VI, Allgemeine Besprechungen 1, 5, Julius Bab, Seite 22

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1. Panphlets, offprints
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„Das Drama ist die höchste Form der Poesie und der
Kunst überhaupt, hat aber nichtsdestoweniger die Aufgabe,
das Leben in seiner Unmittelbarkeit zur Anschauung zu
bringen, und den alles umfassenden Verstand, der ihm zu¬
grunde liegen muß, im einzelnen hinter anscheinender Willkür
zu verstecken; es soll eine Welt sein, keine Uhr.“
Ich denke, es ist nicht schwer zu erkennen, daß diese formale
Erkenntnis, die im gleichen Grade den Geist und die Sinnlichkeit
will, nur der ästhetische Widerschein jenes Weltgefühls ist, das
an die Macht der tätig freien Menschen, aber auch an ihre not¬
wendig und sinnvoll gesetzten Schranken glaubt, jenes Welt¬
gefühls, das allein der reinen dramatischen Form kongenial ist.
Deshalb scheint mir Friedrich Hebbel mit einem solchen Wort
der vortrefflichste Wegweiser aller fruchtbaren Stiltendenzen, die
aus dem deutschen Drama der Gegenwart in die Zukunft zielen.

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