VI, Allgemeine Besprechungen 1, 4, Viktor Klemperer Bühne und Welt, Seite 2

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Pamphlets, offprints
Bühne und Welt.
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lustigen Elemente und allenfalls die wehmütige Heiterkeit des Wieners bemerken,
für die tieferliegende Tragik aber kein Gefühl haben. Und doch ist Arthur Schnitzler
hier schon, wie überall — überall! auch da, wo er sich ganz ausgelassen lustig, ganz
frivol gibt, auch im „Reigen“ und selbst in dem köstlichen Schwank „Literatur“ —
im Innersten ein Tragiker. Ich will damit nicht sagen, daß der lachende Schnitzler
immer ein Satiriker sei, nein, auch ein Humorist steckt in diesem Dichter. Doch man
pflegt gewöhnlich zwischen Humor und Satire auf eine Weise zu unterscheiden, die
ich für unzutreffend halte. Man macht einen Unterschied der Weltanschauung
daraus, hört aus Humor das versöhnliche Lachen des Optimisten, aus Satire das
Bittere des Pessimisten heraus. Aber es gibt sehr pessimistische Humoristen, sehr
optimistische Satiriker. Ich glaube, Satire ist das Lachen des Willens, Humor das
Lachen der bloßen Anschauung. Wer satirisch schreibt, will durch das Mittel der
Verhöhnung etwas bessern; wer humorvoll schreibt, will gar nichts, sein Lachen
entspringt ruhiger Betrachtung, einer Ruhe, die ebensogut auf Zufriedenheit mit dem
gegenwärtigen Zustand oder auf dem Erhoffen eines besseren künftigen basieren
kann, wie auf Resignation. Auf solchem Sichbescheiden, auf Kapitulieren also vor
der Erbärmlichkeit der Dinge, scheinen mir die seltenen, rein humoristischen Schöpfungen
Arthur Schnitzlers zu beruhen. Ich schließe das aus dem in der Gesamtheit seiner
Schöpfungen sich offenbarenden Charakter des Dichters. Ihm ist alles fröhliche
Genießen, alle harmlos ungetrübte Freude ganz versagt.
Denn immer steht ja einer hinter ihm, bald als Heitschenschwinger, bald als
Fackelsenker, aber immer der Eine, der Tod. Man kann den Todesgedanken geradezu
die Zentrale in Schnitzlers Wesen nennen. „Warum reden Sie denn vom Sterben?“
heißt es einmal im „Einsamen Weg“. Und die Antwort lautet: „Gibt es einen an¬
ständigen Aenschen, der in irgendeiner guten Stunde in tiefster Seele etwas anderes
denkt?“ Don früh auf ein Dichter, also auf die Betrachtung des Seelischen gelenkt
und von der Buntheit des Lebens beglückt, wird Schnitzler Arzt. In einem Kranken¬
hause angestellt, sieht er viele Menschen sterben, und ob sie nun in Qualen enden
oder sanft einschlafen, so bleibt ihm doch immer der gleiche Eindruck, das Schauern
vor dem Unbekannten des letzten Augenblicks und des dahinter Befindlichen. Denn
in diesen Dingen vermag er seiner Wissenschaft genau so wenig zu trauen, wie
irgendeiner religiösen Tröstung, da ist alles ganz unsicher und verhüllt. Solches
Schauern vor dem Rätselvollen wird ihm im „Schleier der Beatrice“ schöne Derse
eingeben. Dort grübelt der zum Selbstmord Entschlossene:
Nur mit den armen Worten der Gewohnheit
Das abgelebte Dasein neu durchfliegen,
Ob nicht ein neues kommt, einungeahntes —
Kennt unser Mund das ewig Unbegriffne;
Ob uns im frei gewählten Hingang nicht
Und so wie jene, die im Glanz des Lebens
So nutzlos schmerzensvolle Sehnsucht anfällt,
Aufleuchteten, ist uns der letzte auch,
Ins Licht zurückzukehr'n, daß alle Pein,
Bevor er kommt, nichts als ein Augenblick.
Doch was er birgt an ungeheuren Schrecken, Die wir jetzt denken können, uns erscheint
Ob wir in tausendfacher Kraft und Qual Wie Hauch der Lüfte — niemand hat's erzählt.
„Niemand hat's erzählt .. .“ Wer so vom Todesrätsel ewig bedrängt ist
und es als Qual empfindet, der ist von allem friedlichen Lebensgenuß ausgeschlossen.
Er wird je nach seiner Anlage zum völligen Entsagen oder zum leidenschaftlichen
Erfassen des einzig sicheren Besitzes, des Lebens, gelangen. Der Dichter Schnitzler
wählt mit Naturnotwendigkeit das wilde Auskosten des Lebens und sieht sich durch
eben seine Natur in solchem Genießen gehemmt.
Doppeltes hindert ihn daran. Einmal ist dem modernen Arzt und Seelenforscher
auch dieser scheinbar ganz sichere Besitz, das Leben, das bewußt erlebende Ich, nichts
so überaus Sicheres. Die Seltsamkeiten der Hypnose, die die Persönsichkeit eines
Menschen ganz verändern kann, haben für Schnitzler etwas sehr Beunruhigendes.

Und noch
Wünsche un
nun wirklich
des Mensche
Wahn und