V, Textsammlungen 3, Dämmerseelen. Novellen, Seite 12

3. Daennerseelen
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beutung, Dner meagenennemeen
öffentlicht. Drei Novellen, die mit großer Meisterschaft
gearbeitet sind, zwei von noch immer zureichender Güte.
„Dämmerseelen“ sagt Arthur Schnitzler. Der
Verlag S. Fischer gibt an, dies wären Variationen über
Themen aus Edgar Poes Gedankenwelt. Man dankt
für den Hinweis und meint: immerhin nur eine Er¬
zählung ist damit sehr treffend „eingeschachte!t“ Unter
die schwarzen Märchen, die von wundersamen Fügungen
künden. Nicht allzu peinigend, nicht allzu heftig, nicht
à la E. T. A. Hoffmann, Poc oder Andrejew, was das
Zerren an den Nervensträngen anbetrifft. Aber mit
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romantische Weise eingefühlt . . . (Einer, der eben
spielend alles bewältigt.
Dann erinnert man sich der ersten der Erzählungen,
die für den Autor bezeichnender ist. Sie handelt von
des Freiherrn von Leisenbohg Glück und Ende. Da war
sgraziöse Frivolität von gesunder, heller, plaudernder
Art; Humor — und Psychologie, die nicht eben auf das
Individuellste einging. Nicht jähes Aufschäumen des
Blutes, Sehnsucht und Enthusiasmus und wehmütiges
Verlangen, wie in den kleinen Skizzen der Jungen. Bos¬
haft, — was man so nennt. Humor und objektivierende
Ironie sind hier aufs engste verbunden. Lumpig ist diese
Sängerin, die ihre Liebhaber wie Handschuhe wechselt
und einem fürsorglichen, aber wohl nicht allzumännischen
Herrn, sich nur einmal hingibt, um den Fluch ihres ver¬
storbenen Galans auf ihn hinzulenken und dadurch von
ihrem neuen Verehrer abzuwehren; — abergläubisch, wie
solche Damen nicht selten sind. Nicht minder lumpig die
beiden hinschmelzenden Herren. Immerhin, — der Stoff;
ist nicht eben neu. Die miserablen Leutchen sind prächtig
gezeichnet, die Natur ist wieder einmal im Nachtkleide
belauscht. Die Sängerin Kläre Hell, une énigure, eine
saranounas uarypa von bekanntem Genre; Herr von
Leisenbohg, der zahlt und wartet, wartet und zahlt,
schließlich sein Ziel erreicht, um sich doch an der Nase ge¬
führt zu sehen, und darüber in der allerdrolligsten Weise
von der Welt stirbt; der kraftstrotzende nordische Sänger
Sigurd Oelse, der Nachfolger und lachende Erbe aller
der anderen Herren in der Gunst jener Dame, und nicht
zuletzt das kleine Wiener Mädel aus dem Volke, das sich
in sämtliche Liebhaber ihrer Protektorin regelmäßig,
kindisch und unglücklich verliebt.
Der Mann, der dieses Schicksal nun in Worte ge¬
kleidet, ist eben kein Schwerflüssiger und allerdings auch
kein Umstürzler, — klug, feinfühlig, elegant, skeptisch.
Ein Spaziergänger von hoher Kultur und feinstem Takt.
Letztere Eigenschaft soll insbesondere nicht unterschätzt
werden. Da ist etwa die zweite Novelle, die — wie schon
bemerkt — im Zeichen Ebgar Poes steht. „Weissagung“
heißt sie, und man ahnt, wie sehr die Probleme des Un¬
klaren und Ungelöster, der rätselhaften Mächte und
Kräfte, ein Dichterherz bannen können. Allerdings wohl
eher ursprüngliche Naturen, Dämmerseelen, Grübler, als
Könstler von hoher Kultur, die Schnitzler gleichen. Oder
ist hier eine Ergänzung zu seiner Weise zu suchen? Takt¬
voll und fein ist es jedenfalls, daß der Verfasser sich in
einem Nachwort lediglich als Herausgeber der Erzäh¬
lung in der Schickjulsdichter — und Geistersehermanier
gibt. Das steht ihm besser zu Gesicht.
Ergötzliche Reminiszenzen an Voltaires „Pucelle“.
ruft „Die Fremde“ wach. Es ist eine junge Dome, die
ihrem Gatten, einem modernen (ibsenisch geschulten)
k. k. Staatsbeamten auf und davon geht, nachdem ihr
rätselhaftes Wesen im Verlauf einer relativ kurzen Ehe
(vierzehn Tage dauerte das Glück) keine Befriedigung ge¬
funden hat. Die Dame geht fort, um sich in eine mystisch
lockende Statue Dietrichs von Bern zu verlieben, — was
sie keineswegs hindert, nach entsprechender Zeit, von
seinem durchreisenden Italiener aus Fleisch und Blut
ein Kind zu bekommen ... Fein! — Dien prit pitié du
Igenre humain, II le créa frivole et vain, pour ie
Trendre moins misérable
Eine Verkettung des Pikanten und Schicksalsmäßigen
waltet in dieser Novellensammlung. Unter der Wucht
einer unheimlichen Macht bricht der Mann zusammen.
Sein Geschick ist das Weib, oder das Weibchen vielmehr.
— Weiche der Unkraft ... Einmal ist das anders: im
„Neuen Lied“, wo Fräulein Maria Ladenbauer, genannt
die „weiße Amsel“, — teils Freiwild, teils Jägerin vor
dem Herrn — zur Strecke gebracht wird. Die virtuose
Verschmelzung der heterogenen Elemente zu einem
fatalistisch=Pikanten, ich möchte sagen frivol=Legendären
bildet den besonderen Reiz der meisten Novellen, die im
Zyklus „Dämmerseelen“ vereinigt sind. Edgar Allan
Poe und Claude Prosper Jolyot de Crébillon. Dazu:
Wiener Luft. Das ist es. —
Hamburg, im März.
Arthur Sakheim.