VI, Allgemeine Besprechungen 1, 1-14, Lamprecht Deutsche Geschichte Ergänzungsband, Seite 69

1. Panphlets, offprints
Dichtung.
rpern. Dem entspricht denn auch sein
nd seine weiche, fast weibliche Art, zu ganz
huenzen einer bestimmten Weltanschauung,
hien Stellung zu nehmen. Das erscheint
ntümlicher, als in ihm von Jugend auf
Zug wahrnehmbar ist, wenn dieser Zug
ls zu positivem Christentum verdichtet hat.
ersten Augenblick noch verwunderlicher, wenn
der ihn in entscheidenden Jahren (1885 ff.)
hören, er habe vor allem einen starken
ggehabt. Freilich: spricht v. Hanstein dann
spessimismus, so ist die Erklärung gegeben.
edle, sittliche Resignation, die Hauptmann
treten gelegentlich neben ihr leise opti¬
so z. B. in dem prächtigen Lied der Eisen¬
in den minder bekannten Worten, mit
Das bunte Buch“ eine Gedichtsammlung
röffnen wollte (Schlenther, Hauptmann?
eWindesharfe sei deine Seele, Dichter!
ewege sie. Und ewig müssen die Saiten
des Weltwehs; denn das Weltwey ist die
sehnsucht. Also steht deiner Lieder Wurzel
der Erde; doch ihren Scheitel krönet
solche leifeste Hoffnungen einer kommenden
krübergehende Stimmungen, und keineswegs
iftiger Optimismus hervorgewachsen. Denn
dem Drama „Michael Kramer“ (1900),
Titelhelden — ich zweifle nicht, als Aus¬
zeugung — Worte klagender Resignation
sollen wir landen, wo treiben wir hin?
manchmal ins Ungewisse? Wir Kleinen,
issen? Als wenn wir wüßten, wohin es
shen Festen ist es nichts! — Der Himmel
nicht! Das ist es nicht, und jen's ist
.... (mit gen Himmel erhobenen Händen)
ein am Ende???“ Gewiß, der Mann, der

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Dichtung.
verzweiflungsvoll oder mindestens entsagend in diese Worte
ausbricht, ist ein Mann härtesten eigenen Pflichtbewußtseins,
und er will erziehlich wirken an seinem Sohne im Banne seines
Pflichtbewußtseins, — aber doch, was ihn am tiefsten kenn¬
zeichnet, das ist eine große Unklarheit des Denkens und der
Empfindung in den höchsten Fragen des Daseins und dem¬
gemäß, da er ein ernster Mann ist, eine große Sehnsucht nach
Ruhe im Glauben und nach einer festen Zuversicht, die er
noch keineswegs sein eigen nennt.
Hauptmann mag im Wesen Kramers die tiefsten Be¬
dürfnisse unserer Zeit widergespiegelt und verkörpert haben:
den Weg zum vollen idealistischen Drama hat er bisher, trotz
aller Ansätze zu einer Weltanschauung in seinen Dramen,
noch nicht gefunden.
Viel näher kam bisher Sudermann diesem Ziele. Ja
darauf, daß er von vornherein sittlich klarer stand, beruht, wie
bereits einmal angedeutet, eigentlich schon sein Charakter als
Übergangsdramatiker: er hat sich an den Impressionismus nie¬
mals verloren, wohl aber sich ihm um so mehr langsam hin¬
gegeben, je mehr dieser sich reinigen und mit idealistischen
Elementen verbinden ließ. Sudermanns Glaubensbekenntnis
steht am deutlichsten am Schlusse des „Katzenstegs“ verzeichnet
und hat sich seit dieser Aufzeichnung wohl nur in Neben¬
punkten verändert. Wir finden da Boleslaw bei der Leiche
Reginens, so wie wir Michael Kramer soeben vor der Leiche
seines Sohnes haben philosophieren hören. „Und wie er
dachte und sann, ward ihm zu Mute, als ob die Nebel sich
lichteten, welche den Boden des menschlichen Seins vom mensch¬
lichen Bewußtsein trennen, und er sähe eine Strecke tiefer, als
der Mensch sonst pflegt, in den Abgrund des Unbewußten
hinein. Das, was man das Gute und das Böse nennt, wogte
haltlos in den Nebeln der Oberfläche umher; drunten ruhte in
träumender Kraft das — Natürliche. Wen die Natur be¬
gnadet hat, sprach er zu sich, den läßt sie sicher in ihren
dunklen Tiefen wurzeln und duldet, daß er dreist zum Licht
emporstrebe, ohne daß die Nebel der Weisheit und des Wahnes
g