VI, Allgemeine Besprechungen 1, 4, Viktor Klemperer Bühne und Welt, Seite 6

1. Pamx
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Bühne und Welt.
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des Wiener Wesens her. Stwas Kindliches, ein rasches Auftauchen und Versiegen
der Freude wie des Schmerzes. Dazu auch eine feinere und verschwimmendere Art
in der Aneignung des Frohen und Traurigen: der Genießende und Leidende ist nicht
bloß und nicht einmal in erster Linie mit dem Unmittelbaren, sozusagen mit dem
Körperlichen seiner Schmerzen und Freuden beschäftigt; ein kaum greifbar darüber
Schwebendes, ein Hauch, eine Farbe, nehmen ihn fast mehr in Anspruch
— die Stim¬
mung der Dinge beeinflußt ihn beinahe stärker als die Dinge selber. Stimmung,
Phot. F. X. Setzer, Wien.
Hlfred Gerasch in der Titelrolle von Arthur Schnihlers Drama „Der junge Mebardus“
(Uraufführung am k. k. Burgtheater, Wien)
ein Hauptingredienz der neueren österreichischen Dichter, der Empfindungshauch etwa,
der, feineren Organen kenntlich, über den groben Ereignissen und Zuständen, Trieben
und Gedanken schwebt — Stimmung verschönt und verschleiert, sänftigt und — ent¬
nervt gelegentlich die Schnitzlerschen Werke ...
Und nun war es eben für Schnitzlers literarische Abstempelung so fast ver¬
hängnisvoll, daß sein Erstlingswerk gerade von diesem dritten Grundzug seines Wesens,
dem weichen wienerischen, dem die Tragik verdeckenden, am entschiedensten beherrscht
wurde, daß er sich in seiner „Anatol“=Suite als wehmütig lächelnder Stimmungs¬
mensch, als spöttischer Beiseitedränger des Tragischen zeigte und nur erst gelegentlich
die eigentliche tragische Zerrissenheit, das Traurig=Schwere, aber doch auch wahrhaf
Bedeutende seiner
wenigsten Verständ
die französische 6
ironischen Töne.
schiedssouper“ und
reichischen Maupa
dazu beigetragen