VI, Allgemeine Besprechungen 1, Kronfeld, Seite 14


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die sonderbare Vorstellung, dass es speciell für mich und einige wenige andere gemacht
ist, und wundere mich immer, wenn es vielen gefällt.“
An Brahms schreibt er am 27. Juli 1883, dass seine Tochter Else
einige Brahms'sche Lieder schön singe. „Das Schöne empfinden, ist schon ein
höchstes Glück!“
Und schliesslich sei noch eine Stelle aus einem Briefe vom 19. Sept. 1883
an einen Freund citiert, dessen Sohn Medicin studieren wollte: „Er (der Sohn) muss
einen unwiderstehlichen Drang zum Helfen anderen #nglücklichen Menschen haben,
zunächst angeboren und anerzogen; dann kommt er später auch auf dem Wege
geläuterter Empfindung und Lebenserfahrung durch Reflexion zu der Ueberzeugung,
dass, soviel der sittlich erzogene Mensch auch nach Glück jagen mag, er doch
schliesslich das Glück wesentlich darin findet, andere nach Kräften glücklich zu
machen.“
Dr. Ludwig Seeger (geb. am 30. Jänner 1831 zu Vorarlberg in
Thüringen, gest. 1892) schrieb Gedichte unter dem Titel: „Not lug lo!“
„Auf freier Flur“ ein fünfactiges Schauspiel „Ulrich von Hutten“ und
Dichtungen.
Der berühmte Botaniker, Hofrath Professor Dr. Anton Kerner Ritter
von Marilaun (geb. am 12. November 1831 in Mautern, gest. am 21. Juni 1898
zu Wien) studierte an der Wiener Universität Medicin und war als Operations¬
zögling an der Klinik Schuh thätig. Der hotanische Poet hat auch sinnige
Verse geschrieben, von denen wir einige hier mittheilen.
„Linde.
Sieh, der Linde gold’ne Blüte
Wiegt sich dort in blauer Luft,
Und herab zum kühlen Schatten
Quillt ihr süsser Honigduft.
Duftestrunken lausch' ich lange
Hier in stiller Abendruh',
Höre tiefbewegt dem Flüstern
In dem dunklen Laubdach zu.
Süsse Märchen hör' ich klingen
Aus der schönen Jugendzeit,
Süsse Märchen aus der Heimat,
Die so ferne mir — so weit.
Und vorüberrauschen hör ich
Wohlbekannte Melodel,
Haltet an, ihr lieben Töne,
Eilet nicht so schnell vorbei!“
„Meine Blumen.
Alpenglöckchen, Gentianen, Wolverlei
Und der Bergeskinder noch gar mancherlei
Hab’ ich aus der vielgeliebten Heimat mein
Mitgebracht und hier gesetzt ans Fensterlein;
Haben dort getheilt mit mir manch' bitt'res Leid,
Will sie d’rum auch pflegen fort durch alle Zeit.“
Auch unser scharfsinnigster Psychiater, Hofrath Prof. Dr. Theodor Meynert
(geb. am 15. Juni 1833 zu Dresden, gest. am 31. Mai 1892 zu Wien) war
in jungen Jahren ein namhafter Lyriker. Für uns, die zu Füssen dieses genialen
Mannes gesessen und sein Colleg über „Bau und Functionen des Centralnerven¬
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