V, Textsammlungen 7, Gesammelte Werke, Seite 25

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literarischer Feinschmecker bestimmt, so wender sich die große
Zu denen, die solcher eingebendsten Beschäftigung wert sind,
Schwedin Selma Lagerlöf an alle Leser, deren Phantaste
gehört ganz gewiß auch Friedrich Hebbel, dessen hun¬
nicht irgendwo einen Knacks hat. Der schier überquellende,
dertsten Geburtstag wir im nächsten Jahre feiern werden.
klingende Reichtum des großen Märchenbuches „Gösta Berling“
Zu diesem Feste das Werk des Dichters in einer abschließenden.
die zarte Herlheit der „Herrenhofsage“ das dunkle Leuchten
außen und innen in jeder Hinsicht wurdigen Gestalt dem deut¬
der wortlargen Ballade von „Herrn Arnes Schatz“, das große
schen Volte darzubieten, lag nahe, und so ist es nicht weiter
Epos „Jerusalem“, die versonnene Mär von „Liljekronas Hei¬
verwunderlich, daß zwei Verleger zugleich sich die Aufgabe ge¬
mat“, die kindlich=gläubigen „Christuslegenden“: all das ist
stellt haben und „Sälularausgaben“ von Friedrich
ein so köstlicher Schatz, daß wir gern auch einige Splitter mit
[Hebbels sämtlichen Werken rüsten. In B. Behrs
in den Kauf nehmen, die bei der Arbeit an diesen großen
Verlag, Berlin, gibt der bekannte Hebbelforscher Richard
Werken abgesprungen sind und wohl besser unter dem Tische
[Maria Werner eine „historisch kritische Aus¬
liegen geblieben wären. Wir hoffen, daß die „Gesammel¬
[gabe“ in sechzehn Bänden heraus, von der uns die Bände
sten Werte“, die in zehn Bänden bei Albert Langen,
1—4 und 13 bisher vorliegen. Sie enthalten in mustergültiger
München, erschienen sind, heuer auf recht vielen Weihnachts¬
Textgestaltung die Dramen von der „Judith“ bis zu den
#tischen gesunden werden; sie verdienen's wahrlich und werden
„Nibelungen“; in Band 13 sind die zu diesen vier Bänden
den Aufwand als ein echter und rechter Jungbrunn vielfältig
tgehörigen Lesarten und Anmerkungen vereinigt. Die sach¬
serstatten. Die Uebersetzungen von P. Kluiber und M. Franzos
kundigen Einleitungen, die schlicht=schöne Ausstattung der so¬
sind ausgezeichnet. Zu bedauern ist aber, daß das wundervolle
liden Bände legen Zeugnis ab für die Liebe und Sorgfalt,
Kinderbuch von der „Reise des kleinen Nils Holgersson“ nicht
mit der Herausgeber und Verlag zusammengewirkt haben.
in die Sammlung ausgenommen ist.
um dem großen Ditmarschen ein würdiges Denkmal zu setzen.
Endlich sei noch, wenn er auch eigentlich nicht in den
Trotzdem mag man schwanken, wem der Preis gebührt.
Rahmen dieses Berichtes paßt, auf Lco N. Tolstojs Nach¬
wenn man die andere „Säkularausgabe“ daneben beirachtet,
laß hingewiesen, der in einer Uebertragung von L. und
die als „Sämtliche Werke nebst den Tagebüchern
[D. Berndl bei Eugen Diederichs, Jena, herausgekommen ist.
sund einer Auswahl der Briefe" von Paul Die beiden nicht sehr starken Bände, denen vielleicht noch
[Vornstein bei Georg Müller=München herausgegeben wird, weitere folgen sollen, enthalten längst nicht den ganzen dichte¬
und von deren sechzehn Bänden die ersten beiden erschienen
rischen Nachlaß, sondern nur eine knappe Auslese; um so mehr
sind. Das chronologische Prinzip. das dieser wie anderen Aus= sind sie geeignet, einmal wieder den Dichter Tolstoj in den
gaben des Münchener Verlages zu Grunde gelegt ist, gewährt! Vordergrund zu schieben, der lage Zeit zugunsten des Agi¬
gerade bei diesem schwerblütigen Norddeutschen, dem jede neuetators und Propheten gedarbt hat. Die farbige Erzählung
Phase seiner Entwicklung zu einem gewaltigen Ringen sich! vom Untergang des gefürchteten Kankasushelden „Hadschi
gestaltet, tiefe Einblicke in die Werkstatt des Genies; die
Murad“ zeigt das große Können des Dichters im hellsten Licht
Freude, zu beobachten, wie Hebbel der wird, der er ist, erhöht
und steht in erfreulichem Gegensatz zu der oft unerträglige
den Genuß und kommt dem Verständnis zu gute. Wer vor
Breite der Alterswerke.

allem die Gesamtpersönlichkeit des Dichters nachforschen

möchte, dem sei die Vornsteinsche Ausgabe bestens empfohlen.
wer in erster Linie Hebbels Werk in einer schönen, übersicht¬
lichen Anordnung genießen will, hält sich swohl besser an

R. M. Werner. Von den beiden bisher vorliegenden Bänden
der Ausgabe Bornsteins enthält der erste die gesamte
Produktion des Wesselburener Kirchspielschreibers, der zweite
den Niederschlag der ersten Hamburger und der Heidelberger
Zeit. Die Einreihung der Tagebücher und Briefe ist gut
und ohne Zwang gelungen; jene leiten je eine der natürlich
sich ergebenden Perioden ein, Briefgruppen schließen sie ab.
Zahlreiche Facsimilia und Bildbeigaben tragen zur Belebung
der Lektüre bei. Was Umfang und Sorgfalt des kritischen
IApparats anlangt, stehen beide Ausgaben gleichwertig neben¬
einander.
Als Ergänzung beider heißen wir die „Neuen Hebbel¬
[Dokumente“ willkommen, die Dietrich Kralik und
[Fritz Lemmermayer herausgegeben haben (Schuster
u. Loeffler, Berlin u. Leipzig. 1913). Sie bringen außer einer
Anzahl Splitter und Brocken aus dem Nachlaß, die neue Kunde
kvon den dramatischen Plänen und der beabsichtigten Autobio¬
graphie geben, eine Reihe bisher nicht bekannter Briefe Hebbels
und endlich 19 Briefe Laubes an den Dichter und dessen Frau,
die auf beider Beziehungen zum Burgtheater und dessen Leiter
neues Licht werfen. Disiecta membra poctac, aber in diesem
Falle der Mühe des Aufhebens, Sammelns und Betrachtens
reichlich wert.
Daß auch Jeremias Gotthelf zu den Großen ge¬
hört, die vor vielen anderen ein Anrecht auf unsere Beach¬
tung haben, steht schon seit längerer Zeit fest. Bei der behä¬
bigen Breite seiner volkstümlichen Epik bedarfs vielleicht
einiger Bemühung und Geduld, Fühlung mit ihm zu gewin¬
nen; wer ihm aber einmal nahe gekommen ist, wird von Zeit
zu Zeit immer zu ihm zurückkehren, um Atem zu schöpfen
und in gesunder Luft sich zu erholen von den strapaziösen Sen¬
sationen des Tages. Die ruhig=helle Sonne Homers leuchtet
auch hier über dem Bernbiet. Ob die „Sämtlichen
[Werkein vier undzwanzig Bänden“ die R. Hun¬
ziker, H. Bloesch und C. A. Loosli in Verbindung mit
der Familie Bitzius herausgeben (Eugen Reutsch, München
u. Bern), noch wichtiges neues Material an ungedruckten
Stücken beibringen werden, wie der Prospekt verheißt, muß!
abgewartet werden. Der zuerst erschienene siebente Band, der
den Roman „Geld und Geist“ enthäll, erweckt durch die un¬
gewöhnlich schöne Ausstattung und die Sorgsalt, die bei der
Herstellung eines anthentischen Textes sichtlich gewaltet hat,
ein günstiges Vorurteil.
Weit schwieriger ist's zu entscheiden, ob die Berechtigung
zu einer Gesamtausgabe da ist, wenn sich's um das Werk
eines Mannes handelt, der noch vor kurzem mitten im Strudel
des Tages stand und an dessen Ruf und Ruhm noch Liebe und
Haß geschäftig herumzerren. Soviel läßt sich heute schon fest¬
stellen: Otto Julius Bierbaum, dessen „Gesam¬
Imelte Werke in zehn Bänden“ von Michael
er[Georg Conrad und Hans Brandenburg heraus¬
gegeben werden (Georg Müller, München), zählt nicht zu denen,