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2. Cuttings
Berliner Börsen-Courier
Freitag, 30. März 1900.
Der Verein für Literatur und Kunst
hatte im Architektenhause das Vergnügen, eine junge
Dame vortragen zu hören, die in jeder Beziehung eine
merkwürdige Erscheinung bildet. Jung, anmuthig,
elegant, mit einer Stimme von seltenem Wohllaut,
mit einer erstaunlichen Unbeirrtheit, mit verwirrender
Gelehrsamkeit, mit ulysseischem Redefluß, der wie
Schneegestöber herniederwirbelte, hielt Fräulein Adele
Telefon 1280l.
Schreiber eine literarhistorische Vorlesung, wie sie
ein Universitätsdocent nicht hätte sicherer und katheder¬
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte.
gewandter absolviren können. Der Gegensatz zwischen
der lieblichen Rednerin und ihrem professorellen
Thun war geradezu fascinirend, man konnte sich
der Bewunderung so wenig wie
„OBSERVER“
Nr. 92
des Lächelns
erwehren. Sie erschien wie eine leibhaftige Ver¬
L. Esterr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
schmelzung der zwei Arten von Frauengestalten, die
[Arthur Schnitzlers Phantasie ausschließlich
„Wien, IX/1. Türkenstrasse 17.
beherrschen: Die vornehme, gereifte Dame, mit dem
Air des „bored“ seins, und das „süße Mädl“, von
Flliale in Budapest: „Figyelze
dem dieser Dichter so gern erzählt, beide in einer
Person; woraus sich denn, da nun einmal von lite¬
Vertretungen in Berl u, Chicago, London, Newyork, Paris, Stockholm.
rarischer Würdigung und biographischem Eingehen auf
diesen Dichter die Rede war, zu ergeben schien, daß
Arthur Schnitzlers Doppelweib eine factische Reali¬
Ausschnitt aus:
sirung erfahren kann. Fräulein Adele Schreiber
zeichnete die Dichterlaufbahn Arthur Schnitzler's
denn dieser ihr Landsmann bildete ihr literarhistorisches
vom 3½7%
Thema — in kecken Zügen, indem sie die hervor¬
ragendsten Gestalten
der modernen
Literatur
Deutschlands, Frankreichs, Rußlands
mit in
lihren Vergleichungskreis zog.
Sie verweilte bei
Schnitzlers Erstlingswerken, skizzirte seine bedeutendsten
Dramen und schilderte seine neuesten Productionen.
„Lebelei“ erschten ihr seine bedeutendste Arbeit, die
Grazie der „Anatole“=Geschichten hob sie rühmend
hervor. Sie las auch eine von diesen, ein Weihnachts¬
begebniß, wobei sie allerdings mit ihrer zarten Stimme
Im Vereine für Kunst und Wissenschaft hielt die Wiener
den männlichen Sprecher nicht markiren konnte, ihn
Schriftstellerin Fräulein Adele Schreiber einen Vortrag über
vielmehr völlig zu dem „süßen Mädl“ selbst machte,
von dem Anatole in dieser Geschichte erzählt. Zum
Arthur Schnitzler. Sie zeichnete mit seinen Strichen die
Schluß trug Frl. Adele Schreiber noch mehrere unge¬
literarische Persönlichkeit des Wiener Dichters, gab in kurzen
druckte Gedichte Arthur Schnitzlers vor, die sich warmen
Skizzen den Inhalt seiner Dramen und Novellen wieder und las
Applaus errangen, wie denn überhaupt das zahlreich
einen der Dialoge aus dem „Anatol“=Cyklus, sowie einige noch
erschienene Publikum die Rednerin mehrfach und
unveröffentlichte Gedichte vor. Das Publicum, das sich in statt¬
lebhaft auszeichnete.
licher Anzahl eingefunden hatte, folgte dem interessanten Vortrage
mit großer Aufmerksamkeit un“ spendete lebhaften Beifall.)
Bezugs-Bedingungen.
Für 50 Zeitungsauschnitte (Artikel oder Notizen) fl.
100
200
500
„ 1000
Im Gegensatze zu anderen Bureaux für 2
Abonnement durch keine bestimmte Zeitdauer bey
Abonnenten frei die aufgegebenen Themen zu erg#
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2. Cuttings
Berliner Börsen-Courier
Freitag, 30. März 1900.
Der Verein für Literatur und Kunst
hatte im Architektenhause das Vergnügen, eine junge
Dame vortragen zu hören, die in jeder Beziehung eine
merkwürdige Erscheinung bildet. Jung, anmuthig,
elegant, mit einer Stimme von seltenem Wohllaut,
mit einer erstaunlichen Unbeirrtheit, mit verwirrender
Gelehrsamkeit, mit ulysseischem Redefluß, der wie
Schneegestöber herniederwirbelte, hielt Fräulein Adele
Telefon 1280l.
Schreiber eine literarhistorische Vorlesung, wie sie
ein Universitätsdocent nicht hätte sicherer und katheder¬
Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte.
gewandter absolviren können. Der Gegensatz zwischen
der lieblichen Rednerin und ihrem professorellen
Thun war geradezu fascinirend, man konnte sich
der Bewunderung so wenig wie
„OBSERVER“
Nr. 92
des Lächelns
erwehren. Sie erschien wie eine leibhaftige Ver¬
L. Esterr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
schmelzung der zwei Arten von Frauengestalten, die
[Arthur Schnitzlers Phantasie ausschließlich
„Wien, IX/1. Türkenstrasse 17.
beherrschen: Die vornehme, gereifte Dame, mit dem
Air des „bored“ seins, und das „süße Mädl“, von
Flliale in Budapest: „Figyelze
dem dieser Dichter so gern erzählt, beide in einer
Person; woraus sich denn, da nun einmal von lite¬
Vertretungen in Berl u, Chicago, London, Newyork, Paris, Stockholm.
rarischer Würdigung und biographischem Eingehen auf
diesen Dichter die Rede war, zu ergeben schien, daß
Arthur Schnitzlers Doppelweib eine factische Reali¬
Ausschnitt aus:
sirung erfahren kann. Fräulein Adele Schreiber
zeichnete die Dichterlaufbahn Arthur Schnitzler's
denn dieser ihr Landsmann bildete ihr literarhistorisches
vom 3½7%
Thema — in kecken Zügen, indem sie die hervor¬
ragendsten Gestalten
der modernen
Literatur
Deutschlands, Frankreichs, Rußlands
mit in
lihren Vergleichungskreis zog.
Sie verweilte bei
Schnitzlers Erstlingswerken, skizzirte seine bedeutendsten
Dramen und schilderte seine neuesten Productionen.
„Lebelei“ erschten ihr seine bedeutendste Arbeit, die
Grazie der „Anatole“=Geschichten hob sie rühmend
hervor. Sie las auch eine von diesen, ein Weihnachts¬
begebniß, wobei sie allerdings mit ihrer zarten Stimme
Im Vereine für Kunst und Wissenschaft hielt die Wiener
den männlichen Sprecher nicht markiren konnte, ihn
Schriftstellerin Fräulein Adele Schreiber einen Vortrag über
vielmehr völlig zu dem „süßen Mädl“ selbst machte,
von dem Anatole in dieser Geschichte erzählt. Zum
Arthur Schnitzler. Sie zeichnete mit seinen Strichen die
Schluß trug Frl. Adele Schreiber noch mehrere unge¬
literarische Persönlichkeit des Wiener Dichters, gab in kurzen
druckte Gedichte Arthur Schnitzlers vor, die sich warmen
Skizzen den Inhalt seiner Dramen und Novellen wieder und las
Applaus errangen, wie denn überhaupt das zahlreich
einen der Dialoge aus dem „Anatol“=Cyklus, sowie einige noch
erschienene Publikum die Rednerin mehrfach und
unveröffentlichte Gedichte vor. Das Publicum, das sich in statt¬
lebhaft auszeichnete.
licher Anzahl eingefunden hatte, folgte dem interessanten Vortrage
mit großer Aufmerksamkeit un“ spendete lebhaften Beifall.)
Bezugs-Bedingungen.
Für 50 Zeitungsauschnitte (Artikel oder Notizen) fl.
100
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