VI, Allgemeine Besprechungen 1, 5, Völker Krieg als Erziehung, Seite 11


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1. Panphle offorints
264 Dr. Karl Völker, Der Krieg als Erzieher zum deutschen Idealismus.
so viele Völker infolge einer gesteigerten Überkultur erlegen seien. Der Krieg
hat gezeigt, daß der starke Idealismus, der die Allgemeinheit beseelt, uns auch
fernerhin lebenskräftig erhalten wird. Schwache sind stark geworden, stark im
Dulden, Hoffen und Ertragen und die Starken leisten, was sie sich früher nie
zugetraut haben. Dieser Idealismus muß festgehalten werden, damit wir nach
dem Kriege nicht wieder in die Mattigkeit von einst verfallen. Aber wie?
Was ist das Geheimnis des deutschen Idealismus? Wir können diese Frage
kurz beantworten. Das Geheimnis des deutschen Idealismus ist das Bewußt¬
sein des Besitzes des deutschen Geistes. Es ist ein Kampf auf Leben und Tod
entbrannt um die Erhaltung dieses wie noch nie zuvor in der Weltgeschichte.
In den Freiheitskriegen vor hundert Jahren kämpften mit uns unsere
Feinde von heute, Rußland und England gegen den einen Übermächtigen,
und die Sachsen mußten erst herübergezogen werden. Heute stehen zum ersten
Male in der Weltgeschichte alle Deutschen, Österreich=Ungarns wie des Reiches,
Schulter an Schulter im harten Ringen um das gemeinsame Erbe der Väter,
und die deutschen Stammesbrüder in den neutralen Ländern begleiten dieses
mit ihren Sympathien und Hilfeleistungen sozialer Art. Was ist deutscher
Geist? Wir lernen seine Art kennen an den deutschen Meistern, über die
Richard Wagner in seiner „Meistersingern“ Hans Sachs die Worte in den
Mund legt:
Was deutsch und echt wüßt' keiner mehr,
Lebt's nicht in deutscher Meister Ehr'.
Was ist die besondere Eigenart des deutschen Geistes? Ein Doppeltes,
ein scheinbarer Gegensatz: tiefste Verinnerlichung und höchste Betätigung, ein
sich selbst Versenken und ein Heraustreten aus sich selbst, ein sich Zurückziehen
in die Welt des Ich und ein sich Betätigen in der größeren des Du und Er.
Keines ohne das andere, beide neben= und durcheinander. Ist das nicht anders¬
wo auch der Fall? Ist diese Doppelart nicht etwas menschlich Selbstverständ¬
liches? Wir müssen hier wohl unterscheiden zwischen innerstem Erleben und
bloßen Seelenstimmungen. Die Franzosen und Russen verstehen es vielleicht
besser, Seelenstimmungen nachzuempfinden und sie wiederzugeben; deutsche Art
ist es, den tiefsten Fragen des Seins, der Seele und des Lebens bis auf den
Grund zu gehen. Kant wie überhaupt die Philosophen des Idealismus sind
nur als Deutsche denkbar. Wir wollen selbstverständlich nicht in den Fehler
verfallen, der gerade infolge des Krieges naheliegt, den anderen Völkern ihre
besonderen Kulturgüter zu schmälern. Aber es gilt, und das ist eine Voraus¬
setzung des Sieges, sich seine besondere Eigenart vollauf zum Bewußtsein zu
bringen. Und diese wird durch jene gekennzeichnet. Aber es ist nicht bloß ver¬
standesmäßiges Erwägen. Das Ganze wurzelt tiefer. Aus dem mystischen Unter¬
grund bricht der deutsche Idealismus hervor, die großen Gedanken, das tiefe
Empfinden, das deutsche Gemüt. Die Erlebnisse in der Tiefe der Seele offen¬
bart der eine in der Sprache des Unaussprechlichen, in der Sprache der Kunst,
in Farbe und Ton, der andere schafft große Gedankengebilde; aber Albrecht
Dürer, Kant und Richard Wagner sind alle in demselben Grunde verankert;
sie sind Propheten eines und desselben Geistes. In eines jeden Deutschen