VI, Allgemeine Besprechungen 1, 6, Josef Körner Spätwerk, Seite 36

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Pamphiets Offorints
ist die Uebereinstimmung
ihres Gatten, und läßt der Fürst den Knaben, den sie ihm gebiert, dort als einen
vellen wendet Schnitzler
jungen Wogelein aufzieben. Und die ganze Stadt findet sich rasch in den so
an, dessen Erfindung
häßlichen Lauf der Dinge, und alle fühlen sich sehr wohl dabei. Tobias Klenk
aber, der noch der Anständigste in dieser ganzen Gesellschaft ist, endet irgendwo
man „Les lauriers sont
am Galgen.
neuestens auch in um¬
i James Joyce, Valéry
Ganz gegen sonstige Gepflogenheit hat Schnitzler diesmal
jnet. Rein technisch ist
nicht bloß einen „Fall“ dargelegt, sondern Geschehnis und
Fortschritt gegenüber
Gestalten in echt epischer Erzählerfreude mit solcher Fülle
ganz gelungen, die
des Details ausgestattet, daß eine genaue Wiedergabe des
ulösen, die Ereignisse,
Inhalts sehr umfangreich würde; wie liebevoll sind z. B.
chen Doktor führen,
die Jugendjahre des Freundespaars Adalbert und Tobias
störende Art in den
ausgemalt, in einer Ausführlichkeit, die der Zusammenhang
Ungeschicklichkeiten ist
des folgenden keineswegs erfordert. Die Silhouette, der
Erzählung ein nicht
„Falte“ der Geschichte aber ist die plötzliche Wendung der
In
der künstlerische
Heldin aus bürgerlicher Wohlanständigkeit in das zuchtloseste
eigert, daß dem
Wünschen.
ist, wie si
Der Herzog, dessen gute Meinung vom Richter noch in
äulein Else
nichts gelitten hat, betritt infolge eines Wagenunfalls Woge¬
auen, die
leins Haus. Agnes, unbewußt ihrem Gaiten seit einiger Zeit
s betrachtet,
schon entgleitend, unbewußt seit lange von dem männlichen
hen, bloß
Bilde des Herzogs erfüllt, reift mit einem Schlage zum Be¬
ennen in
wußtsein ihrer Abwehr und Sehnsucht und bietet sich dem
nur in
Fürsten an. — Liest man die Novelle zum erstenmal, so emp¬
t nur
findet man den Umschwung der Heldin als allzu brüsk, un¬
Figur
motiviert, unmöglich. Genaueres Studium veranlaßt zu
anderem Urteil. Frau Agnes, deren Ehe ohne Kinder blier
chte
deren Gatte auch ihren seelischen Ansprüchen nicht genügen
im
kann, erwacht aus der Dumpfheit schlafender Wünsche all¬
tentar
mählich zur Klarheit. Frühlingsluft und das Gerede von
n sein
den „Gartenmägdlein“ den Lustdirnen des verstorbenen
ist
Herzogs, deren Haus nun aufgelöst wird, erregen ihr Blut
„un¬
und ihre Fantasie zugleich; und einmal auf solche Gedanken
gebracht, sieht Agnes genau so wie Frau Berta Garlan, wie
Jahr¬
Frau Beate, alles in lüsterner Färbung. „=Gartenmägdleins,
len der
das war plötzlich nicht mehr ein Wort, wie es bisher eines
sten
gewesen. Es war ein Bild, das vor ihr emportauchte und
der
dessen Anblick sie süß erschauern machte. Bis zu dieser Stunde
hatte sie es noch nicht beklagt, daß ihr kein Kind geschenkt
en
war. Plötzlich empfand sie es wie einen Schmerz, und im
nächsten Augenblick wurde ein Vorwurf gegen Adalbert dar¬
ver¬
aus." Die neugeweckte sinnliche Glut, die unbewußt doch schan
ind
dem schönen edlen Herzog gilt, wendet sich in ihrer Blind¬
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heit zunächst auf ein falsches, nämlich das nächstliegende Objekt,
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auf den Gatten; das ist der Sinn ihres zärtlichen Empfangs,
rst
sind;
als Adalbert von der verhängnisvollen Gerichtssitzung heim¬
kommt (S. 73), und seine durch schlechtes Gewissen begründete
Eisersucht spürt sofort heraus, daß die stürmische Freude in
Wahrheit nicht ihm gelte, sondern dem Herzog, der im Vorbei¬
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