box 35/6
2. Die griechische Taenzer
1n
579
Die Büchlein, die er bringt, sind bei mäßigem Preise recht gut ausgestattet nach
Druck und Papier. Die Titelblätter sind gut und flott gezeichnet. Anderes, der blaue Dorstoß
der ersten beiden Seiten, ist freilich minder zu rühmen und in hinsicht des guten Ge¬
schmackes recht sehr anfechtbar.
Autoren, die man sonst ziemlich regelmäßig zu begrüßen gewohnt ist, fehlen annoch.
Neue machen sich bemerklich. So hat sich Graf Carlo Skapinelli durch Ehrlichkeit der
Arbeit und der Beobachtung eine Aufmerksamkeit erworben. Richard Schaukal, immer
noch in erster Linie Lyriker, hat seine „Mimi Lynx“ aus einem früheren Sammelband
herausgeschält — Insel=Verlag, Leipzig — und muß immer schärfer im Rug' behalten
werden. Da ist viel Feinheit; nur manchmal ins Unfaßliche übersteigert.
Ein einziges Werk größeren Umfanges sei diesmal erwähnt. Bei Cotta ist ein
Roman von Philipp Langmann „Leben und Musik“ erschienen. Er selber möchte in
drei Schlagworten zum Verständnis seines Werkes hinführen. Motiv: „Die Kunst ist
menschlich und das Leben ist grotesk.“ Stoff: „Kußere und innere Kraft.“ Inhalt: „Die
Geburt der Musik aus dem tragischen Gefühl.“ Mich haben sie nur verwirrt und ich
besorge, es wird den meisten bei diesem wunderlichen Werk eines ehrlich Ringenden nicht
anders gehen, der immer sucht, ohne zu finden.
Das Groteske fordert Humor. Daran fehlt es ganz. Ganz wunderschön setzt der
Roman ein. Die Schilderung der Eltern des helden ist ganz meisterlich; Naturbilder von
einer seltenen Schönheit und Innigkeit der Sprache wecken die höchsten Erwartungen und
auch späterhin findet man Gedanken über die Kunst von einer seltenen Tiefe und Nach¬
Lenklichkeit. Alles aber verflattert und entgleitet einer hand, die sich zu weit spannte,
um mehr zu fassen, als sie nun einmal halten konnte. Selbst die Sprache, die ich sonst
an Langmann sehr liebe, blaßt ab und wird körperlos.
Eine Inhaltsangabe ist unmöglich. Da ist der held Ludwig Strange, der sein herz
an die schöne, aber böse Larina Gerspitz zu verlieren verdammt ist. Durch sie kommt er
um Brot und Stellung. Die unerhörten Erregungen aber lösen den musikalischen Genius
in ihm aus und im traumwandelnden Zustand schafft er das erste jener Conwerke, die
ihn hernach unsterblich machen. So ganz eigentlich im Schlaf beschert es der liebe Gott
denen, die ihm teuer sind!
Da ist Franz Dolpes. Unehelicher Sohn einer armen Magd; aber von unerhörter
Schlauheit und Kraft des Willens, die Larina so unterjochen, daß sie sich ganz ihm und
seinen Zwecken hingibt. Kleiner Beamter einer Bank, hat er ausgeklügelt, daß keine noch
so sinnreiche Kontrolle für eine gewisse Zeit die größten Unterschlagungen verhüten
könne. Nicht weniger als fünf Millionen Gulden hat er so bei Seite geschafft, um es im
gelegenen Augenblick dem Gouverneur der Bank zu sagen und seine Bedingungen für die
Rückgabe und die Vermeidung eines unerhörten Skandals zu stellen, den die Aufdeckung
einer solchen Schlamperei bedeuten würde. Eine runde Million, das Pöstchen eines
Direktors, ein hoher Orden sind sein Lohn. Damit läßt sich schon etwas beginnen; und
so wundert man sich gar nicht, daß er Multimillionär und Eisenbahnkönig wird und daß
hernach sein Sohn die Biographie Stranges schreibt.
Eine launige Willkür der Namensgebung. Ein Bildhauer, der die prächtige Figur
des Lügengeistes Minotalos schafft, der einmal auf Kreia sein Unwesen getrieben und nun
zwischen Parlament, Rathaus und Burgtheater den entsprechenden Platz findet, heißt
WR
2. Die griechische Taenzer
1n
579
Die Büchlein, die er bringt, sind bei mäßigem Preise recht gut ausgestattet nach
Druck und Papier. Die Titelblätter sind gut und flott gezeichnet. Anderes, der blaue Dorstoß
der ersten beiden Seiten, ist freilich minder zu rühmen und in hinsicht des guten Ge¬
schmackes recht sehr anfechtbar.
Autoren, die man sonst ziemlich regelmäßig zu begrüßen gewohnt ist, fehlen annoch.
Neue machen sich bemerklich. So hat sich Graf Carlo Skapinelli durch Ehrlichkeit der
Arbeit und der Beobachtung eine Aufmerksamkeit erworben. Richard Schaukal, immer
noch in erster Linie Lyriker, hat seine „Mimi Lynx“ aus einem früheren Sammelband
herausgeschält — Insel=Verlag, Leipzig — und muß immer schärfer im Rug' behalten
werden. Da ist viel Feinheit; nur manchmal ins Unfaßliche übersteigert.
Ein einziges Werk größeren Umfanges sei diesmal erwähnt. Bei Cotta ist ein
Roman von Philipp Langmann „Leben und Musik“ erschienen. Er selber möchte in
drei Schlagworten zum Verständnis seines Werkes hinführen. Motiv: „Die Kunst ist
menschlich und das Leben ist grotesk.“ Stoff: „Kußere und innere Kraft.“ Inhalt: „Die
Geburt der Musik aus dem tragischen Gefühl.“ Mich haben sie nur verwirrt und ich
besorge, es wird den meisten bei diesem wunderlichen Werk eines ehrlich Ringenden nicht
anders gehen, der immer sucht, ohne zu finden.
Das Groteske fordert Humor. Daran fehlt es ganz. Ganz wunderschön setzt der
Roman ein. Die Schilderung der Eltern des helden ist ganz meisterlich; Naturbilder von
einer seltenen Schönheit und Innigkeit der Sprache wecken die höchsten Erwartungen und
auch späterhin findet man Gedanken über die Kunst von einer seltenen Tiefe und Nach¬
Lenklichkeit. Alles aber verflattert und entgleitet einer hand, die sich zu weit spannte,
um mehr zu fassen, als sie nun einmal halten konnte. Selbst die Sprache, die ich sonst
an Langmann sehr liebe, blaßt ab und wird körperlos.
Eine Inhaltsangabe ist unmöglich. Da ist der held Ludwig Strange, der sein herz
an die schöne, aber böse Larina Gerspitz zu verlieren verdammt ist. Durch sie kommt er
um Brot und Stellung. Die unerhörten Erregungen aber lösen den musikalischen Genius
in ihm aus und im traumwandelnden Zustand schafft er das erste jener Conwerke, die
ihn hernach unsterblich machen. So ganz eigentlich im Schlaf beschert es der liebe Gott
denen, die ihm teuer sind!
Da ist Franz Dolpes. Unehelicher Sohn einer armen Magd; aber von unerhörter
Schlauheit und Kraft des Willens, die Larina so unterjochen, daß sie sich ganz ihm und
seinen Zwecken hingibt. Kleiner Beamter einer Bank, hat er ausgeklügelt, daß keine noch
so sinnreiche Kontrolle für eine gewisse Zeit die größten Unterschlagungen verhüten
könne. Nicht weniger als fünf Millionen Gulden hat er so bei Seite geschafft, um es im
gelegenen Augenblick dem Gouverneur der Bank zu sagen und seine Bedingungen für die
Rückgabe und die Vermeidung eines unerhörten Skandals zu stellen, den die Aufdeckung
einer solchen Schlamperei bedeuten würde. Eine runde Million, das Pöstchen eines
Direktors, ein hoher Orden sind sein Lohn. Damit läßt sich schon etwas beginnen; und
so wundert man sich gar nicht, daß er Multimillionär und Eisenbahnkönig wird und daß
hernach sein Sohn die Biographie Stranges schreibt.
Eine launige Willkür der Namensgebung. Ein Bildhauer, der die prächtige Figur
des Lügengeistes Minotalos schafft, der einmal auf Kreia sein Unwesen getrieben und nun
zwischen Parlament, Rathaus und Burgtheater den entsprechenden Platz findet, heißt
WR