VI, Allgemeine Besprechungen 1, 4, Josef Karl Ratislav, Seite 17


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1. Panphlets offorints
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as für Schnitzler so charakteristisch
#rd: das Spielmotiv.
III.
in Bruder“ ist eine der tiefsten
„Der Weg ins Freie“ ist in erster Linie ein Bekenntnis¬
den Eigenarten des Verfassers —
Als Knabe wurde Geronimo
roman. Der Dichter und der Mensch Schnitzler reichen sich hier die
Bolzen ins Auge getroffen und
Hände und die Vereinigung von Leben und Schaffen, von künst¬
lerischem und menschlichem Empfinden ist eine vollkommene. „Der
t vollständig ein. Carlo nahm
Weg ins Freie“ ist auch ein Wiener Roman. Ich möchte aber nicht
urch zwanzig Jahre begleitete er
behaupten, daß Schnitzler mit diesem Werk den Wiener Roman geben
terhalt durch Singen und Gitarre¬
wollte und weiß daher auch nicht, warum von manchen Seiten sein
ges Leben für den Vollsinnigen,
Werk gerade unter diesem Gesichtspunkte betrachtet wurde. Schnitzler
widerfahrene Mißgeschick zu ver¬
ist ein Wiener Dichter, der seine Menschen aus dem Wiener Milieu
fremder dem Carlo ein Geldstück,
herausholt. Das ist auch in diesem Roman, der in der Donaustadt
20=Frankstück gewesen, und gibt
spielt, der Fall, wenngleich es dem Dichter hier auf Größeres ankommt
Bruder nicht betrügen zu lassen.
als auf einen bloßen Milieuroman. Darum kann man auch nicht
uder das Goldstück, und da es ihm
sagen, daß „der Weg ins Freie“ der Wiener Ghettoroman ist. Denn
nicht erhielt, so nennt er ihn einen
abgesehen davon, daß der Held Georg von Wergenthin und seine Ge¬
getroffen. Er sieht eine Kluft
liebte Anna keine Juden sind, spielt doch der Roman auch in Kreisen,
h Mißtrauen entstanden, die nicht
die dem Ghetto fernstehen. Schnitzler wollte in diesem Werke an das
zweiflung stiehlt er im Gasthof
Problem des Judentums als Bestandteil Österreichs und vielleicht auch
chtet, ein Goldstück. Am frühen
des modernen Europas rühren. Er kommt aber in der Judenfrage
fort. Am Wege gibt er Geronimo
objektiv nicht weiter, denn sie ist ihm eine ganz persönliche Frage.
en, er habe sie nur aufbewahren
Darum ist auch die Dichtung eine ganz persönliche, an die man mit
Eertrinke. Aber auch dadurch wird
der Unbefangenheit desjenigen, der ein Kunstwerk genießen will, heran¬
beseitigt. Dem Paar kommt ein
treten muß, ohne Sensationsgeschrei und ohne nach Aktualitäten zu
beiden mit, da er sie des Dieb¬
suchen. Der Grundgedanke spricht sich in dem Satze aus: „Jede
urde, für verdächtig hält. Carlo
Rasse als solche ist natürlich widerwärtig, nur der einzelne vermag
der muß ihn jetzt mit vollem Recht
es zuweilen, durch persönliche Vorzüge mit den Widerlichkeiten seiner
aber das Wunderbare. Geronimo
Rasse zu versöhnen.
ktarre fallen und küßt den Bruder.
In diesem Roman ist besonders die ausgezeichnete Charakte¬
ne erstaunt, aber Carlo versteht.
ristik sämtlicher Personen hervorzuheben; wahrhaft prächtige Typen
ritt ein als früher. Das Lächeln
hat Schnitzler hier vor unsern Augen erstehen lassen. Die Handlung
rschwinden. Ihm war, als könnte
ist für den Dichter nur die Kette, die die Schicksale seiner Personen
geschehen, — weder vor Gericht,
äußerlich miteinander verbindet. Schnitzler kommt es, wie meist in
Er hatte seinen Bruder wieder
seinen Novellen, auf Seelenschilderungen an; hier interessiert ihn vor
mal
allem der psychische Zustand Georgs in der Zeit, da seine Geliebte ein
bedeutende Humoreske, in der ein
Kind erwartet. Auch in der Zeichnung der übrigen Figuren bewährt
t einer Exzentrik=Sängerin etwas
sich der Dichter als meisterhafter, erfahrener Psychologe. Man würde
t einen leisen Anklang an Anatol.
den Reiz dieses Romanes, dem jedes grelle Licht und jeder laute Ton
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