V, Textsammlungen 2, Die griechische Tänzerin. Novellen, Seite 2

2. Die griechische Taenzerin
Telephon 12801.
Alex. Weigis Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitto
„UBSERUER“
L. österr. behördl. konz. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
in Berlin, Budapest, Chicago, Genf, London, New-York,
Paris, Rom, Mailand, Stockholm, Christiania, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus: Ganerd##
Mähnen. 4 Ahl-
Daat-
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vom:
B
Artur Schnihter: Die griechische Tanzerin. Bibliothek
moderner deutscher Antoren, Band 1. (Wiener Verlag,
[Wien und Leipzig, 1905.) Also, der „Wiener Verlag“
scheint sich bessern zu wollen! Das heißi: wenigstens teilweise
bekundet er den guten Willen, Reue zu inn. Der eile Bilse=Kolos=
salstandal, wie andere, durch nicht immer ganz propre Rellam¬
künste glücklich erzeugte Standalerln haben einen gangen Haufen
Mammon eingetragen. Und ähnlich gewissen Theaterdirektoren, die
ihrem Gewissen quasi Sühneopfer bringen, indem neben volle¬
häusermachenden Cochonnerien hie... und dann
und .. wann .. irgendwas „Literarisches“ gebracht wird. —
so wagt nun auch der „Wiener Verlag die Herausgabe einer
„Bibliothek moderner deutscher Amoren“. Schnitzlers neues No¬
vellenbuch — es hat zur Abwechstung einwal seinen Titel von
der letzten Erzählung empfangen —. bringt vier Geschichten. „Der
blinde Geronimo und sein Bruder“ heiße die erste. Sie zeugt
für den bravourösen Psychologen Schnitzler, wie für ihn seit
„Sterben“ vielleicht kein zweites Stück schöner und besser Zeugen=
schaft gelegt hat. Diese Novelle ist überdies von so abgeitärkedier,
ehrlich=ruhiger und schmucklos=gediegener Darstellung, daß man
sich gar nicht trauen würde, die an einem sehr seriosen Ciser¬
suchtsproblem mit duftigen, blassen Worten vorbeigleitende
Schlußnovellette einem und demselben Autor zuzuschreiben. „An¬
dreas Thameyers letzter Brief“ wird man vor allem als stilistische
Leistung bewundern und die ausgelassene „Erzentrik“ (diese Droi¬
kerie hat Artur Schnitzler den Brünnern bei unserer braven
„Neuen Akademischen“ vorgetragen liest man immerwieder mit
verg üglichem Schmunzeln. Außer Schnitler werden von Wienern
in der Serie der ersten zehn Bände (von welchen jeder eine Mark)
kostet. gut ausgestattet, aber leider schlecht geheftet in Hugo
v. Hofmannsthal. Felix Salten. Siegfried Trebiiich erscheinen.
Hoffemlich wird dieser österreichische Kurs au weiterhin bri¬
Eugen Schia.
behalten.
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Telephon 12801.
Alex. Weigls Unternehmen für Zeitungs-Ausschnifte
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„OBSERVER“
Lösterr. behördl. konz. Bureau für Zeltungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, I., Concordiaplatz 4.
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in Berlin, Budapest, Chicago, Genf, London, New-York,
Paris, Rom, Mailand, Stockholm, Christiania, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gewähr.)
Ausschnitt aus Neue Freie Presse, Wien
vom: 1310101
[Arthur Schnihzler, „Die grlechische Tänzerin¬
Wiener Verlag, 1904.] Der neueste Novellenband dieses vortreff¬
lichen Autors enthält vier fein gearbeitete Erzählungen. Zweien
ist ein höherer Kunstwert eigen. „Der blinde Geronimo und sein
därfte wohl zu den besten Gaben Schnitzlers gerechnet
Bru#
wer###kösken. Er bietet hier eine Geschichte, die in ihren Motiven
durchlbegs vornehm gehalten ist, und beweist, daß echte literarische
Kraft nicht auf leichte Reizungen angewiesen ist. Carlo hat als
Kind mit dem Blasrohre nach Vögeln geschossen. Eines Tages
drangen die Bolzen in die Augen Geronimos; er erblindete. Carlo
widmet sein Leben dem Bruder, den er des Lichtes beraubt hat.
Bettler, ziehen beide in Oberitalien von Ort zu Ort und singen,
wenn fremde Reisende des Weges kommen. Einer dieser Müßig¬
gänger begeht die Teufelei, dem Blinden zuzuraunen, er habe dem
Sehenden zwanzig Francs gegeben; dadurch belügt er Geronimo;
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denn Carlo hat nur einen Franc empfangen. Das Mißtrauen, das
sich nun zwischen die Brüder drängt, bewirkt, daß Carlo, um
Geronimo zu beruhigen, ein Goldstück stiehlt. Er wird deshalb fest¬
genommen. Dadurch gewahrt Geronimo, daß Carlo, weit entfernt,
ihn zu hintergehen, vielmehr aus Liebe zu ihm zum Diebe ge¬
worden ist. Dieser Erzählung ist wohl der Mangel eigen, der bei
Schnitzler öfter wiederkehrt: der Zufall spielt eine allzu bedeutsame
Rolle in dem Zusammenhange der Dinge. Aber die Kunst der Ver¬
lebendigung ist in allen Stücken so vollendet, daß sie über jedes
Gebrechen des Stoffes hinweghebt. Die andere Erzählung ist
(„Exzentrik“ ein Scherz, aus tollem Uebermut und liebenswürdiger
Ausgelassenheit gebraut; ein echter Schnitzler, wenn auch einer aus
jjener Gegend wo Guy de Maupassanz sich schäumend in den
schlammigen Crébillon ergießt.

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