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Panphlets offorints
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Ganzen zu verbinden. Der Tonfall der Worte wird darum der musikalisch geführten
Melodie weichen müssen und bloß der strengen Wahrung von Wort- und Satz¬
akzent die Hauptaufmerksamkeit zuzuwenden sein. Die Singstimme wieder, der
eigenste Träger und das vollkommenste Ausdrucksorgan menschlicher Empfindungen,
wird zuweilen mit Rücksicht auf ihre Schwesterkunst in ihrer vollen Entfaltung
Einbuße erfahren und diese musikalische Hemmung dann durch das Instrument
wieder ausgeglichen werden müssen. Indem so Ton und Wort, Toninhalt und Text¬
inhalt, Singstimme und instrumentaler Teil gegenseitig durcheinander bedingt er¬
scheinen, indem Dichtung und Musik einander wechselseitig ergänzen, bewußtes
Denken und unbewußtes Fühlen ihre Lücken gegenseitig ausfüllen, entsteht jenes
einheitlich verschmolzene, Geist und Gemüt in gleicher Weise befriedigende Miniatur¬
kunstwerk des Lieder, das von meisterlicher Hand geformt und vom berufenen
Künstler zu tönender Darstellung gebracht, das Herz gleich einer Offenbarung er¬
greift, die Seele zu neuer Ausdauer stärkt und zu neuen Waffengängen ermutigt.
So meint es auch Schumann, wenn er in einer Kritik (über den Liedkomponisten
Bernhard Klein) schlicht und schmucklos sagt: „Das Gedicht soll dem Sänger wie
eine Braut im Arme liegen, frei, glücklich und ganz. Dann klingt’s wie aus himm¬
lischen Fernen.“
ARTHUR SCHNITZLERS KUNSTLERISCHE
ENTWICKLUNG.
(EIN KRITISCHER VERSUCH.)
VON
DR. OTTO FRÖHLICH.
Motto:
„Seltsam im Dunkeln zu wandeln.
Leben heisst einsam sein.
Keiner kennt den andern.
it unseren Lieblingsdichtern ergeht es uns seltsam; immer wieder ver¬
fallen wir ihrem Zauber, ohne das, was uns fesselt, in Worte und Begriffe
kleiden zu können. Freilich, sobald man vom Genießer zum ruhigen
Betrachter wird, sieht man den Poeten und sein Werk in verändertem
Lichte; nicht, was er uns persönlich bedeutet, dünkt uns wichtig, sondern danach
fragen wir, was er der kommenden Generation sein wird. Jeder echte Künstler
trägt sein Teil zur Gestaltung des Weltbildes bei; sein eigenes Ich verblaßt, die
Ideen behalten ihre Macht. Arthur Schnitzler! ein Name, mit dem jeden Öster¬
reicher Erinnerungen verknüpfen, ein Name, der für unsere Heimat wesentlich
geworden ist. Die künstlerische Entwickelung dieses Dichters ist gewiß noch nicht
abgeschlossen. Ein Höhepunkt scheint erreicht, von dem aus man Rückschau
halten darf. Die „Komödie der Worte“ hat er uns jüngst geschenkt. Versuchen
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