V, Textsammlungen 2, Die griechische Tänzerin. Novellen, Seite 21

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2. Die griechische Tacerin
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Das Wissen für Hlle
Jahrg. 1906
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über die Dichtung verstreut ist, bleiben die wichtigsten
Schwarzbrotes. Man denkt an Kellers Sprache, doch
Personen unplastisch. „Harmonie“ ist als Ganzes ein
fehlen die Schnörkel und Diminutiva, und man denkt
mißglücktes Kunstwerk und die wertvollen Partien dieser
an Lessings feste klare Art, doch fehlt das Verstandes¬
Dichtung finden sich schon in „Beate und Mareile“.
hafte und Antithetische. Die Menschen in dieser Ge¬
„Schwüle Tage“ dagegen ist das Bedeutendste, was
schichte sind gründlich in doppeltem Sinn. Sie erwachsen
Keyserling geschrieben hat, und eine der besten deutschen
aus dem Grund ihres Fleckchens Erde, und wir schauen
Erzählungen. Die Dichtung ist ins französische übersetzt
ihrer engen, doch reinen Tiefe bis auf den klaren
worden und hat in Frankreich Beifall gefunden.
Grund. Daß dieses Werk für eine Mark käuflich, ist
Ein junger Mensch berichtet, wie er gewahr wird,
dem Freunde der Bildung und des Volkes eine herz¬
daß sein Vater mit seinem Mündel eine heimliche
liche Freude. Diese Dichtung ist eine sättigende reife
leidenschaftliche Liebe lebt. Aber die Natur beugt sich
Nahrung für die Seele. Freilich, sie erschließt sich, wie
vor der Norm, das Gefühl sich vor der Satzung. Der
alle Kunst, nur dem Ernst und der Andacht.
Vater bewahrt „Haltung“, „tenue“ und geht mit Haltung
Und noch auf eine andere erzählte Dichtung hohen
in den Tod. Dies ist erzählt im Ton eines unreifen
Wertes kann ich heut hinweisen. Eduard von Keyser¬
jungen Menschen und zugleich mit dem Ton eines aus
lings hat drei Prosastücke zu einem Bande „Schwüle
reifer Zeit in die Jugend Zurückblickenden.
Tage“ vereinigt. „Die Soldatenkersta“ eine Skizze,
Schwüle schwält zwischen den Worten dieser Dicht¬
die an Maupassant, etwa an „Die Kuhmagd“ erinnert,
ung. Schwüle in der Luft und im Getreide, Schwüle
zeichnet die primitive geschlechtliche Ethik des Landes.
in den Gemächern, Schwüle im gärenden Blute des
„Harmonie“ und „Schwüle Tage“ sind, wie „Beate
Knaben, Schwüle im Blute der Menschen. Auch in
und Mareile“, eine ältere sehr feine Erzählung Key¬
anderen Dichtungen hat Keyserling die Landschaften mit
serlings, Schloßgeschichten. „Harmonie“ erzählt von dem
suggestiver Farbigkeit und eindringlich atmosphärisch
Geschick der adeligen Frauen, die abseits vom Leben
dargestellt. In „Schwüle Tage“ sind Mensch, Land¬
wohnen, die Männer aber treiben sich im Leben umher.
schaft, Atmosphäre, Farbe, Stil zur Einheit geworden.
Von dem Leid der „Beaten“ hatte schon die ältere
Den Reichtum der psychischen, landschaftlichen, stilistischen
Dichtung berichtet. Annemarie (in der neuen Novelle)
Einzelzüge kann eine Kritik nicht wiedergeben. Keyserling
ist eine noch blassere, noch zartere Beate; ihr Gatte,
ist einer unserer feinsten lebenden Erzähler. Als Ge¬
Felix von Bassenow, erinnert in vielem an Beates
stalter von Aristokraten und Maler von Landschaften ist
Gatten, Tarniff, und auch sonst finden sich Wieder¬
er vielleicht einzig. Wenn auch „Harmonie“ einen Ab¬
holungen der Charakteristik.
stieg bedeutet, eine Dichtung wie „Schüle Tage“ reiht
Annemarie hat sich eine Umwelt voll Stille und
ihn unter die besten deutschen Eviker überhaunt. Gelangt
Vornehmheit geschaffen. Ihre Harmonie ist sie selbst.
er zu ferneren Gebilden von gleicher Reife und daruber
Indem ihre Harmonie zerstört wird, wird ihr Leben
hinaus, so macht ihm niemand außer Thomas Mann
zerstört. Diese Geschichte, als Novelle geplant, endet jäh
den Ruhm streitig, der beste deutsche Novellist der
und skizzenhaft. Obgleich, wie immer bei Keyserling,
Gegenwart zu sein.
eine Fülle psychologischer und stilistischer Feinheiten
lleues aus der Sternenwelt.
schuß.
Von Univerlitätsprofelior Dr. H. Hansgirg.
abgestorbene, für unser Auge unsichtbare Sterne zzum
Bevor wir jedoch zu den eine besondere Klasse von
Aufflammen oder Aufleuchten, mit folgenden, kürzere
Himmelskörpern bildenden Doppelsternen übergehen,
oder längere Zeit anhaltenden heftigen Bränden und
können wir hier die sogenannten neuen oder temporären
enormen Erhitzungen gebracht werden, was auch ihre
Sterne nicht übergehen, welche auch als eine besondere
von hellen Linien durchzogene, aus zwei übereinander
Gruppe der Veränderlichen ohne Periode angesehen
fallenden Spektren zusammengesetzte Spektra beweisen.
werden. Bei diesen neuen (nicht wirklich neuen, sondern
Unter den in neuer Zeit erschienenen neuen Sternen
bloß verjüngten) Sternen, welche an Lichtstärke plötzlich
sei hier bloß der als Nova Aurigae von 1892 be¬
zunehmen, aufflackern oder aufleuchten und später wieder
zeichnete angeführt, welcher nach einem plötzlichen Auf¬
abnehmen oder fast bis ganz verlöschen, kommt wie bei
flackern mehrere Monate lang ziemlich gleich leuchtend
den lebhaft gefärbten Sternen meist auch eine auffallende
blieb, um dann sehr schnell wieder bis zur Unsichtbarkeit
Farbenänderung vor. So wechselte z. B. der im Jahre
herabzusinken.
1572 plötzlich erschienene neue „Tychonische Stern“ bei
Eine besonders interessante Klasse von Sternen bilden
seiner Lichtabnahme seine Farbe von reinem Weiß durch
die sich nie berührenden, jedoch öfters scheinbar sehr
Gelb zu Rot sowie ein weißglühender und erkaltender
nahe beisammenstehenden physischen und spektroskopischen
Körper.
Doppelsterne, an welchen verhältnismäßig viel häufiger
Nach Seeliger können gewisse neue Sterne dadurch
als an den einfachen Firsternen die periodische Ver¬
aufleuchten, daß sie in eine Wolke kosmischen Staubes
änderlichkeit in der Lichtstärke und der Farbenwechsel
oder in einen hellen oder dunkeln Nebel oder Nebel¬
hervortritt.
masse oder Meteoritenwolke geraten.
An diesen paarigen oder binären Sternen und Stern¬
Auch durch Zusammenstoß mit anderen Himmels¬
paaren, welche neben weitgehenden Lichtveränderungen
körpern oder beim Durchgang durch kosmische dunkle
auch starke Verfinsterungen infolge Dazwischentretens
Nebelmassen können stark abgekühlte und mehr weniger