Wunder“ an dieser Stelle ist ene Er¬
weiterung des Stoffkreises, eine Vertiefung
im Ideellen hervorgehoben worden; mit dem
neuesten Buch, der Novelle: „Frau Beate
und ihr Sohn““ ist der Dichter jedoch in
seine alte Welt zurückgekehrt. Dieses Be¬
harren hat etwas Tragisches, etwas von
Einsamkeit, Blindheit und Flucht; es ist
äußerste Treue, aber ohne Gebot; Treue als
Rettung. Die neue Novelle ist nun eines
jener Dichtwerke, die weit mehr von ihrem
Stoff als seiner formalen Gestaltung bedingt
sind und sich in ihrer Wirkung daher als
sehr relativ erweisen. Man kann geradezu
sagen: ihr Schicksal hängt von jedem ein¬
zelnen Leser ab, sie ist auf die innere Er¬
widerung angewiesen und kann in unmittel¬
barer Folge sowohl Triumph als Niederlage
erfahren, ohne daß hier oder dort das abso¬
lute Recht zu finden wäre, Darum wird
schwerlich über sie etwas Unbedingtes ausge¬
sagt werden können. Sie verleugnet die Art
ihres Verfassers nicht, enthält viele Vorzüge
dieser allmählich aus der Zeit kommenden
Kunst und ist namentlich sprachlich rein und
schön gehalten; gegen den Schluß hin steigt
die Diktion wahrhaftig ganz ins Erhabene
ihres Todesbildes auf. Aber die Reinigung,
die diesen verworrenen Schicksalen durch
ihre Selbstvernichtung zuteil werden sollte,
ist keine erlösende. Die Liebeswege der beiden
Menschen, Mutter und Sohn, vereinigen sich
zu einem gemeinsamen Todesweg. Und doch
ist dieser Ausgang nicht sühnend; denn was
geschehen ist, war nicht Schuld, sondern nur
Irrung und wäre in Zeit und tätigem Leben
vergangen. Aus Irrung Schicksal zu
schaffen, ist psychologisierenden Schriftstellern
ja vor allem Problem. Sie versteigen sich
darum in einer übermäßigen Betonung des
Regungshaften, dunkel als Wunsch Be¬
wußten, und löschen die künstlich angefachten
Gluten dann kaum mit der Gewaltsamkeit
des Todes. In der Erinnerung bleibt der
dumpfe Dunst einer Treibhauswelt. Was man
allerdings für sich gewonnen hat, ist kaum
mehr als eine Erfahrung, die jedoch so an
ein Einzelgeschick gebunden ist, daß sie als
allgemeine Wahrheit niemals gelten könnte:
ein Beispiel und eine Darstellung, aber darumg.
noch keine tiefere Kenntnis der Seele.