VI, Allgemeine Besprechungen 1, F. O. Schmid A. S. und die Jung Wiener Schule, Seite 12

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PanphletsOffnrints
Allgemein bekannt geworden ist Beer=Hoffmann durch sein
mit dem Bauernfeld=Preis ausgezeichnetes Drama „Der Graf von
Charolais“„Pohl ist es richtig, daß im dramatischen Aufbau dieser
Dichtung gewi Lücken vorhanden sind und sie, als Ganzes genommen,
deswegen nicht einwandfrei ist. Dafür aber ist die psychologische Er¬
fassung und Zeichnung der Charaktere von solcher Wahrheit und Tiefe,
die in wunderbaren Bildern schwelgende Sprache von solcher Beseeltheit
und Wärme, daß man sich sofort darüber klar ist, hier einen bedeutenden,
wenn nicht einen großen Dichter vor sich zu haben. Schon früher hat
Beer=Hoffmann im „Tod Georgs“ eine ungemein feine und tiefem¬
pfundene Dichtung veröffentlicht, die es ole verwunderlich erscheinen
läßt, daß selbst die maßgebende Kritik an dieset untrüglich großen Be¬
gabung achtlos vorübergegangen ist. Es ist eigentlich traurig für die Kul¬
tur unserer Zeit, daß die feinsten und echtesten Talente, die die Re¬
klametrommel verschmähen, meist erst durch irgend einen äußerlichen
Umstand aus der Versenkung emporgehoben werden.
Felix Salten kultiviert in seinem Zyklus „Vom anderen
Ufer“ ebenfalls den geistreichen, fein pointierten Einakter. Auch er ver¬
fügt über eine starke Fähigkeit, das Psychologische dichterisch herauszu¬
arbeiten und den Stoff auf das Wesentlichste zusammenzudrängen. In
lebendiger und klar durchdachter Darstellung zeigt er uns etwa wie ein
früherer Kellner, der sich als Graf ausgab, um eine Comtesse heiraten zu
en, beweist, daß er wirklich Anrecht auf sie hat. Oder er führt uns
di scharfgesehene Gestalt eines Menschen vor Augen, der bereits zu den
Toten gerechnet wurde, zur unangenehmen Überraschung seiner ganzen
Umgebung wieder gesund wird und nun aus Rücksicht auf die anderen
findet, daß er eigentlich gar kein Anrecht mehr auf das Leben habe.
Von rührender Jnnigleit und hohem, dichterischem Wert ist „Die
kleine Veronika“ in der Salten in ergreifender Weise das Schick¬
sal eines kaum dem Kindesalter eniwachsenen verführten Mädchens an
uns vorbei ziehen läßt.
Nicht weniger bedeutend ist dann seine historische Erzählung „Herr
Wenzel auf Rehberg“ Archaisierende, aber äußerst blutvolle
Sprache, große Anschaulichkeit des dichterischen Ausdrucks, ungemeine
Plastik der Gestalten sind die Vorzüge dieses glänzenden Kultur= und
Lebensbildes, mit seinem erschütternden, alle Höhen und Tiefen des Da¬
seins berührenden Schluß.

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