VI, Allgemeine Besprechungen 1, 5, Reik zwei Texte Imago, Seite 12


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1. Panphlets offbrints
Theodor Reik
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Wahrheit nie gesprochen, schrieb. Es ist so, als hätte der Wunsch
des Liebenden auch sie alles Glück und Leid mit ihm erleben lassen.
Ich möchte nicht versäumen, hier noch einen schönen Fall der Wunsch¬
kraft anzuführen, der im -Leutnant Gustlé zu finden ist. Durch
diese Macht wird der dicke Bäckermeister, der das ganze Lebens¬
glück des Leutnant zu zerstören droht, vom Schlage getroffen. Daß
dieser Ausgang dem Leutnant so überraschend kam, wird uns nicht
daran hindern, anzunehmen, daß er ihn unbewußt gewünscht hat.
Ist es dem Dichter möglich geworden, seine Gedanken im
Spielraum seiner Werke allmächtig werden zu lassen, so könnte es
verwunderlich erscheinen, daß diese Macht sich manchmal dämonisch
gegen ihn selbst kehrt. 1889 erschien eine Novelle Schnitzlers
-Mein Freund Vpsilon. Aus den Papieren eines Arztes.& Ein
studiosus philologiae steht im Mittelpunkte, dem als Dichter die
selbstgeschaffenen Gestalten zur drohendsten, lebenzerstörenden
Realität werden, Sein Mädchen, eine holde Choristin, kommt weinend
zum Erzähler. Der Gziiebte ist entflammt für Türkisa, die schönste
der Frauen, die irgendwo von einem Prinzen geliebt auf einer
Insel des Indischen Ozeans lebt. Türkisa muß sterben. Der Dichter
kann den Lauf der Dinge, die seine Phantasie gebar, nicht hemmen.
Tage- und nichtelang leidet er unter der Voraussicht dieses Todes.
Vergebens führt man ihn ins Freie. Gesellschaft und Natur be¬
deuten ihm nichts. Er muß nach Hause, sein Werk zu vollenden.
Am Morgen fndet man ihn tot auf der Treppe. Ein Zettel sagt:
# Türkisa ist tot. Alles vorüber.e Noch Heinrich Bermann in
Schnitzlers letztem Roman sieht sich von den Gestalten eines
projektierten Dramas in so lebendiger Weise umringt. Die Phantasie¬
geschöpfe werden übermächtig!, Vergebens schreit der Dichter wie
im Großen Wurstel:
Das Spiel ist aus! Was für ein toller Spuk!
Wer schützt mich vor den eignen Scheingestalten?
Hinweg mit euch. Es ist genug!
Wagt nicht, selbständig hier im Raum zu walten.
Und wenn ich so viel Seel euch eingeblasen,
Daß ihr nun euer eignes Dasein führt,
Ist dies höchst frech und unvernünft'ge Rasen
Der Dank, der meiner Schöpferkraft gebührt!
Wie ist nun dig Allmacht der Gedankeng, wie wir sie als
richtunggebend in der Dichtung erkannt haben, mit der Macht, die
des Künstlers selbstgeschaffene Gestalten auf ihn ausüben, zu
vereinen?
Ich vermute, daß hier die Grenze zu suchen ist, an der
Dichtung und Neurose zusammenstoßen. Wir wissen, daß der
1 Es ist dies ein häufiges Phänomen bei Dichtern. Auch Flaubert,
Balzac, Dickens, Poe, Kleist, E. T. A. Hoffmann berichten davon. Vgl.
„Introjektion und Projektion“ von S. Kovacs im =Zentralbl. f. Psychoanal.e 1912
und Reik =Dichtung und Psychoanalyses, -Pans 1912.