VI, Allgemeine Besprechungen 1, Friedrich Düsel Dramatische Rundschau, Seite 12


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1. Panphs offprints
Dramatische Rundschau.
Man merkt es kaum, wie sich die Tage wenden,
n (deutsch von Siegfried
und schenkt ihm mit der schönen Seele auch den
Und daß der Weg allmählich neigt bergab, —
ischer). Auch Shaw also
schönen Leib. Er ist erstannt, einen Augenblick
Es nimmt behutsam uns mit Diebeshänden,
n alten heiligen Gewän¬
fast enttäuscht — dann läßt er sich die Zugabe
Was uns die Jugend und der Frühling gab.
en, was denn eigentlich,
gefallen: auch ihm ist die Schönheit der Geliebten
nun nicht mehr „lästig“. Fulda hat eine eigene Indes der Marquis noch philosophiert, sind Blan¬
et, dahinter steckt. Der
dine und Gaston aus Spinett geschlichen, um den
Sieger von Lodi, der
Gabe zu derlei Spaß und Spiel, Scherz und
Schmerz des Alters und den Scherz der Jugend
ier des politischen Wirr¬
Schäkerei; seine formgewandte Verssprache und
unter Boecherinis schelmischer Mennetiphantasie
sseiner respektlosen Skepfis
sinnige Betrachtungsweise umgibt da auch ein
leise zuzudecken ... Nicht nur mit Gedanken, auch
und bloß da, schwankend
noch so mageres Ideechen mit einem Augenblicks¬
mit Tönen überwindet man die plumpe Rüstung
wäche und schauspieleri¬
duft, der eine echte Blume aus dem Garten der
des Theaters.
der quecksilbernen, sich
Natur vortäuscht, wo doch in Wirklichkeit nur
Weniger gut als Blumenthal und Fulda fuhr
kreuzenden, mit geistrei¬
ein zierliches Papierröselein knistert. — Eng an
Fuldas Seite schwebt Oskar Blumenthal im der sonst von der Gunst des Theaterpublikums so
chen Sarkasmen gespick¬
verwöhnte Hausdichter
ten Handlung sehen wir
Reigen. Gleich der „Lä¬
des Königlichen Schau¬
den „Schlachtenlenker“,
ward
spielhauses, Felix Phi¬
wie er sich, von einer
erslustspiel
se
anc
lippi, mit seinem bür¬
ikanten Abenteurerin,
tern“.
„Wani
gerlichen Schauspiel
die Agnes Sorma mit
im
„Der grüne Zweig“
rführerischer Grazie
iel¬
(Buchausgabe bei S.
e, durchschaut und
Schottlaender, Breslau),
listet, mit ihr über
das in drei Akten sehr
Licht beugt, daran
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beweglich von den see¬
aufgefangener, seine
lischen und pekuniären
Kalamitäten eines biede¬
f verkohlt, den
Ro¬
ren Buchhalters erzählt,
er zu feig war,
die
ihn eine gleißende Ver¬
n noch warmer
den
suchung siegreich über¬
it verlangenden
gend,
stehen läßt, um dann,
der schönen
Alters
just am silbernen Hoch¬
im Erhörung
am untrüglichsten ver¬
zeitstage des treu und
ttschädigung zu
künden. Als der Mar¬
rein Erfundenen, einen
ch aber weder
quis von Fargneuil, der
Depeschenboten mit ei¬
Gott noch zu
sich lange einer zärtik¬
ner Freudenbotschaft aus
ensch fühlt.
chen Neigung von seiten
Paris auftreten zu las¬
n hier, bei
der Gräfin Blandine
sen, die alle Tränen und
Shaw, die
schmeicheln durste, von
Sorgen stillt. Daß die¬
chte mitsamt
ihr und ihrem Bräuti¬
ser Schluß mehr als
dieser Erde
gam, dem weder helden¬
eine Seylla und Cha¬
valsfiguren
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haften, noch geistreichen,
rybdis hat, durch die das
so führt uns
nur eben jungen Gaston
schwanke Boot der Hand¬
Fulda in
von Rieux, in aller Ruhe
lung nur schwer hin¬
Agnes Sorma als Minna von Barnhelm (5. Aufzug).
schingsscherz
als immer willkomme¬
durchzusteuern ist, und
Nach der Aufführung im „Neuen Theater“ zu Berlin.
Schönheit“
ner Hausfreund in ihr
daß mit der Symbolik
und wirklich
künftiges Heim geladen
auf den am Ende die
des „grünen Zweiges“,
des Domino.
wird, da weiß er endlich über allen Zweisel
Leute doch noch kommen, und mit dem sich schlie߬
ur den einen
sicher und gewiß, daß ihm damit der Totenschein
lich alt und jung zu schmücken beginnt, gar zu
schönen Augen,
seiner Jugend und Gefährlichkeit ausgestellt ist:
vertrauensselig und verschwenderisch umgegangen
n Augen spricht,
war, sah Philippi am Morgen nach der Erstauf¬
Der Ehrenstuhl des Hausfreunds als Belohnung —
azu auch ein
führung schon selber ein. Aber durch eine neue
Nun ist der letzte Selbstbetrug dahin!
ehöre. Erst
Kappe war der in Scherben gegangene Krug
Nun weiß ich, wer ich war und wer ich bin,
eren Reize
Nun weiß ich, wer ich bin und wer ich war!
nicht mehr zu retten. Man würde Philippis gut¬
es zu ihrem
Und diese Stunde macht's mir bitter klar:
gemeinte Theatereien und Morulitäten vielleicht
h zuerst in
Nicht der ist alt, der mitleidslos verbannt wird —
freundlicher ertragen und behandeln, wenn sie als
Nun will
Man altert erst, wenn man zum Freund ernannt wird!
Intermezzi, nicht aber als typische Darbietungen
upel machen.
aus der modernen Literatur in einem Hause auf¬
der schö¬
Die Verse gehören nicht zu den besten in der
träten, das allein aus seinem Namen schon die
deutschen Literatur, aber auch auf Blumenthals
paare,
Picht zu ernsierer und sorgsamerer Kunstpflege
eigenen Wassern — zu seiner Ehre sei's gesagt
n sie ver¬
herleiten sollte, als es sie leider übt.
n Uhn.
schwimmen hübschers, etwa die, die uns ver¬
Ist es schon mit unserem bürgerlichen Schau¬
ßt sich
raten, wie das Alter sich ankündigt:
spiel armselig genug bestellt, so wird einem voll¬
die ihn
Es kommt nicht unter Sturm und Blitzen,
ends weh und traurig ums Herz, wenn man
sie
Gleich einem Herbstgewitter in der Nacht,
sich dem dürren Brachseld nähert, auf dem unser
nicht
Es schleicht verstohlen auf den Zehenspitzen
modernes sogenanntes „Lustspiel“ wachsen soll.
esicht
An unser Lager geistergleich und sacht.



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