VI, Allgemeine Besprechungen 1, 5, Reik zwei Texte Imago, Seite 1


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1. Pamphlets, offorints
SEPARATABDRUICK aus IMAGO,
Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften.
Herausgegeben von Prof. SIGM. FREUD, redigiert von Dr. OTTORANK u. Dr. HANNS SACHS
II. Jahrgang 1913, 3. Heft Juni). Verlag von Hugo Heller ‘ Co. in Leipzig und Wien, I. Bauern¬
markt 3. — Abonnementspreis ganjährig M. 15.—= K 18.—.
Die Allmacht der Gedanken“ bei Arthur Schnitzler
Von Dr. THEODOR REIK (Wien).
* Wir müssen einen Dolch blitzen sehen, um
zu begreifen, daß ein Mord geschehen ist.“
„Der Weg ins Freie.e
s gibt eine Regel der Traumdeutung, welche sagt, daß das
1, anscheinend Nebensächliche, das Detail des manifesten Traum¬
inhaltes für die Aufdeckung der latenten Traumgedanken
von eminenter Bedeutung ist. Ja, es kommt häußg genug vor, daß
verade von einem solchen, vom Träumer höchst unwichtig genommenen
Detail die Traumdeutung ausgeht. In diesem Sinne läßt sich das
Swiftsche „Vive la bagatelle!“ rechtfertigen.
Bei der weitgehenden Verwandtschaft von Traum und
Dichtung läßt sich vermuten, daß auch bei der Analyse eines
poetischen Werkes von solchen Details, die sich oft als Episoden
oder Motive bescheiden geben und denen der Zuhörer oder Leser
nur wenig Aufmerksamkeit im Verhältnis zur Haupthandlung
schenkt, helleres Licht auf das Ganze fallen wird. So wird die
Röntgenisierung eines kranken Organismus den Arzt auf eine bis¬
her unbeachtete Stelle aufmerksam machen, von wo die Schmerzen
irradiieren.
Es soll hier ein Weg eingeschlagen werden, der in der Psycho¬
analyse oft zum Siege geführt hat: wir wollen kleine Motive
prüfen und vergleichen, um sie zur psychoanalytischen Aufklärung
des Ganzen zu verwenden. Ich möchte an einem Beispiel zeigen wie
ich das meine. Die kleine Episode Dr. Rank in lbsens #Nora¬
wird sicherlich zur Deutung der „Gespensters desselben Dichters
viel beitragen können. Dort ist das Thema als kleine Episode be¬
handelt, die mit der Haupthandlung nur lose verknüpft ist, hier als
Hauptkonflikt. Wir wissen, daß das psychische Material dem
wir eine Dichtung verdanken, einer sekundären Bearbeitung
unterliegt. Diese Bearbeitung aber wird um so intensiver sein, je
größer das Interesse des Dichters ist, seine Seelenregungen in einem
einzigen Konflikt zusammen zu fassen. Wir müssen annehmen, daß
der Hauptkonflikt eines Dramas einer größeren Verdrängung ent¬
stammt und daß an ihm eine stärkere Verarbeitung, Verschiebung
und Umordnung der Elemente stattfand, als an irgendeinem kleinen
Motiv. Es kommt ja auch vor, wie im Falle Rank-Oswald
Alwing, daß ein Motiv, daß zuerst nur oberflächlich behandelt
wurde, zum Hauptthema eines Werkes wird, auf dem dann der
ganze seelische Akzent ruht. Es rückt sozusagen von der Peripherie
ins Zentrum des Bewußtseins. Wir wollen mit einem solchen un¬
scheinbaren, aber typischen Motiv beginnen und zu zeigen ver¬
Dieser Abschnitt ist einer größeren Arbeit über Arthur Schnitzler als
Psychologes entnommen.