box 35/8
5. Masken und Munder
Klose & Seidel
Bureau für Zeitungeausechnitte.
Berlin NO. 43, Gcorgenkirchplatz 21!
Generalanzeiger für Dusseldort
(Liest die meisten Zeitungen und ist das
15 S 104 Düsseldorf
bestorganiaierteste Bureau Deutschlands.)
Leidenschaft ihn aus dem Spiel in d
Tüglie
Arthur Schnitzler.
lichkeit trug. Und wieder in der „H
Latung
einer wundervollen Novelle des letzt
(Zu der ichtentrMat.)
Dionysia, die ein holdes, keusches We
F
Traum durch die außerordentlichen
Ein Schattenriß von Hermann Kienzl, Berlin.
9r11 —
ihres Lebens. Was hat sie verwande
Das Werk lobt den Meister. Es steht ein Schöp¬
Wandlung war es nicht! Aber der
fer auf seines Mittsommers Höhe. Bei Kleinen und
Datum:
—
Gatte, sinnbildlich zum ewig unbefrig
Kleinsten hat die runde Zahl der Lebensjahre eine
mischen Forscher gemacht, hatte sie n
andere Bedeutung, ist sie ein konventioneller Anlaß,
mut seines Skeptizismus ihren eigen
dem Geborenen Gewicht zu leihen. Zahlengewicht
mernden Trieben übergeben, die er
statt des Lebensgewichtes. Da werden Unsterblich¬
er sein argloses Weib verpflichtete,
keiten verteilt, die vielleicht noch zu Lebzeiten dieses
reuelos jedem in der Tiefe erlauschten
Menschen erlöschen. Heute soll der Festredner schwei¬
5
zugehen. Befreit von allen Hemmun
gen. Das Werk lobt den Meister.
Hus dem Kunstleben.
das Leben mit Dionysia ein wilde
Arthur chnitzler gab seinem fünfzigsten Geburts¬
vernichtendes Spiel.
tag das rechte Symbol, indem er gerade jetzt das
„Sicherheit ist nirgends.“ Da
* Arthur Schnitzler vollendet heute sein 50. Lebensjahr.
Buch erscheinen ließ, das im letzten Jahre entstanden
unserer selbst sind, entgleiten wir un
Einer, der die Wiener Jugend verkörperte, überschreitet den
Damit brachte er sich selbst das einzige Fest¬
ist.
Leben, der Besitz der Seele, die L
geschenk dar, das seiner würdig ist. Wir sagen von
Grenzstrich, hinter dem Erinnern mehr gilt als Erleben. Noch,
Arthur Schnitzler, als Wiener ein fein
einem Wohltäter, er lebe zu der Menschen Freude;
ist seine Schaffenskraft jung. Sein neuester Novellenband:
aber er lebt im Erspeießlichen sich selbst zur Freude.] produkt überreiser, herbstlicher Kultu
„Masken und Wunder“ zeugt dafür. Aber Schnitzler ist doch
Dichterisches Schaffen ist stärkstes Vitalitätsgefühl. Denker und Schwärmer ein Probl
nicht mehr ganz „Anatole“, und die Mädchen, die er schilder,
Wir glauben uns vom Dichter beschenkt; aber er be=wenn es Rätsel zu lösen gibt, sein
tragen doch nicht mehr die scheue und zitternde Süßigkeit wie
sein eigenes Mitleid nicht schonen
schenkt sich, indem er sich ausschenkt.
vor zwanzig Jahren, da diese leichtfertigen und zärtlichen, iro=
Das neue Buch des Dichters: „Masken und mit einem unendlichen Heimweh, i
nischen und feinen Einakter seinen Ruhm begründeten.
Wunder“ (gleich allen seinen Werken in S. Fischers cholischen Zweifel begabt, der selbst
Verlag, Berlin, erschienen) ist auch deshalb von Be= Sinnlichkeit, selbst die Stunde des T
Schnitzler wird das Bild seines literarischen Gesichts nicht mehr
nusses trübt: dieser aus kostbaren
deutung, weil seine sechs Novellen die tiefen Grund¬
umpragen, doch es scheint manches strenger zu werden, und
einer Eigenheit ohne Gleichen ern
akkorde aller Schnitzlerschen Dichtungen sammeln.
das Auge blickt ernster nach letzten Geheimnissen.
hat selten in seinen Schöpfungen die r
Wieder horcht er hinab zu dem leisen, dunklen Rau¬
animalischen Menschen gesucht. Do
schen seines Lebens in uns, das mächtiger ist, als
zelnen Einaktern des „Reigen“=B
unsere klaren Erkenntnisse, Pläne und bewußten
sein Auge, so wußte sie sein scharf
Folgerungen; dieses in uns verborgene Leben, das
umfassen, und hinter dem leichten C
mit unserem Traum und Wachen ein verwirrendes
tigen Ironie leben sie sich aus.
Spiel treibt, führt uns, indes wir uns selbst zu
prachtvollen Wiener Bürgertyp
führen meinen. Schnitzlers erstem Buche, dem
junge Medardus“.) Ab
„Anatol“ jenen skeptisch=frivolen Szenen aus dem
von Schnitzlers Seele sind die
Leben eines jungen Wiener Epikuräers, hatte Hof¬
cholischen Naturen, die Fragen
mannthal das Motto gegeben:
Untreuen, die die Treue suchen,
„Also spielen wir Theater.
küßten, die das Leben allein lieben,
Spielen unsre eignen Stücke,
Sein und Wesen hat Schnitzler in d
Frühgereift und zart und traurig,
reflektorischen Innenlebens gegebe
Die Komödie unsrer Seele,
Wegins Freie“ heißt — wohl
Unsr-“ wüblen— Hent und Gestern.
heißt, weil es für solche Mensche
Böser Dinge hübsche Formel,
nicht gibt ... Der Roman, son
Glatte Worte, bunte Bilder,
melden, behandelt die Judenfr
Halbes, heimliches Empfinden,
das Judentum“. Aber er „beh
Agonien, Episoden
Frage gar nicht und strebt nich
Und Schnitzler selbst spricht in dem nachdenklichen
Grundlegendes er auch über sie
Einakter „Paracelsus“ die Worte:
spalt von Heim= und Fremdse
„Es fließen ineinander Traum und Wachen,
aus seinem eigenen Schicksal
Wahrheit und Lüge. Sicherheit ist nirgends.
dieser Dichtung zu einem menf
Wir wissen nichts vom Andern, nichts von uns.
und das Rassenproblem dient nur
Wir spielen immer; wer es weiß, ist klug.“
Auch „Der Weg ins Freie“ I
Wer es nicht weiß, wie sein „Puppen¬
Motto: „Alles fließt". Auch hie
spieler“, der die Drähte des eignen und fremden
eine Liebe, der der Lenz Ewigke
Seins mit festen Händen zu lenken glaubte, erfährt
al
es in dem Augenblick, in dem seine Traumwelt
Willens, sein Glück festzuhalten, is
niederbricht. Mit fast theoretischem Witz hat Schnitz¬
aller Dramen und Erzählungen
ler das Zusammenfließen von Ernst und Spiel,
zumeist ist die natürliche Selbstsuc
Wirklichkeit und Traum in der Groteske „Zum
furchtbar. In die leichtlebige Sp
großen Wurstel" behandelt. Dasselbe Thema
knaben „Anatol“ fallen nur erst
fand den frappantesten Ausdruck in dem grandiosen
In „Liebelei“ jedoch, Schnitzler
Einakter „Der grüne Kakadu“ der am 14. Juli
Schauspiel, ist dieser Schatten schwa
1789, dem Tag der Bastillenerstürmung, in der wüsten
ist er des Todes Schatten. Der
Kneipe Prospäres spielt, wo sich Sanskulotten, Ko¬
nur um Weniges reifer sein als An
mödianten und ahnungslose, neugierige Aristokraten
er, als er für eine andere Frau, für
bunt vermischen. Die hochgeborenen Gäste applau¬
großen Welt, sterben gehen muß, in
dieren noch dem amüsanten Theaterspiel, als der
stunde begreifen, daß das Glück bei
eifersüchtige Schauspieler den leibhaftigen Herzog
Geschöpf ihm beschieden gewesen
wirklich erstochen hat und vor den Türen die Revo¬
„süßzen Mädel“, das seiner flüchtigen
lution ausgebrochen ist. Aber der blutige Täter selbst
gab sich nicht Rechenschaft, als die rote Woge der voll Liebe und das ganze Leben
5. Masken und Munder
Klose & Seidel
Bureau für Zeitungeausechnitte.
Berlin NO. 43, Gcorgenkirchplatz 21!
Generalanzeiger für Dusseldort
(Liest die meisten Zeitungen und ist das
15 S 104 Düsseldorf
bestorganiaierteste Bureau Deutschlands.)
Leidenschaft ihn aus dem Spiel in d
Tüglie
Arthur Schnitzler.
lichkeit trug. Und wieder in der „H
Latung
einer wundervollen Novelle des letzt
(Zu der ichtentrMat.)
Dionysia, die ein holdes, keusches We
F
Traum durch die außerordentlichen
Ein Schattenriß von Hermann Kienzl, Berlin.
9r11 —
ihres Lebens. Was hat sie verwande
Das Werk lobt den Meister. Es steht ein Schöp¬
Wandlung war es nicht! Aber der
fer auf seines Mittsommers Höhe. Bei Kleinen und
Datum:
—
Gatte, sinnbildlich zum ewig unbefrig
Kleinsten hat die runde Zahl der Lebensjahre eine
mischen Forscher gemacht, hatte sie n
andere Bedeutung, ist sie ein konventioneller Anlaß,
mut seines Skeptizismus ihren eigen
dem Geborenen Gewicht zu leihen. Zahlengewicht
mernden Trieben übergeben, die er
statt des Lebensgewichtes. Da werden Unsterblich¬
er sein argloses Weib verpflichtete,
keiten verteilt, die vielleicht noch zu Lebzeiten dieses
reuelos jedem in der Tiefe erlauschten
Menschen erlöschen. Heute soll der Festredner schwei¬
5
zugehen. Befreit von allen Hemmun
gen. Das Werk lobt den Meister.
Hus dem Kunstleben.
das Leben mit Dionysia ein wilde
Arthur chnitzler gab seinem fünfzigsten Geburts¬
vernichtendes Spiel.
tag das rechte Symbol, indem er gerade jetzt das
„Sicherheit ist nirgends.“ Da
* Arthur Schnitzler vollendet heute sein 50. Lebensjahr.
Buch erscheinen ließ, das im letzten Jahre entstanden
unserer selbst sind, entgleiten wir un
Einer, der die Wiener Jugend verkörperte, überschreitet den
Damit brachte er sich selbst das einzige Fest¬
ist.
Leben, der Besitz der Seele, die L
geschenk dar, das seiner würdig ist. Wir sagen von
Grenzstrich, hinter dem Erinnern mehr gilt als Erleben. Noch,
Arthur Schnitzler, als Wiener ein fein
einem Wohltäter, er lebe zu der Menschen Freude;
ist seine Schaffenskraft jung. Sein neuester Novellenband:
aber er lebt im Erspeießlichen sich selbst zur Freude.] produkt überreiser, herbstlicher Kultu
„Masken und Wunder“ zeugt dafür. Aber Schnitzler ist doch
Dichterisches Schaffen ist stärkstes Vitalitätsgefühl. Denker und Schwärmer ein Probl
nicht mehr ganz „Anatole“, und die Mädchen, die er schilder,
Wir glauben uns vom Dichter beschenkt; aber er be=wenn es Rätsel zu lösen gibt, sein
tragen doch nicht mehr die scheue und zitternde Süßigkeit wie
sein eigenes Mitleid nicht schonen
schenkt sich, indem er sich ausschenkt.
vor zwanzig Jahren, da diese leichtfertigen und zärtlichen, iro=
Das neue Buch des Dichters: „Masken und mit einem unendlichen Heimweh, i
nischen und feinen Einakter seinen Ruhm begründeten.
Wunder“ (gleich allen seinen Werken in S. Fischers cholischen Zweifel begabt, der selbst
Verlag, Berlin, erschienen) ist auch deshalb von Be= Sinnlichkeit, selbst die Stunde des T
Schnitzler wird das Bild seines literarischen Gesichts nicht mehr
nusses trübt: dieser aus kostbaren
deutung, weil seine sechs Novellen die tiefen Grund¬
umpragen, doch es scheint manches strenger zu werden, und
einer Eigenheit ohne Gleichen ern
akkorde aller Schnitzlerschen Dichtungen sammeln.
das Auge blickt ernster nach letzten Geheimnissen.
hat selten in seinen Schöpfungen die r
Wieder horcht er hinab zu dem leisen, dunklen Rau¬
animalischen Menschen gesucht. Do
schen seines Lebens in uns, das mächtiger ist, als
zelnen Einaktern des „Reigen“=B
unsere klaren Erkenntnisse, Pläne und bewußten
sein Auge, so wußte sie sein scharf
Folgerungen; dieses in uns verborgene Leben, das
umfassen, und hinter dem leichten C
mit unserem Traum und Wachen ein verwirrendes
tigen Ironie leben sie sich aus.
Spiel treibt, führt uns, indes wir uns selbst zu
prachtvollen Wiener Bürgertyp
führen meinen. Schnitzlers erstem Buche, dem
junge Medardus“.) Ab
„Anatol“ jenen skeptisch=frivolen Szenen aus dem
von Schnitzlers Seele sind die
Leben eines jungen Wiener Epikuräers, hatte Hof¬
cholischen Naturen, die Fragen
mannthal das Motto gegeben:
Untreuen, die die Treue suchen,
„Also spielen wir Theater.
küßten, die das Leben allein lieben,
Spielen unsre eignen Stücke,
Sein und Wesen hat Schnitzler in d
Frühgereift und zart und traurig,
reflektorischen Innenlebens gegebe
Die Komödie unsrer Seele,
Wegins Freie“ heißt — wohl
Unsr-“ wüblen— Hent und Gestern.
heißt, weil es für solche Mensche
Böser Dinge hübsche Formel,
nicht gibt ... Der Roman, son
Glatte Worte, bunte Bilder,
melden, behandelt die Judenfr
Halbes, heimliches Empfinden,
das Judentum“. Aber er „beh
Agonien, Episoden
Frage gar nicht und strebt nich
Und Schnitzler selbst spricht in dem nachdenklichen
Grundlegendes er auch über sie
Einakter „Paracelsus“ die Worte:
spalt von Heim= und Fremdse
„Es fließen ineinander Traum und Wachen,
aus seinem eigenen Schicksal
Wahrheit und Lüge. Sicherheit ist nirgends.
dieser Dichtung zu einem menf
Wir wissen nichts vom Andern, nichts von uns.
und das Rassenproblem dient nur
Wir spielen immer; wer es weiß, ist klug.“
Auch „Der Weg ins Freie“ I
Wer es nicht weiß, wie sein „Puppen¬
Motto: „Alles fließt". Auch hie
spieler“, der die Drähte des eignen und fremden
eine Liebe, der der Lenz Ewigke
Seins mit festen Händen zu lenken glaubte, erfährt
al
es in dem Augenblick, in dem seine Traumwelt
Willens, sein Glück festzuhalten, is
niederbricht. Mit fast theoretischem Witz hat Schnitz¬
aller Dramen und Erzählungen
ler das Zusammenfließen von Ernst und Spiel,
zumeist ist die natürliche Selbstsuc
Wirklichkeit und Traum in der Groteske „Zum
furchtbar. In die leichtlebige Sp
großen Wurstel" behandelt. Dasselbe Thema
knaben „Anatol“ fallen nur erst
fand den frappantesten Ausdruck in dem grandiosen
In „Liebelei“ jedoch, Schnitzler
Einakter „Der grüne Kakadu“ der am 14. Juli
Schauspiel, ist dieser Schatten schwa
1789, dem Tag der Bastillenerstürmung, in der wüsten
ist er des Todes Schatten. Der
Kneipe Prospäres spielt, wo sich Sanskulotten, Ko¬
nur um Weniges reifer sein als An
mödianten und ahnungslose, neugierige Aristokraten
er, als er für eine andere Frau, für
bunt vermischen. Die hochgeborenen Gäste applau¬
großen Welt, sterben gehen muß, in
dieren noch dem amüsanten Theaterspiel, als der
stunde begreifen, daß das Glück bei
eifersüchtige Schauspieler den leibhaftigen Herzog
Geschöpf ihm beschieden gewesen
wirklich erstochen hat und vor den Türen die Revo¬
„süßzen Mädel“, das seiner flüchtigen
lution ausgebrochen ist. Aber der blutige Täter selbst
gab sich nicht Rechenschaft, als die rote Woge der voll Liebe und das ganze Leben