V, Textsammlungen 5, Masken und Wunder. Novellen, Seite 9

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Berlin

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„ohne Frage und ohne Vorwurf“ empfangen und sie werde
sie
„Gemach, Bett und Gewand“ wie vordem in ihrem Heim bereit
asken und Wunder.“
finden. Diese kaite Problemstellung, diese Scheingüte voll Mi߬
trauen, treibt die
d Klaar.
schöne junge Frau erst zur Verzweiflung
und übt zuletzt doch eine Suggestion auf sie aus. In
seinem fünfzigsten Geburtstage
halb traumhaftem Zustande, im Nachtgewande giebt sie der Heraus¬
einem neuen Novellenbuch, das
forderuug zum Triebleben nach, folgt zuerst den Klängen einer
und Wunder"*) führt und vom
Hirtenflöte und dem anfangs spröden, dann völlig an sie hin¬
leder Seite gefangen nimmt, ins
gegebenen Hirten durch die Abenteuer eines Zigennerlebens, bis sie,
zur Kultur zurückstrebend, ein Kleid verlangt und der Hirt seine
knt er auch in dieser neuen selt¬
Flöte — der Künstler seine Kunst — opfert, um ihr zu willen zu
sein. Als Geliebte eines Fabrikherrn gerät sie dann aus der
selbst, wie wir ihn seit Jahren
Uppigkeit in die sozialistische Bewegung hinein, die sie in ihrer Hilfs¬
bieder die sichere Kontur und der
bereitschaft schürt und deren Kreise sie in ihren Wirbel ziehen. Sie
em Absonderlichsten Realität zu
möchte Genossin der revolutionierenden Arbeiter sein, und wird ihre
iener Schule weichlicher Wehmut
Dirne, bis ein Aristokrat ihr wieder den Zauber des Maitressen¬
er mit begründen half, immer
lebens bietet, aus dem sie, angeekelt, zu einem höheren Courtisanen¬
gegen die Philistermoral, die bei
sie in jene fein erfaßte
tum emporsteigt, zur Geliebten eines Sonveräns, mit dem sie Land
und Leute regiert, um zuletzt nach so und so vielen Wandlungen
allen moralischen Be¬

ihr ewiges Werk er¬
um ihrer höheren Wahrhaftigkeit willen von oben und unten
die im alten Musiker
verstoßen zu werden und nun als Bettlerin den Heimweg zu suchen.
im Leben seiner Tochter beklagt,
Der Gatte ist bereit, sein Wort zu halten, sie aber verschmäht Ge¬
Da ist auch wieder der feine
mach, Bett und Gewand. Sie flucht seiner Weisheit, vor der ihr
mehr schandert als vor allen Masken und Wundern der Welt: die
Heyseschen „Falken“ der Novelle,
Geschichte mitteilenswert macht,
es verkannte, daß jedem menschlichen Dasein nur „ein schmaler
er davor schützt, in seiner Nach¬
Strich“ gegönnt ist, „sein Wesen zu verstehen und zu erfüllen“ und
tellung (wie es z. B. seinem be¬
enteilt ihm für immer ins Unbekannte. Er aber gibt einem neuen
Stern, den er am Firmament aufblitzen sieht, ihren Namen:
gst in „Faustina“ widerfuhr) in
ik zu geraten.
Dionysia.
as in der bisherigen Produktion
Dieses Halbmärchen, aus dem die Anschauung hervorleuchtet, daß
chleier der Beatrise“ vorbereitet
wir uns ethisch nur im Schwebezustande erhalten, daß die schein¬
mit großer Virtuosität zur Wirk¬
hare Harwonie der Kräfte nur ein labiles, kein stabiles Gleich¬
des Vortrags den Eindruck der
gewicht bedeutet, gibt den Ton für den ganzen Zyllus der Novellen
hmes Vergnügen, durch Märchen
an. Auf ein leichtes satirisches Zwischeuspiel „Dei Jed des Jung¬
Leben enthalten, das Mysterium
ausgeschliffene Anek¬
gesellen“
die fein aber überscharf
blichkeit psychologisch und physio¬
Freunden als eine
seinen
dote von einem Roné, der
daß er
Elementarische des Unterbewußt¬
darüber zurückläßt,
Art
Testament eine Urkunde
die balladesken
daß aus allen Geschichten zuletzt
ihre Frauen verführt habe, reihen
Stücke „Der Mörder“ und „Der tote Gabriel“, die mit großem
albot herauszutönen scheint: „die
herzliche Verachtung alles dessen,
Raffinement alle Schauer der Mystik in die Realität des modernen
henswert“.
Lebens hineinbannen. Der Held der einen Erzählung wird durch
uflöte“ hat dafür etwas Pro¬
Gewohnheit und Schwäche an eine treue Geliebte gefesselt, während
ihn erst die Berechnung, dann die Leidenschaft zu einem Mädchen
eltkenner, der sein junges, an¬
aus der Gesellschaft treibt. Der Vater der Brant verlangt ein Jahr
Gestirne studiert, fühlt das un¬
Probezeit, in dem die Liebenden in keiner Weise verkehren sollen.
as Letzte in der Seele seiner
elauscht ihren Schlaf und wähnt
Der Schwächling nützt dieses Jahr, mit der alten Geliebten eine Welt¬
Tages tritt er mit dem Vor¬
reise zu machen, wird immer nervöser und leidenschaftlicher, je näher
der Termin der Erfüllung heranrückt und tötet auf der letzten Seefahrt
geben; sie möge aus der Enge
treten, jedem Triebe unbedingt
das anhängliche Weib, das ihm im Wege steht, indem er ihr eine
Morphiumlösung zu trinken gibt. Die Leiche und das Geheimnis
nd wie es ihr beliebe; ob als
des Mordes werden ins Meer versenkt. Reuelos stürmt der Bewerber
ührt oder als Dirne, er werde
zu seiner Braut, um zu erfahren, daß er ihr gleichgültig geworden
und sie sich mit einem anderen verlobt hat. Er kann es nicht fassen,
en von Athur Schnitzler, Berlin,
4 gesteht ihr, was er um ihretwillen getau, ohne sie aus ihrer ver¬
nichtenden Kälte herauszutreiben. Ein Duell mit dem halbbewußten
Rächer der Ermordeten bringt ihm den willkommenen Tod.
Noch verwegener spielt Der tote Gabriel“ mit den geheimen
Mächten, die jenseits von Berechnung und Vorsatz, verhängnisvoll
aus leidenschaftlichen Naturen hervorbrechen. Irene, ein phanta¬
stisches Geschöpf, das ganz in einem verborgenen Gefühl aufgeht,
glühte in der Stille für einen Dichter, der sich an der Leidenschaft
für eine Künstlerin, die ihm angehörte und ihm untren wurde, ver¬
blutete. Das Mädchen betrauert nicht nur den Mann, der ihr
immer fern stand; sie verharrt in ihrer Leidenschaft für ihn, nachdem
er aus dem Leben geschieden ist — war ihr Begehren doch immer
nur ein phantastisches Spiel mit dem Fernen, dem Unnahbaren.
Gelegentlich eines Balles gibt ihr ein Bekannter Gelegenheit, gegen
sie so gerne
Mitternacht jene Künstlerin zu besuchen, d
und ihre Verachtung bezeugen möchte, und,
ihren Haß
schlaue konventionelle Haltung dieser Dame jede
da die
zurückdrängt, entlädt sich Irenes heißes Be¬
Eruption
gehren in einer anderen Art. Sie hat rasch erkannt, daß der Be¬
kannte, der ihren Wunsch erfüllte, der glückliche Rivale ist, dem ihr
Idol zum Opfer fiel. In einem Gemisch von Sinnlichkeit und
Nachsucht wirft sie sich auf der Rückfahrt zum Balle dem falschen
Freunde des Verstorbenen an den Hals, entfacht seine Glut durch
leidenschaftliche Küsse, um ihn dann für immer von sich zu stoßen.
Sie schwelgt in dem Gefühl, dem vermeintlichen Mörder eine
Todeswunde beigebracht zu haben.
Die beiden letzten Geschichten des Buches streifen das Novellen¬
gewand ab und zeigen als Traum und Parabel die mystische und
philosophische Seite der Verneinung aller Herrschaft über das
Leben ohne Hülle. Im „Tagebuch der Redegonda“, handelt es sich
um erträumte Mitteilungen eines Verstorbenen. Das Schicksal,
das aus dem Jenseits berichtet wird, ist das eines Mannes, der
ein ihm fremdes Weib lediglich in Gedanken verführt hat. Die
Geliebte seiner Phantasie aber macht im Bereiche ihrer Ein¬
bildungskraft genan dieselben Vorgänge durch wie er und
vertraut sie wie Tatsachen ihrem Tagebuch an. Das führt
zu einem Duell, das dem Gedankensünder den Tod bringt. Die
Parabel „Die dreifache Warnung“ ist eine geistreiche Darstellung des
Determinismus. Jeder Schritt des dreifach Gewarnten bedeutet
eine Katastrophe, die er nicht vorhersehen, nicht einmal ahnen
konnte; auf die Klage über das ungerechte Schicksal, die der Ge¬
warnte, den gewissen Tod vor Augen, anstimmt, antworket ihm der
Hohn der Elemente. Dieser Hohn geht durch all die neuen Halb¬
märchen Schnitzlers hindurch. Die Parabel offenbart uns als der Weis¬
heit letzter Schluß die Grundstimmung des Ganzen. Würde Schnitzler
in diesen Tagen als ein Achtziger und nicht als ein Fünfziger gefeiert,
so müßte man annehmen, daß er in diesen meisterhaft geschriebenen
Masken und Wundern das salomonische „Alles ist eitel“ als sein
letztes Glaubensbekenntnis niederlegen wollte. Da er aber mitten
im Leben und Schaffen steht, handelt es sich um eine interessante.
Phase der Entwicklung, um die künstlerischen Eingebungen einer
fanstisch=phantastischen Stimmung, die die Augen ins Unergründliche,
ins Mystische richtet und gegen die doch die bewährte Kraft reagiert,
die dem schaffenden Menschen zuruft: er stehe fest und sehe hier sich
um, dem Tätigen ist die Welt nicht stumm.