VI, Allgemeine Besprechungen 1, Friedrich Düsel Dramatische Rundschau, Seite 8

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22222EZ2EZBZ½ZZZ S Dramatische Rundschau. Kagagrackracer 459
Emannel Reichers gesungen wurden. Häußer war
mehr denn Possart und mehr denn Reicher. Und
er überlebte beide, obwohl er vor ihnen starb.
Aber ich bezweifle, daß es ihm jemals zum Be¬
wußtsein kam, was ihn über die Gefeierten des
Tages hinaushob. Beruhte nicht darin seine
stille Größe? Das Unbewußte seiner Kunst
war es ja auch, was ihn wie einen Schlafwan¬
delnden des Dichters Spuren folgen ließ — über
alle Firste hinweg und an allen Abgründen hin ...“
In kurzem hätte Häußer sein vierzigjähriges Büh¬
nenjubiläum gefeiert; reiche Ehren waren ihm
zugedacht. Er ist ihnen ausgewichen, wie er dem
*
Lauten und Prunkvollen immer auswich. In sei¬
nem Landhaus zu Pullach im Isartal hat ihn ein
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Herzschlag hinweggenommen; still, wie er gelebt
und gestaltet hat, ist er von uns gegangen.
Und noch einen schmerzlichen Verlust hat die
deutsche Schauspielkunst im Monat Oktober er¬
litten: am 31. starb in Berlin Georg Engels,
nachdem er noch wenige Tage zuvor als gries¬
grümig=gutmütiger Rentier Nippes in Kadelburgs
„Husarenfieber“ das Publikum des Lustspielhauses
ergötzt hatte. So eng wie Häußers Ruhm mit
München, so eng ist Engels' Ruhm mit der Ent¬
wickelung der Theaterstadt Berlin verknüpft. So
Georg Engels als Falstaff in Shakesperes „Lustigen
beliebt er aber auch schon in den siebziger Jah¬
Weibern“.

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ren bei dem leicht begeisterten Publikum des
Woltersdorff= und später des Wallnertheater war,
Jahren Engels, der inzwischen seinem Talent auf
so vertraut man ihm zuwinkte, denn er mit Gastspielreisen nicht immer die sorgsamste Pflege
seiner schlecht proportionierten Figur, den ver¬
hatte angedeihen lassen, für seine Bühne gewann.
kniffenen Schweinsänglein und dem breiten, von Und so wvenig es sich der durch billigen Beifall
allen Teufelchen der scherzenden Laune umspielten verwöhnte Schauspieler versagen konnte, hier und
Mund auf der Bühne erschien — eigentlich künst¬
da nach einer den Einklang des Ensembles zer¬
lerische Aufgaben fielen ihm doch erst am Deutschen
störenden Sonderwirkung zu haschen, sein Wirt
Theater zu, für das ihn L'Arronge als einen der
in der „Minna“, sein Zettel im „Sommernachts¬
ersten 1883 gewonnen hatte. Wie bei so man¬
traum“, sein Falstaff in den „Lustigen Wei¬
chem bisher übersehenen oder gering geschätzten
bern“ waren doch so volle und reiche Leistun¬
gen, daß sie nicht leicht vergessen werden können.
Talent, so sah man unter dieser ernsten literari¬
schen Leitung auch bei ihm was bisher für bloße Weshalb dieser Bund, der beiden Teilen gleichen
Komik und Spaßmacherei gehalten worden war, Gereinn versprach, nicht von Dauer war — ich
zu echter Humoristik emporwachsen. Engels spielte weiß es nicht. Vielleicht war in Georg Engels
zwar auch hier zunächst nur kleinere Rollen, etwa aus früheren theaterfröhlichen, aber auch litera¬
den Totengräber im „Hamlet“, den Hofmarschall risch unerzogenen Jahren her eine gewisse Ko¬
Kalb in „Kabale und Liebe“, den Klosterbruder
mödiantenunruhe zu tief eingewurzelt, als daß
er sich für immer unter das Szepter eines festen
im „Nathan“, den Wirt in der „Minna von
Barnhelm“ oder den Schmock in Freytags „Jour= Regiewillens beugen mochte. Genug, er ging
nalisten“; als sich dann aber die moderne Lite= von Reinhardt zum Lustspielhaus und spielte in
ratur die Bühne eroberte, fand er in Fuldas Kadelburgs „Husarenfieber“ hundert=, zweihun¬
dertmal hintereinander, bis der Tod ihm sein
„Talisman“ (als Habakuk), vor allem jedoch in
Hauptmanns Komödien „Kollege Crampton“ und Stichwort zurief. So scheidet er leider nicht in
„Biberpelz“ (Amtsvorsteher Wehrhahn) für seine der Gestalt von uns, in der er es seiner Bedeu¬
tung nach wohl verdient hätte; fortleben aber
mehr instinktiv als verstandesmäßig schaffende
Komik Rollen, die ihm hohe künstlerische Ehren wird er in unserem Gedächtnis als der Georg
eintrugen und ihn selbst für die letzten Aufgaben Engels des Deutschen Theaters, der komischen Ge¬
darstellerischen Humors, für Shakesperes Falsiass= stalten des klassischen und des modernen Dra¬
gestalten, reif erscheinen ließ. Hier knüpfte denn mas aus der Fülle seiner eigensten Natur die
auch Reinhardt wieder an, als er vor einigen ihnen gebührende Weihe des Humors verlieh.

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