VI, Allgemeine Besprechungen 1, 6, Josef Körner Spätwerk, Seite 10

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1. BannhOfTDI
der Einaktertrilogie „Komödie der Worte“ wird dies Problem
wird, wie jener durch
im Vorbeigehen berührt. Dort warnt Professor Ormin vor der
änner befällt bei gleichem
trügerischen Einbildung, einen Menschen kennen zu wollen,
trübe Bedenklichkeit. Die
solange uns seine Züge hinter dem Aebeldunst der sogenannten
stellt die Novelle „Die
Erlebnisse verschwimmen. Die Wahrheit von Aureliens Wesen
öricht und hochmütig, ein
liegt nicht in der Wirklichkeit ihrer finnlichen Abenteuer, und
m Schicksal nicht zugleich
wenn sie sich selbst nicht kennt, nimmer weiß, welches die
Allbert von Webeling die
richtige Aurelie ist, die in Unversuchtheit rein Gewesene, oder
fina, trotz aller Warnungen
die in Gysars Orgien Geschändete, so gleicht sie in derlei
ußtsein, daß ihm nur ein
Zweifel und Ungewißheit über sich selbst dem jüdischen Tag¬
rsteht.
schreiber Fliederbusch, der keinen Augenblick darüber zur Klar¬
chwestern. Es ist vielleicht
heit kommt, ob er ein Fliederbusch ist, den es gelegentlich
Stücks, wenn sie dem trotz
juckt, einen Fink zu spielen, oder ein geborener Fink, der nur
schlimmste Verwirrung
durch einen Irrtum des Schicksals als Fliederbusch auf die
hikenir. Die du hier vor
Welt gekommen ist.
diese Augen,
In der Journalistenkomödie bleibt das freilich nur eine
Naske,
witzige Aporie; in der „Komödie der Verführung“ die ohnehin
ar, der
schon zum Bersten voll gestopft ist mit Handsung und Proble¬
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ste
matik, war kein Raum, auch dieses Motiv auszubreiten;
erst in der „Traumnovelle“ bildet es den tragenden Gedanken.
Indem aber die Antithese von Wirklichkeit und Wahrheit für
Schnitzler zum Problem wird, entfernt er sich abermals ein
gutes Stück vom Impressionismus, für den es, gleich wie
für den philosophischen Positivismus der Epoche, neben den
Tatsachen der Wirklichkeit eine metaphysische oder intelligible
Wahrheit nicht gab, und nähert sich expressionistischer Denk¬
und Dichtweise, der es um das Wesen der Dinge geht, um
deren überwirkliche Wahrheit. Freilich, er nähert sich ihr nur,
geht nicht völlig in sie ein. Wiederum bleibt er in der Mitte
stehen, bei der Frage, beim Ob, beim Vielleicht. Die Wirklich¬
keit wird als unbefriedigend, als trügerisch erkannt und herab¬
gesetzt, die Wahrheit aber nur geahnt, nicht geschant. Darum
gleitet der Dichter immer wieder zur bloßen Wirklichkeit zu¬
rück; statt das Wesen der Frau schlechthin zu suchen, ihre
menschliche Würde, erfaßt er sie nur als Geschlechtswesen und
mancher
fährt dergestalt an dem wichtigsten und brennendsten Problem
brechen, sie
unserer Tage eben doch nur vorbei. Er sieht die neue, die
ent¬
freie Frau, aber über den schrecksam begriffenen Nöten ihrer
elie:
Freiheit, über der Wirklichkeit ihrer sexuellen Gefährdung über¬
an
sieht er die Möglichkeiten ihres Aufstiegs zur autonomen
in
Persönlichkeit. Er starrt auf die harte Gegebenheit des Ge¬
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schlechtsunterschiedes, wodurch der Frau ein für allemal ver¬
wehrt ist, es dem Manne gänzlich gleich zu tun, er fragt
nicht, was dem freien Weibe aufgegeben sei, wie sie ihre
Freiheit gebrauchen und nutzen soll zum eigenen und der
Menschheit Heil. Statt dessen verharrt er in der heute schon
überlebten Debatte: ob der Frau Sinnenfreiheit zieme oder
nicht, und indem er solche Frauen gestaltet, die mit ihrer