lyses tes sen¬
mpliqué mème
le plus sincer
eDonnay,
rauschen
ie hatt
n Fürs
it selts
mmer n
nriesig
ie 1
die
Kell
erhäus
iher a
chlei
——
box 36/1
Panphlets offprints
Schaeffer. Arthur Schnitzler.
23
dem schlichten Titel „Anatol“ und der es gedichtet, hieß Arthur
Schnitzler.*)
Und alle jene, die sich nicht gern vom Leben stoßen lassen, sondern
mit dem traurig=heiteren Lächeln der Wissenden lieber zuschauen, alle,
denen die verhungerte Proletarierkunst unsympathisch war, alle erzählten
sich's froh, daß der junge Wiener Arzt in seinem „Anatol“ so zarte,
heimliche Töne anschlage, wie man es einem Deutschen gar nicht zu¬
trauen möchte, und daß es seit langer Zeit auch bei uns wieder ein
Buch für die Künstlichen, die Gourmets gäbe.
Und die so sprachen, hatten Recht. Anatol war kein glühendes
Gedicht, wie die anderen damals sangen, ein Erstlingswerk, aber ohne
Pathos, lodernde Leidenschaft und das überquellende Stammeln des
verzückten Rausches, kurz — ohne Jugend. Nein, das Buch mit dem
Titel, der so graziös klingt und geschmeidig, es ist eines von jenen, die
am Ende einer Kultur erscheinen, wenn müde Skepsis nicht mehr an
die großen kompakten Worte glauben will, die Gefühle differenziert
werden, und die Seele sich aus der blendenden Sonne, dem Leben, ins
zart=violette Dämmerdunkel der Stimmung rettet. „Sich wissentlich zu
halluzinieren, ins Unwirkliche zu flüchten, Gedicht zu leben,“ so hat
Hermann Bahr das dumpfe Sehnen der Decadence formuliert, und
Anatol würde diese Forderung unterschreiben. Aus schweren Düften,
halben, streichelnden Farben und kosenden Klängen baut er seine Welt,
die schon die leifeste Anderung einer Farbe beeinflußt.
Die so Gedichte leben, scheinbar nichts und doch unendlich viel thun,
man findet sie überall, in allen Centren vornehmer Kulturen, es sind die
„guten Europäer“, weil wir die besseren noch nicht haben. Sie alle
beten zur schönen Pose, verwenden heißes Bemühen auf die dekorative
Ausgestaltung ihres inneren und äußeren Menschen und lechzen dabei
nach Unkultur, Natürlichkeit, — Widersprüche, an denen seit den Tagen
des späten Hellenismus alle Decadenceperioden kranken. Mögen sie noch
so sehr jenseits aller Völker= und Vaterländerei stehen, die Raceunter¬
schiede machen sich auch bei ihnen geltend. In Frankreich tritt das
artistische Moment stark hervor, in Rom brennt die trübe Glut der
Sinne, im Norden sind es tieftraurige Grübler, und in Wien, so in der
Mitte zwischen Rom und Christiania, wird man zum „leichtsinnigen
Melancholiker“ wie sich Anatol einmal definiert.
*) Bisher erschienen in Buchform: „Anatol“, „Das Märchen“, „Liebelei",
„Sterben“, sämtlich im Verlag von S. Fischer Berlin. „Abschied“ in Meisterwerken
zeitgenösischer Novellistik Bd. 1. Verlag von L. Frankenstein. Breslau.
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Schaeffer. Arthur Schnitzler.
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dem schlichten Titel „Anatol“ und der es gedichtet, hieß Arthur
Schnitzler.*)
Und alle jene, die sich nicht gern vom Leben stoßen lassen, sondern
mit dem traurig=heiteren Lächeln der Wissenden lieber zuschauen, alle,
denen die verhungerte Proletarierkunst unsympathisch war, alle erzählten
sich's froh, daß der junge Wiener Arzt in seinem „Anatol“ so zarte,
heimliche Töne anschlage, wie man es einem Deutschen gar nicht zu¬
trauen möchte, und daß es seit langer Zeit auch bei uns wieder ein
Buch für die Künstlichen, die Gourmets gäbe.
Und die so sprachen, hatten Recht. Anatol war kein glühendes
Gedicht, wie die anderen damals sangen, ein Erstlingswerk, aber ohne
Pathos, lodernde Leidenschaft und das überquellende Stammeln des
verzückten Rausches, kurz — ohne Jugend. Nein, das Buch mit dem
Titel, der so graziös klingt und geschmeidig, es ist eines von jenen, die
am Ende einer Kultur erscheinen, wenn müde Skepsis nicht mehr an
die großen kompakten Worte glauben will, die Gefühle differenziert
werden, und die Seele sich aus der blendenden Sonne, dem Leben, ins
zart=violette Dämmerdunkel der Stimmung rettet. „Sich wissentlich zu
halluzinieren, ins Unwirkliche zu flüchten, Gedicht zu leben,“ so hat
Hermann Bahr das dumpfe Sehnen der Decadence formuliert, und
Anatol würde diese Forderung unterschreiben. Aus schweren Düften,
halben, streichelnden Farben und kosenden Klängen baut er seine Welt,
die schon die leifeste Anderung einer Farbe beeinflußt.
Die so Gedichte leben, scheinbar nichts und doch unendlich viel thun,
man findet sie überall, in allen Centren vornehmer Kulturen, es sind die
„guten Europäer“, weil wir die besseren noch nicht haben. Sie alle
beten zur schönen Pose, verwenden heißes Bemühen auf die dekorative
Ausgestaltung ihres inneren und äußeren Menschen und lechzen dabei
nach Unkultur, Natürlichkeit, — Widersprüche, an denen seit den Tagen
des späten Hellenismus alle Decadenceperioden kranken. Mögen sie noch
so sehr jenseits aller Völker= und Vaterländerei stehen, die Raceunter¬
schiede machen sich auch bei ihnen geltend. In Frankreich tritt das
artistische Moment stark hervor, in Rom brennt die trübe Glut der
Sinne, im Norden sind es tieftraurige Grübler, und in Wien, so in der
Mitte zwischen Rom und Christiania, wird man zum „leichtsinnigen
Melancholiker“ wie sich Anatol einmal definiert.
*) Bisher erschienen in Buchform: „Anatol“, „Das Märchen“, „Liebelei",
„Sterben“, sämtlich im Verlag von S. Fischer Berlin. „Abschied“ in Meisterwerken
zeitgenösischer Novellistik Bd. 1. Verlag von L. Frankenstein. Breslau.