5 Masken und Nunder
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wesentliches, Entrücktes, fast Unwirkliches, und das von der
ganzen subtilen und kultivierten Kunst Schnitzlers erfüllte
Nachtstück verklingt in der feinen dichterischen Wahrheit, daß
der kleinliche Racheakt des Betrügers mißlingt und daß wie
im Leben auch noch im Tode er der Betrogene, der Aermere
bleibt. Man denkt beim Lesen dieser meisterlichen Novelle an
frühere, ähnliche: an den „Abschied", in dem der Liebhaber;
vom Sterbebette der Geliebten verbannt, ein Außen¬
stehender, Unbeteiligter bleibt, an die „Frau des Weisen" und
weiterhin an manche Stelle im „Einsamen Weg“, wo ebenfalls
an diese Tragik der Wurzellosigkeit und der Vereinsamung ge¬
rührt wird, mit der der Junggeselle seine Verantwortungslosig¬
keit bezahlt. Liebe und Tod dominieren auch in der Erzählung
von dem jungen Manne, bei dem die Sehnsucht, für ein ge¬
sie auch folge, immer solle
liebtes Mädchen frei zu werben, sich zur Mordtat verdichtet und
verzeihendes Herz für sie be
Vom Büchertisch.
der auf der Reise seine Maitresse vergiftet. Doch hier dünkt uns
schmerzlich betroffen und ersch
Ge Masken und Munder.*) 7
die Form der Novelle dem Stoffe unangemessen, der mehr
Mannes doch willfährig, dem
Raum zu seiner Entwicklung bedarf. Und die Rolle des rächen¬
zufolgen. Eine Hirtenflöte e
Das neue Novellenbuch von Arthur Schuitler ists#einbar
den Schicksals, das die Form eines fremden Herrn annimmt,
und lebt mit dem Hirten.
nicht ohne Absicht zur Zeit seines 50. Geburtstages erschienen.
der den Mörder dann niederschießt, wird ein wenig unklar, die
ihr, sie lernt Armut und Reic
Es ist, als wollte Schnitzler in dem Bändchen alles vereinigen,
Einführung dieser reinen Zweckgestalt selbst bleibt unmotiviert.
was er bisher an Können entwickelt hat. Es ist das Jubiläum
Volkes und gehaßte Fürstenli
Der Widerspruch, der sich hier erst leise meldet, gewinnt bei anderen
eine Zahl, nichts mehr schließlich, aber Zahlen sind alleweil die
und Flammen, vielerlei Liebe
Partien des Buches an Stärke. Der Vorwurf der Unklarheit,
zurück, vom Leben verbrannt u
rohen Grenzen, die abschließen mit und ohne Berechtigung.
der phantastischen Verworrenheit kann immer weniger unter¬
aufnehmen, wie er versproch
Nun klingen in diesem Bande Töne, die uns vertraut sind von
drückt werden. Am Ende hat es Schnitzler stets geliebt, das
Dionysia. Reiner stehtst du v
„Anatol“ bis zu dem „Weg ins Freie“, und man kann eine feine
Leben skeptisch als ein Spiel empfinden zu lassen, in dem Sein
Linie erkennen, die neu ist in dem Gesicht des Dichters. Ein
im Dunste ihrer Wünsche at
und Schein, Traum und Wirklichkeit unbemerkt und deshalb oft
Buch der Grenze.
So meint der Mann, und mei
beängstigend ineinanderfließen. Diese Doppelbodigkeit und
Bitterkeit antwortet ihm die
Es wäre töricht, von einem Fünfziger ein Abnehmen der
Vieldeutigkeit, diese Mystik im Alltäglichen war immer un¬
hast nicht erkannt, daß jeder
Kraft erwarten zu wollen. — „Ich bin ja noch nicht so alt, —
endlich fesselnd, solange der symbolische Zweck irgendwie erkenn¬
vierundfünfzig
schmaler Strich gegönnt ist,
Ist das überhaupt ein Alter, wenn man
bar oder doch empfindbar blieb. Hier aber, bei mehr als einer
erfüllen? Dort, wo das ein
gesund ist?“ sagt Rademacher in den „Letzten Masken“.
Novelle dieses Bandes, hat man das Gesühl des Ueberspitzten,
Aber erfreulich ist es, die starke Konzentration dieser Novellen
und niemals wiederkehrende 9
Ueberklügelten. Verknüpfungen und Verknotungen, wie sie
Bett mit den hohen Gesetzen
nach mancherlei auseinanderstrebenden Werken Schnitzlers in
Schnitzler stets liebte, bleiben doch nur so lange genußreich, so¬
den Jahren vorher zu sehen. Diese Dichtungen sind Schnitzlers
nung läuft.“ Dionysia geht
lange sie zu entknüpfen und entknoten sind. Umso genußreicher
reifsten Werken zuzuzählen.
dessen steinerner Weisheit ihr:
freilich ist die edle und kunstvolle Sprache dieser Novellen, die
und Wundern der Welt.
Der Titel ist ein Programm. In dem Einakter:
einfach und sachlich bleibt und dennoch den Worten einen Hauch
Dies ist der Kern der
*Paracelsus“ stehen die Verse, die es umschreiben:
von Fernen und Wundern gibt, die alles in erdentrückte
wundervoll mit dem Realistif
„Es fließen ineinander Traum und Wachen.
Sphären hebt und über die ein edler Glanz von Weisheit und
der Mensch wäre, dessen We
Wahrheit und Lüge. Sicherheit ist nirgends.
Güte gebreitet ist. Man ist mit Einzelnem in diesem Schnitzler“!
haben wolle, der, die kühle G
Wir wissen nichts vom andern, nichts von uns.
schen Buche nicht völlig Eins, doch man wird es nicht wenighe
des Lebens eintauschen will.
Wir spielen immer; wer es weiß, ist klug.“
lieben als die übrigen.
Es ist das gleiche Grauen,
In der ersten Novelle — der umfangreichsten des Bandes
„Faust.“ Drei Gesangspiele nach Goethe von Alfred
Novelle des Buches: „Die dr
schickt der Weise und Sterndeuter Erasmus seine junge Frau
Brüggemann. Verlag von G. Riccordi u. Komp. in
sein „Warum?“ den Mächten,
in die Welt, um ihres Wesens Tiefe zu ergründen. Er spielt
Mailand. Die Bezeichnung, die der Komponist seiner Musik
schleudern muß. Die Frage,d
mit ihrem Schicksal und mit seinem, um zu erfahren, wie sich
hier beilegt, ist wohl nicht ganz entsprechend. Denn diese
das Grauenhafte an unserem
dies junge Wesen im Leben und in der Liebe entwickelte, wenn
„Gesangspiele" sind in Wirklichkeit Musikdramen von größtem
„Wir wissen nichts von
der Zwang der einmal zufälligen geschlossenen Gemeinschaft
Format, und was Brüggemann hier unternimmt, ist nichts
Wir spielen immer, de
nicht mehr wäre. Was ihr auch widerfahre, welchen Lockungen
Geringeres als eine weitausladende Operntrilogie, das in
Zwischen diesen beiden M
Musik gesetzte Faustdrama Goethes. Das Werk ist noch nicht
*) Masken und Wunder“. Novellen von Arthur Schnitzler. sonst bei Schnitzler Bitterkeitt
zum Abschlusse gediehen. Brüggemann, einer der jüngeren
S. Fischer, Berlin.
er über die laue Luft des Wi
deutschen Komponisten, hat bisher zwei Abteilungen voll¬
endet, deren Klavierauszug jetzt vorliegt. Schon aus den
Dimensionen dieser beiden Bände — zusammen beinahe 700
Quartseiten — läßt sich ermessen, wie ausführlich die Dichtung
Goethes behandelt wird. Bisher ist keine Faustmusik bekannt
geworden, die über das Normalmaß eines einzigen Opern¬
abends hinausgestrebt hätte. Hier ist der erste Fall zu ver¬
zeichnen, wo Wagners Nibelungenzyklus offenbar zu einer so
ausführlichen Vertonung von Goethes Drama den Impuls
gegeben hat. Und nur begreiflich, daß die Musik, die viel mehr
ZZeit beansprucht, um sich entsprechend auszubreiten, zur Auf¬
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wesentliches, Entrücktes, fast Unwirkliches, und das von der
ganzen subtilen und kultivierten Kunst Schnitzlers erfüllte
Nachtstück verklingt in der feinen dichterischen Wahrheit, daß
der kleinliche Racheakt des Betrügers mißlingt und daß wie
im Leben auch noch im Tode er der Betrogene, der Aermere
bleibt. Man denkt beim Lesen dieser meisterlichen Novelle an
frühere, ähnliche: an den „Abschied", in dem der Liebhaber;
vom Sterbebette der Geliebten verbannt, ein Außen¬
stehender, Unbeteiligter bleibt, an die „Frau des Weisen" und
weiterhin an manche Stelle im „Einsamen Weg“, wo ebenfalls
an diese Tragik der Wurzellosigkeit und der Vereinsamung ge¬
rührt wird, mit der der Junggeselle seine Verantwortungslosig¬
keit bezahlt. Liebe und Tod dominieren auch in der Erzählung
von dem jungen Manne, bei dem die Sehnsucht, für ein ge¬
sie auch folge, immer solle
liebtes Mädchen frei zu werben, sich zur Mordtat verdichtet und
verzeihendes Herz für sie be
Vom Büchertisch.
der auf der Reise seine Maitresse vergiftet. Doch hier dünkt uns
schmerzlich betroffen und ersch
Ge Masken und Munder.*) 7
die Form der Novelle dem Stoffe unangemessen, der mehr
Mannes doch willfährig, dem
Raum zu seiner Entwicklung bedarf. Und die Rolle des rächen¬
zufolgen. Eine Hirtenflöte e
Das neue Novellenbuch von Arthur Schuitler ists#einbar
den Schicksals, das die Form eines fremden Herrn annimmt,
und lebt mit dem Hirten.
nicht ohne Absicht zur Zeit seines 50. Geburtstages erschienen.
der den Mörder dann niederschießt, wird ein wenig unklar, die
ihr, sie lernt Armut und Reic
Es ist, als wollte Schnitzler in dem Bändchen alles vereinigen,
Einführung dieser reinen Zweckgestalt selbst bleibt unmotiviert.
was er bisher an Können entwickelt hat. Es ist das Jubiläum
Volkes und gehaßte Fürstenli
Der Widerspruch, der sich hier erst leise meldet, gewinnt bei anderen
eine Zahl, nichts mehr schließlich, aber Zahlen sind alleweil die
und Flammen, vielerlei Liebe
Partien des Buches an Stärke. Der Vorwurf der Unklarheit,
zurück, vom Leben verbrannt u
rohen Grenzen, die abschließen mit und ohne Berechtigung.
der phantastischen Verworrenheit kann immer weniger unter¬
aufnehmen, wie er versproch
Nun klingen in diesem Bande Töne, die uns vertraut sind von
drückt werden. Am Ende hat es Schnitzler stets geliebt, das
Dionysia. Reiner stehtst du v
„Anatol“ bis zu dem „Weg ins Freie“, und man kann eine feine
Leben skeptisch als ein Spiel empfinden zu lassen, in dem Sein
Linie erkennen, die neu ist in dem Gesicht des Dichters. Ein
im Dunste ihrer Wünsche at
und Schein, Traum und Wirklichkeit unbemerkt und deshalb oft
Buch der Grenze.
So meint der Mann, und mei
beängstigend ineinanderfließen. Diese Doppelbodigkeit und
Bitterkeit antwortet ihm die
Es wäre töricht, von einem Fünfziger ein Abnehmen der
Vieldeutigkeit, diese Mystik im Alltäglichen war immer un¬
hast nicht erkannt, daß jeder
Kraft erwarten zu wollen. — „Ich bin ja noch nicht so alt, —
endlich fesselnd, solange der symbolische Zweck irgendwie erkenn¬
vierundfünfzig
schmaler Strich gegönnt ist,
Ist das überhaupt ein Alter, wenn man
bar oder doch empfindbar blieb. Hier aber, bei mehr als einer
erfüllen? Dort, wo das ein
gesund ist?“ sagt Rademacher in den „Letzten Masken“.
Novelle dieses Bandes, hat man das Gesühl des Ueberspitzten,
Aber erfreulich ist es, die starke Konzentration dieser Novellen
und niemals wiederkehrende 9
Ueberklügelten. Verknüpfungen und Verknotungen, wie sie
Bett mit den hohen Gesetzen
nach mancherlei auseinanderstrebenden Werken Schnitzlers in
Schnitzler stets liebte, bleiben doch nur so lange genußreich, so¬
den Jahren vorher zu sehen. Diese Dichtungen sind Schnitzlers
nung läuft.“ Dionysia geht
lange sie zu entknüpfen und entknoten sind. Umso genußreicher
reifsten Werken zuzuzählen.
dessen steinerner Weisheit ihr:
freilich ist die edle und kunstvolle Sprache dieser Novellen, die
und Wundern der Welt.
Der Titel ist ein Programm. In dem Einakter:
einfach und sachlich bleibt und dennoch den Worten einen Hauch
Dies ist der Kern der
*Paracelsus“ stehen die Verse, die es umschreiben:
von Fernen und Wundern gibt, die alles in erdentrückte
wundervoll mit dem Realistif
„Es fließen ineinander Traum und Wachen.
Sphären hebt und über die ein edler Glanz von Weisheit und
der Mensch wäre, dessen We
Wahrheit und Lüge. Sicherheit ist nirgends.
Güte gebreitet ist. Man ist mit Einzelnem in diesem Schnitzler“!
haben wolle, der, die kühle G
Wir wissen nichts vom andern, nichts von uns.
schen Buche nicht völlig Eins, doch man wird es nicht wenighe
des Lebens eintauschen will.
Wir spielen immer; wer es weiß, ist klug.“
lieben als die übrigen.
Es ist das gleiche Grauen,
In der ersten Novelle — der umfangreichsten des Bandes
„Faust.“ Drei Gesangspiele nach Goethe von Alfred
Novelle des Buches: „Die dr
schickt der Weise und Sterndeuter Erasmus seine junge Frau
Brüggemann. Verlag von G. Riccordi u. Komp. in
sein „Warum?“ den Mächten,
in die Welt, um ihres Wesens Tiefe zu ergründen. Er spielt
Mailand. Die Bezeichnung, die der Komponist seiner Musik
schleudern muß. Die Frage,d
mit ihrem Schicksal und mit seinem, um zu erfahren, wie sich
hier beilegt, ist wohl nicht ganz entsprechend. Denn diese
das Grauenhafte an unserem
dies junge Wesen im Leben und in der Liebe entwickelte, wenn
„Gesangspiele" sind in Wirklichkeit Musikdramen von größtem
„Wir wissen nichts von
der Zwang der einmal zufälligen geschlossenen Gemeinschaft
Format, und was Brüggemann hier unternimmt, ist nichts
Wir spielen immer, de
nicht mehr wäre. Was ihr auch widerfahre, welchen Lockungen
Geringeres als eine weitausladende Operntrilogie, das in
Zwischen diesen beiden M
Musik gesetzte Faustdrama Goethes. Das Werk ist noch nicht
*) Masken und Wunder“. Novellen von Arthur Schnitzler. sonst bei Schnitzler Bitterkeitt
zum Abschlusse gediehen. Brüggemann, einer der jüngeren
S. Fischer, Berlin.
er über die laue Luft des Wi
deutschen Komponisten, hat bisher zwei Abteilungen voll¬
endet, deren Klavierauszug jetzt vorliegt. Schon aus den
Dimensionen dieser beiden Bände — zusammen beinahe 700
Quartseiten — läßt sich ermessen, wie ausführlich die Dichtung
Goethes behandelt wird. Bisher ist keine Faustmusik bekannt
geworden, die über das Normalmaß eines einzigen Opern¬
abends hinausgestrebt hätte. Hier ist der erste Fall zu ver¬
zeichnen, wo Wagners Nibelungenzyklus offenbar zu einer so
ausführlichen Vertonung von Goethes Drama den Impuls
gegeben hat. Und nur begreiflich, daß die Musik, die viel mehr
ZZeit beansprucht, um sich entsprechend auszubreiten, zur Auf¬