VI, Allgemeine Besprechungen 1, Broschüren Sonderdrucke 1904 1910, Seite 5


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1. Panphlets offorints
Fritz Wittels, dessen rühmliche Art wir bereis an dieser
Stelle geschildert haben, leidenschaftliche, kecke Liebesmotive alt¬
wienerisch zu kostümieren, hat eine Sammlung sehr verliebter
Novellen herausgegeben: „Alle Liebeshändel“ (Wien, Jahoda &
Siegel), „Die drei Schwestern“, „Die Versuchung des jungen
Prenberger“, „Ladislaus Posthumus“ „Der Prinz Eugen“, „Das
Stammbuch“ sind geradezu Kabinetstücke. Dagegen versagt
Wittels einigermaßen bei modernen Problemen in modernem
Gewande; einige seiner Novellen leiden auch an Übertreibungen
nach der erotischen Seite hin, wie „Der Schlüsselbund“ und „Die
vermeintliche Hexe“. Welche Meisterschaft der junge Kollege in
Milieuschilderungen besitzt, mit wie sicherer und leichter Hand er
zeichnet, sei mit einem Beispiel illustriert.
„Der Edelknabe (Prenberger) schilderte mit feurigem Herzen eine
Himmelsgestall, und Waller (von der Vogelweide) merkte wohl, daß er die
Herzogin (Theodora, Gattin Leopolds des Glorreichen) selber aus dem Glorien¬
scheine dieser Verklärung lösen müsse. Der P'renberger warseil zwei Jahren stets
um sie, sie lehrte ihn und zwei andere Edelknaben Katechismus und
Frauendienst, aber der Prenberger war der älteste, die underen zwei wareh
Kinder, und wie er so an langen Winterabenden und verregneten Sommer¬
lagen zu ihren Füßen saß und in ihn drängender Frühling war, da hätte
seine mütterliche Freundin noch einmal so alt und gänzlich verblüht sein
mögen, so wie sie in Wirklichkeit im matten Glanze der letzten Triche
sland: der Prenberger hätte sie dennoch gelicbl. Das erkannte Herr Waller,
sagte aber nichts dergleichen, sondern meinte nur, wenn es eine 16
Dame sei, sei die Gefahr dieser Liebe groß und ob der Prenberger dies
bedacht habe ... Unter solehen Gesprächen schrilten sie mileinander über
den vielfach winkeligen Kohlmarkt, zwischen den schmalbrüstigen Häuschen,
die 80 Spilzgiebelig waren, daß das Dach wohl zweimal so hoch war als
der ebenerdlige oder einslöckige Grundbau, dlie hölzernen Sohllen der
Schnabelschuhe kuirschten im Schotter, aus dem allenthalben Gras
emporwuchs, und aus den Fenstern von allen Seiten sehmellerte fröhlicher
Gesang von Amsel, Drossel und Fink, die da in ihren Kätigen saßen, dal
man eher vermeinte, im grünen Wald als in der Stadt zu sein. Als sie
aber in den alten Teil der Stadt kamen, uiter dlie Lauben, wo die ge¬
schäfligen Bürgersfrauen ihre Einkäufe besorgten und das Getöse von Aus¬
rufern und anderein lärmenden Tagwerk groß war, da grüßlen viele den
edlen Sänger und war balll ein Haufen hinter ihn her.“
Der Wiener Kollege Hemrich Keller hat einen neuen
Roman geschrieben: „Unterlehrer Straub“ (Berlin, Fleischel), die
Geschichte des charaktervollen Lehrers, der sich vom Klerikalismus
nicht niederringen läßt. Das Buch hat zeitgeschichtliches Interesse
und verrät gute Beobachtungsgabe.
Kaum zu überblicken ist die Zahl der Romane und Prosa¬
erzählungen von Nichtärzten, in welchen der Doktor umgeht. In
Heers „Laubgevind“ (Stultgart, Cotta) spielt der Irrenarzt eine
Rolle; Ago Gjems-Seimer schildert im Buche „Aus meinem
Leben“ (München, Elzold) ihre Liebe zu einem Arzte; El Gorrei
bringt im „Thal des Traumes“ (Stultgart, Gotta) ein ganzes kon¬
fuses Sanatorium. Die psychologische Novelle „Drei Menschen“ von

Külpe (Berlin, Scholllaender) lei
kennen, dessen Frau Nora, eine Se
ein Augenarzt in dieser Novelle tei
längstens zwei Jahren unrettbar
zeichnen sich in Romanen durch
Malerei sind sie die größten Wo
Diers schildert: „Die sieben Sorg
Seyfert); der verwitwete Landarzt
und traut ihnen nicht recht; er
in seinen Wagen, seizt sich aufedem
einem Kranken zum anderen; das
gar nicht ausgearbeitet. Kurt Ar
Fleischel) schwankt zwischen Dent
der braven Gatlin lise und der Gel
Roman „Auch eine mit dem Kreppse
einen berühmten Chirurgen, Hofratik
Kranke, Studenten und schöne Frau
Frauen. Er aber bleibt tapferer Jun#
jahre. „Die Frauen sind ihm nur Nei
Mensch, nur das Geschlecht zieht i
die schöne Frau Helene, „ein geist
Tode krank ist. Helene liebt den H
mit dem Kreppschleier“, das sind jen
mit Reden einleiten und beenden:
Was wirst du von mir denken? u.
entsagt dem Chirurgen, wird von
lehnt schließlich ehrlich und charak
ab. Ernst Walter (eine Schriftstelle
schreibt hübsch, sogar geistreich,
an der Epidermis des Lebens hänge
Hans Bartsch schildert in
Steiermark“ (Leipzig, Stackmann),
Humanität von der Kunstgeschichte
Arzt Vollrat mit dem Motto: Behe
Hiresbfeld läßt seinen Arzt
(Berlin, Fischer) schuldig werden di
des Wirtes, Heimdalls Doktot
Seemann) vollbringt es um den Preis
sitzen zu lassen. Karl Rosners ,
Ehbock) schildert die Seelenqualen
kranken. „Das graue Haus“ von Hen
gehört dem alten Gynäkologen Holt
Familie.
Die Schwedin Gabriele Ringe
(Berlin, Schuster und Loeffler) eine



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