V, Textsammlungen 5, Masken und Wunder. Novellen, Seite 4

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Wun
5. Masken und Junder
11e.
Wald und Feld ver¬
Kimme. Auch ein Schnitzeljager. Das komm.
schwierigsten ist. Alle
mann! Hier — wünscht ein underannter Köllege in den
ngungen, jagen ihre davon!
zug, teilnahmsvolle Händedrücke empfangend und er=] Leben lockt. Vielgestaltig sind wir ihm begegnet, als
widernd, und einen faden Geruch von Karbol und Helfer bei manchem Bresthaften, bald als einem
Chirurgen, der kühl entschlossen mit Skalpell und Schere
slatt.
Blumen in der Nase. Erst allmählich gelingt es ihm, sich
hantierte, bald als einem Konsiliarius für manch seelisches
das Bild seiner Gattin ins Gedächtnis zurückzurufen, an¬
Leid, der aufmerksam den dumpfen Tönen des unruhig
fangs freilich wieder nur das Bild eines Bildes, das gold¬
hur Schnitzler.—
pochenden Herzens lauschte. Und wir kennen auch den
gerahmte Porträt im Salon, dann ihre blühende Er¬
Dichter, um den wilde Erlebnisse sich ranken, von dem
scheinung, wie sie an seiner Seite in der Loge eines
Arihie Schnitzler,
nachdenklichen Filippo Loschi angefangen bis zu jenem
Theaters gethront hatte, „den Blick auf die Bühne ge¬
Perlin.)
anderen leichtsinnigen aus dem Wiener „Reigen“. Die
richtet und innerlich fern“, dann sieht er sie sehnsüchtig,
er.
Aerzte bei Schnitzler sind oftmals die Träger der Ideen,
heiß und begehrend, und dann wieder nervös und weiner¬
die Dichter Träger der Handlung; man muß ein Dichter
schönen Novellenbandes
lich, und dann geängstigt am Bett des kranken Kindes,
sein, um etwas erleben zu können, das macht uns
und schließlich bleich mit schmerzlich heruntergezogenen
jählung: „Der Tod des
Die Dichter sind nicht
Schnitzler eindringlich.
Mundwinkeln, kühle Schweißtropfen auf der Stirn. Und
kinem Manne berichtet
eigentlich Puppenspieler, sondern eher die Puppen,
er weiß nicht, welcher von all diesen Erscheinungen er
kein Kind klagt um
mit denen gespielt wird; Anatol ist ein Dichter,
k nur wenige Freunde
zürnen soll, welchem von diesen Bildern, diesen Phan¬
Gleichwohl begegnen uns
wie der junge Medardus.
us ihrem behaglichen
tasien! Ohnmächtig ist sein Haß, seine Beschämung, sein
hier zum erstenmal alle diese Gestalten völlig als Abstrak¬
Das ist alles meisterhaft dar¬
e anderen alle glücklich
Zorn suchen ins Leere.
tionen, trotz ihrer packenden Gegenständlichkeit; sie nennen
Geselligen nimmt der
gestellt, mit strenger Ruhe: neben dem Kaufmann der
gar keine besonderen Namen ihr eigen, sondern heißen
ab hinaus; für die
Arzt, dem Bitterkeit in seiner Seele aufsteigt, gleich wie
ganz kurz: der Junggeselle, der Kaufmann, der Arzt, der
i verkürzten Daseins.
er von des Freundes Erkrankung hört. „Es war weniger
Dichter. Hinter diesen Gestalten erkennen'wir eine strenge
Schmerz, daß er vielleicht bald einen guten, alten Freund
Hahren schon nieder¬
Weltordnung. In einer Novelle des neuen Buches wird
eißt es auf dem Um¬
verlieren sollte, als peinliche Empfindung, daß sie nun so
von dem Helden gesagt, es falle ihm gar nicht die Rolle
geginnt der Tert; dann
weit waren, sie alle, die noch vor wenigen Jahren jung
eines Individuums zu, sondern die eines Prinzips. Diese
einigt, erschreckend klar,
gewesen.“ Jetzt, da ihm droheno das Geheimnis des toten
Anmerkung könnte man zu allen Helden des Buches
is, meine Lieben, und
Freundes entgegentönt, muß er an sein behagliches Heim
machen, das ganze Dasein scheint in ihnen seinen Ele¬
denken, und die Worte des Toten „scheinen ihm nicht so
Frauen habe ich ge¬
menten nach aufgelöst, ihre Mischung gibt Leben und Tod.
uß man da an eine
sehr unwahr, als von einer rätselhaften, ja erhabenen
Und deutlich erscheinen uns auch alle diese Gestalten
Unwichtigkeit“. Das alles hat er längst gewußt oder doch
itzlers denken, „Ein
wieder als Elemente ihres Schöpfers, als Abspaltungen
geahnt, oder seine Frau hat es ihm gestehen wollen und
hr innige Novelle ent¬
seines Wesens — der Junggeselle, der Arzt, der Dichter
er hat ihr Geständnis verschmäht — er weiß es selbst
neuen, vielleicht noch
und alle die anderen — metallene Platten, jede einzelne
nicht mehr, so ferne liegt es ihm, verliert sich im Nebel¬
or dem Tod des Jung¬
einer besonderen Farbe seines Wesens zum Ausdruck be¬
haften. Und neben dem Arzt der Dichter, der das hä߬
r geliebten Frau ge¬
stimmt, seltsam verschieden und zusammen doch hell und
liche Blatt in die Brusttasche schiebt; wohlverwahrt und
m Stelldichein, durch
getreu sein Bildnis wirkend, Darum scheinen sie manchmal
versiegelt soll es die Gattin in seinem Nachlaß finden.
Freund von ihrer Er¬
einander so eigensinnig zu widersprechen, darum strömt
„Mit der seltenen Einbildungskraft, die ihm nun einmal
Ihr kein Wort der Liebe
doch ihr Handeln so wunderbar harmonisch ineinander,
eigen war, hörte er sie schon an seinem Grabe flüstern:
if der Bahre liegt, ge¬
von einem starken Fühlen, einem vornehmen Erkennen
Du Edler... Großer. ...“ Und so liegt gerade darin eine
e Menschen zu mengen,
getragen.
kluge, dichterische Feinheit dieser Erzählung, daß nicht der
„ihm war, als dürse
Betrüger recht behält, sondern der Betrogene, nicht der
Der neue Novellenkranz von Schnitzler gibt uns nicht
ls hätte ihn seine tote
Junggeselle, sondern der Gatte. Der Einsame bleibt ein¬
das Leben selbst, sondern das Prinzip des Lebens. Das
erleugnet“.
sam im Tode, wie er es im Leben war, einsam und ge¬
wirkliche Leben dünkt uns abgerückt, in stolzer Distanz
frühe Novelle schrieb,
prellt. In seinem kleinen, erbärmlichen Haß glaubte er,
gehalten. Alle diese Erzählungen gefallen sich in einem
len Junggesellen unter
das Leben seiner Freunde zu vergiften, er, der Sterbende;
sauften, zarten Märchenton, wie durch einen Schleier
kenschen sprachen eine
aber das stärkere Leben triumphiert, er war ein Eindring¬
hindurch folgen wir den Geschehnissen. Nicht wirkliche Er¬
iden jeder für sich,
lebnisse sind es, die zauberhaft, wie der Klang der fernen
ling, man hat ihm die Tür gewiesen.
ken einzustehen, auf
Hirtenflöte, die schöne Dionysia in ihren Bann ziehen,
Die Erzählung vom Tode des Junggesellen, vor einigen
ntwortlichkeit. Seither
sie steigen aus ihren geheimen Wünschen empor. Erasmus,
Jahren schon entstanden, knüpft das Band zwischen dem
estigten Ehestand der
der Sterndeuter. Dionysias Gatte, ist ein Magier, dem es
vorstürmenden Werk des jungen Dichters Schnitzler und
nd tief im Leben ver¬
gelingt, die Riegel ihrer Seele zu sprengen, da nimmt
der gereiften Kunst des Meisters. Wir kennen die Gestalt
an fremde Schick¬
kaum eingestandene Sehnsucht greifbare Gestalt an, nebel¬
des Witwers, dem sich erst im Augenblicke, da seine Ge¬
Strichen gezeichnet,
hafte Lockung wird zum Ereignis. Erasmus ist der
fährtin für immer Abschied naumt, deren wahres Wesen
Erzählung Schnitzlers
Puppenspieler, dem das eigene Spiel über den Kopf wächst,
entschleiert, der besitzen lernt, da er verliert. Wir kennen
zuerst durchaus nicht
Dionysia ist eine Dichterin, die, von jeder Hemmung be¬
auch den Arzt, dem Betrug und Haß und Rache so
der sich immer nur
freit, ihr Leben ins Ungemessene steigert. Wie sich der richtige
lächerlich unwichtig erscheinen, wenn einer auf der Bahre
orgens zwischen den
hi, im schwarzen An= liegt und draußen vor den dicht verhängten Fenstern das! Dramatiker gerne am Spiel im Spiel erfreut, an dem
Won Pure Vunne 1o. Nr 1611.