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box 36/1
Pannets offorints
Arthur Schnitzler.
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sieben Seenen
Schnitzler, der Enkel, hatte es leichter als der Ahne. Er brauchte
Steuerbogen
das süße Mädel nicht mehr um zweitausend Jahre zurück zu datieren und
nicht. Als
nicht nach Lesbos und Sestos zu verpflanzen, Anatol muß nicht mehr den
ner anderen
Hellespont durchschwimmen, sondern kann ruhig zu seiner Hero gehen,
eln, der
die jetzt Mizi heißt, in ihr kleines Zimmer, wo die verblaßten Kupfer¬
ht sehen
stiche hängen, und vom Fenster sieht man den Garten gegenüber, der
Märchen¬
im Frühling blüht und duftet.
Em¬
Hier findet Anatol ein bleiches Glück in Moll, bei ihr, die ihn
um
nicht versteht, nicht fascinierend schön, nicht besonders elegant ist, und
atols.
nur den Geist eines Mädchens hat, das zu lieben weiß. Sentimentalität
dieser
in der Schilderung der Mädchen, die Anatol liebt, und die Tischlermeister
heiraten, diese gefährliche Klippe wußte Schnitzler glücklich zu umsegeln,
und er hat auch durchaus nicht bloß diese eine Note, wie man ihm vor¬
Blick
geworfen; er kennt die Dirne, die mehr oder weniger verborgen im
ysiert
Weibe schlummert, er weiß, daß die von Ballettkultur nur leis über¬
eine
tünchte Vorstadt ordinär und impertinent sein kann, und er vermag auch
sten
die Mondaine zu zeichnen, die wohl lieben möchte wie die süßen Mädel
und nicht den Mut dazu hat.
er
Warum man noch keine dieser prachtvollen Scenen aufgeführt?“)
und
Die Theaterdirektoren wissen meistens, was sie thun, und kennen das
der
Publikum. Und wenn sie vielleicht Schauspieler besitzen, die solche
n,
Dinge schon spielen könnten, die nur Stimmung, Grazie und Parfum
sind, so haben sie noch lange kein Publikum dafür. Es ist, wie in den
Ausstellungen. Vor kleinen Aquarellen und Pastells bleiben nur die
Kenner stehen. Baut man einmal jenes Theater, das alle Künstler¬
menschen so heiß ersehnen, ein Théätre intime, wo es keine geistige
nt
vierte Galerie giebt, und alles nur erster Rang ist, dann wird man vor
ges
reift,
entzückten Zuschauern auch die Anarolscenen darstellen. Heute darf man
ionischen
dies nicht hoffen: Kaviar bleibt eben inmer Kaviar für das Volk, und
rn meistens
das macht leider die vollen Häuser.
Mädel“.
In einer Scene, die „Denksteine“ heißt, schwört Emilie ihrem Anatol,
fand es nur
jede Stunde, die sie vordem erlebt, sei durch seinen Kuß bedeutungs¬
ernüchterte,
los geworden, jeder Mann ihrem Gedächtnis entschwunden; nur den
üßes Mädel
Augenblick, der sie zum wissenden Weibe machte, den könne sie nicht
sihnen stammen
vergessen. Und Anatol antwortet: „Und du siehst nicht ein, daß mich
bei Grillparzer
hachen vor dem
*) Zwei dieser Seenen sind im vorigen Winter vom Theater der Litterarischen
g, anstatt dem
Gesellschaft in Leipzig unter der vortrefflichen Regie des Herrn Dr. Carl Heine
mit großem Erfolge aufgeführt worden.
Die Schriftleitung.
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box 36/1
Pannets offorints
Arthur Schnitzler.
25
sieben Seenen
Schnitzler, der Enkel, hatte es leichter als der Ahne. Er brauchte
Steuerbogen
das süße Mädel nicht mehr um zweitausend Jahre zurück zu datieren und
nicht. Als
nicht nach Lesbos und Sestos zu verpflanzen, Anatol muß nicht mehr den
ner anderen
Hellespont durchschwimmen, sondern kann ruhig zu seiner Hero gehen,
eln, der
die jetzt Mizi heißt, in ihr kleines Zimmer, wo die verblaßten Kupfer¬
ht sehen
stiche hängen, und vom Fenster sieht man den Garten gegenüber, der
Märchen¬
im Frühling blüht und duftet.
Em¬
Hier findet Anatol ein bleiches Glück in Moll, bei ihr, die ihn
um
nicht versteht, nicht fascinierend schön, nicht besonders elegant ist, und
atols.
nur den Geist eines Mädchens hat, das zu lieben weiß. Sentimentalität
dieser
in der Schilderung der Mädchen, die Anatol liebt, und die Tischlermeister
heiraten, diese gefährliche Klippe wußte Schnitzler glücklich zu umsegeln,
und er hat auch durchaus nicht bloß diese eine Note, wie man ihm vor¬
Blick
geworfen; er kennt die Dirne, die mehr oder weniger verborgen im
ysiert
Weibe schlummert, er weiß, daß die von Ballettkultur nur leis über¬
eine
tünchte Vorstadt ordinär und impertinent sein kann, und er vermag auch
sten
die Mondaine zu zeichnen, die wohl lieben möchte wie die süßen Mädel
und nicht den Mut dazu hat.
er
Warum man noch keine dieser prachtvollen Scenen aufgeführt?“)
und
Die Theaterdirektoren wissen meistens, was sie thun, und kennen das
der
Publikum. Und wenn sie vielleicht Schauspieler besitzen, die solche
n,
Dinge schon spielen könnten, die nur Stimmung, Grazie und Parfum
sind, so haben sie noch lange kein Publikum dafür. Es ist, wie in den
Ausstellungen. Vor kleinen Aquarellen und Pastells bleiben nur die
Kenner stehen. Baut man einmal jenes Theater, das alle Künstler¬
menschen so heiß ersehnen, ein Théätre intime, wo es keine geistige
nt
vierte Galerie giebt, und alles nur erster Rang ist, dann wird man vor
ges
reift,
entzückten Zuschauern auch die Anarolscenen darstellen. Heute darf man
ionischen
dies nicht hoffen: Kaviar bleibt eben inmer Kaviar für das Volk, und
rn meistens
das macht leider die vollen Häuser.
Mädel“.
In einer Scene, die „Denksteine“ heißt, schwört Emilie ihrem Anatol,
fand es nur
jede Stunde, die sie vordem erlebt, sei durch seinen Kuß bedeutungs¬
ernüchterte,
los geworden, jeder Mann ihrem Gedächtnis entschwunden; nur den
üßes Mädel
Augenblick, der sie zum wissenden Weibe machte, den könne sie nicht
sihnen stammen
vergessen. Und Anatol antwortet: „Und du siehst nicht ein, daß mich
bei Grillparzer
hachen vor dem
*) Zwei dieser Seenen sind im vorigen Winter vom Theater der Litterarischen
g, anstatt dem
Gesellschaft in Leipzig unter der vortrefflichen Regie des Herrn Dr. Carl Heine
mit großem Erfolge aufgeführt worden.
Die Schriftleitung.