VI, Allgemeine Besprechungen 2, Ausschnitte 1899–1902, Seite 3

box 37/2
2. Cuttings
Kcht Unterneumen für Zeitungs-Ausechmne
Wien, I., Sehdördiaplatz 4.
Vertretungen
## Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
tagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-York,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Auellenangabe ohne Gewähr).
Ausschnitt aus:
Raubugger Premsenhlan
ZDLIERLLA 1M
wirklich ermordet — und man hält es für blüssender Echtheit, ohne zu vergessen, den ern¬
Spiel — usw. Man wird nicht sonderlich er# sten Hintergrund dieser Novelle in Monolog¬
Kunst- und Wissenschaft.
form fühlen zu lassen.
schüttert. Man sieht etwa interessiert zu, wie
v. Schmidt-Pauli ir.—
ein Dichter die Grenze zwischen Schein und
Sein verschiebt. Also kein dramatisches Plus.
Eher ein Minus zgegen die „Liebelei“ z. B.
Arthur Schnitzler.
nicht
Hier greift eine Tr ## lief ins Herz
gewaltsam, nicht w
" mit leiser, weicher
Vorlesung von Max Montor.
Hand nur, und do## #rschütternd. Eine unsag
der Einleitung zu seiner letzten
bar traurige Melodie —
und doch bis zum
Zyklusvorlesung am
Dienstag polemisierte
letzten sterbenden Ton von einem holden
Montor gegen die Sucht, in der Kunst
Schimmer übertaucht. Hier spricht auch ein
spezialisieren und
Auf
klassifizieren.
Dichter, der zugleich ein Frauenkenner ist. Er
Schnitzler angewendet: Er sei nicht nur der
ist deshalb nicht nur ein Dichter des „Süßen
sogenannte Dichter des „Süßen Mädels“, son¬
Mädels“. Die Christien' selbst ist weit mehr
dern auch ein Dramatiker von Rang, der große
als ein süßes Mädel. Sie ist vielleicht der
Probleme angegriffen und durchgefuhrt habe.
lieblichste Frauentypus der neueren dramatischen
Beweis: „Der grüne Kakadu“, ein Einakter, in
Literatur. Etwas unvergänglich Holdes, Rüh¬
dem Schnitzler die Idee, daß es keine eigent¬
rendes leuchtet aus dieser Gestalt, die Mädchen!
liche Grenze zwischen Schein und Sein, Leben
ist in jeder Regung. Nicht nur der Dichter
und Spicl gabe, dramatisch verwendet habe.
des „Süßen Mädels“! Darin hat Montor recht,
Diesen in sich geistvollen Ausführungen kann
aber der Beweis ist anders zu führen. Aus
nur zum Teil beigetreten werden. Die Scheu,
der Welt des „Anatol“, der „Liebelei“ selbst.
aus Liebe zur Klassisikation die Gabe eines
Hier zeigt Schnitzler seine Kunst der „Seelen¬
Dichters zu reduzieren und ihm eine Spezial¬
entschleierung", sie ist kraftvoller als die Bour¬
Etikette aufzulleben, ist höchst lobenswert und
gets, nicht ins Transzendentale gehend wie die
verständlich.
Immerhin
Aufgabe des
Macterlinks. Ihr Gewand ist das der leisen
Kritikers und später des Literarhistorikers wird
Grazie der wehmütigen Melancholie mit einem
es bleiben, in die eigenste Welt des Dichters
ironischen Einschlag und einer Sehnsucht nach
einzudringen und den Kern seines künsilerischen
junger Lebensfreude. Vor allem leuchtet etwas
Wesens berauszuschälen. Bedeuten aber Pro¬
ungemein „Liebes“ darin, etwas, das von dem
blemstücke, wie „Freiwild“ oder „Das Ver¬
„lieben Wien“ nicht zu trennen ist. Das ist die
mächtnis“ die eigentliche Welt Schnitzlers? Das
Welt Schnitzlers, beginnend im „Anatol“,
würden sie nur, wenn in ihnen eine besonders
gereift in der „Liebelei“ und in den beiden
persönliche, spezifische Note zum Klingen käme,
künstlerischen Haupteigenschaften: der Kenntnis
wenn sie etwa eine in den übrigen Werken
der Frauenseele und der entsagenden Melan¬
nicht geschaute dramatische Wucht zum Aus¬
cholie ausgebaut im „Schleier der Beatrice"
druck brächten.
und dem „Einsamen Weg“. Das ist die Linie.
Exemplisizieren wir am „Grünen Kakadu“
Die Problemstücke wären nur als Abzweigung
Die wundervolle Künstlerhand Schnitzlers, die
zu bezeichnen.
Lebensausschnitte wie mit einem „Silberstift“
Diese Feststellung ist für Montor kein Vor¬
zeichnet und vertieft, ist auch hier am Werke.
wurf. Dankbar ist es zu begrüßen, daß er auf
Auch hier. Denn wir kennen sie schon aus
die vielleicht weniger bekannte Seite bei
„Anatol“, aus „Liebelei“
Dort schimmert auch
Schnitzler hingewiesen hat. (Die Formulierung
bereits die dramatische Begabung, die Prägnanz
hätte nur nach obigen Ausführungen anders
der Charakteristik. Was bleibt hier übrig?
gefaßt werden dürfen.) Der Vortrag war eine
Etwa ein Plus der dramatischen Gewalt?
künstlerische Erquickung.
Nur eine gereifte,
Montor wies auf den großen Hintergrund der
meisterhaft abwägende Kunst vermag die Stim¬
französischen Revolution. Er ist jedoch drama¬
mung, die Charakteristik, das Dramatische eines
tisch bedeutungslos für das Stück, dient nur
so fein gearbeiteten Stückes wie „Der grüne
zur Illustration der Idee. Draußen der Ernst,
Kakadu“ so restlos auszuschöpfen, wie es Mon¬
drinnen in der Spelunke das Spiel. Sein und
tor gestern tat. Es war eine Freude, zu sehen,
Schein
— wo ist die Grenze? Dieser Frage
wie er Lichter setzte, abzutönen wußte und den
zuliebe werden die Lebensvorgänge etwas zu¬
Umriß der einzelnen Personen nachzeichnete.
rechtgemacht. Ein Komödiant spielt die Er¬
Montor scheint wirklich nicht „klassisizierbar“ zu
mordung eines Herzogs
sie wird für Wahr= sein. Denn auch den leichten Ton des Wiener
heit gehalten. Der Herzog erscheint und wird „lieben Leutnants Gustl“ traf er mit ver¬