VI, Allgemeine Besprechungen 1, 4, Josef Karl Ratislav, Seite 14

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1. Pamphlets Offbrints
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bringen kann. Dann aber verläßt er sie und lehnt auch ihre weiteren
Versuche, ihn an sich zu fesseln, kühl ab. Nur alle vier bis sechs
Wochen soll sie auf einen Tag und eine Nacht nach Wien kommen.
In die langen Seelenqualen der Frau Berta bringt einige Abwechslung
die Tragödie der Ehe Ruppius, die schließlich Berta von ihrer
Liebe heilt.
Dem Grundzug von Schnitzlers Wesen, der auf das weiche
und träumerische Halbdunkel gerichtet ist, entspricht auch der Stoff
dieses Buches. Der Dichter hat hier versucht, den Schleier, der über
die weibliche Psyche gebreitet ist, zu heben. Doch kann dieser Ver¬
such nur halb gelungen genannt werden und so hat diese Novelle eine
quälende, ermüdende Stimmung erhalten. Der Grundgedanke des
Werkes liegt in den folgenden Worten: „Sie ahnte das ungeheure
Unrecht in der Welt, daß die Sehnsucht nach Wonne ebenso in die
Frau gelegt ward, als in den Mann; und daß es bei den Frauen
Sünde wird und Sühne fordert, wenn die Sehnsucht nach Wonne
nicht zugleich die Sehnsucht nach dem Kinde ist.“
Fünf Novellen hat Schnitzler in einem Buche vereinigt, daß
schon sein Titel „Dämmerseelen“ genügend charakterisiert.
Dämmerseelen sind für Schnitzler jene Naturen, die gleichsam traum¬
verloren dahinleben. Für ihr der Außenwelt verschlossenes Innenleben
die psychologischen Bedingungen aufzudecken, stellt sich der Dichter
als Aufgabe. Diese wird besonders in der Novelle „Die Fremde“
ganz bewältigt. Die überlegene dunkle Macht, die vielen als Spiel
des Zufalls erscheint, weiß Schnitzler in ihrer Wirkung so glaubhaft
zu zeigen, daß auch der aufgeklärte Spötter sein ironisches Lächeln
vergißt und in den Bannkreis der Dichtung gezogen wird. Das
Hineinspielen einer übermenschlichen Macht zeigt deutlich „das Schick¬
sal des Freiherrn von Leisenbohg“ und „die Weissagung“, die das
Grauen, die Furcht vor dem Unerklärlichen am stärksten zum Aus¬
druck bringt. Die Perle der Sammlung bildet „Das neue Lied“,
das von einer Blinden erzählt. Die Wiener Landschaft kommt hier
zu guter Geltung.
In allen Novellen wird die Spannung mit vornehmen Mitteln
erzielt, indem der Dichter einer über seinen Menschen waltenden Ge¬
setzmäßigkeit zustrebt. Eine ernste, reife Sprache beweist die strenge
Selbstzucht des Künstlers, der ununterbrochen an seiner Entwicklung
arbeitet.
Wie in dem Buche „Däm
Novelletten, die unter dem Tit
sammelt sind, das Dunkle, U
Schleier über den einzelnen E
druck. Menschen begegnen uns
sie sind, deren Seelenleben mit
wie das der unverstandenen Fra
gerade dieser Erzählung ist bei
aus der Theaterwelt, die aber
enthüllt, sondern uns einen tie
spielers tun läßt, gibt der „Eh
Typus Anatols. Die Novelle
zu „Abschied“, zeigt am deut
moderne Probleme der Gesel
nehmen. In diesem Kabinet
den versöhnenden Schluß fast
scheinen läßt. Die erwähnten
mit dem Ehebruch. Keine gr
geschickte Rücksichtslosigkeit ist
Frau des Weisen“, wie in der
steht die Frau beschämt vor
Dichter in seinen Geschichten d
gespielt wird („Der Ehrentag“
„Die griechische T
gemahnende Skizze. Schnitzler
Künstlers, scheint dasselbe abe
befindet sich ganz auf Seiten
ständig glauben machen, sie hal
des Hauses gegenüber stets in
soll an Herzschlag gestorben sei
Bericht bei: „Sowie sie vor ih
hat, vom ersten Augenblick bi
und zum Wahnsinn getrieben
natürlichen Tod vorgespielt,
nicht mehr ertragen konnte.
hingenommen, als käme es i