VI, Allgemeine Besprechungen 1, 6, Otto Fröhlich, Seite 2


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Panphlets offorints
wir den Spuren des Schaffens von hier aus nachzugehen bis in die Jugendtage;
vielleicht gelingt der Nachweis, das in dem letzten Werke nur jene Motive und
Probleme in reifer Form gebildet wurden, die den Jüngling und den Mann immer
wieder beschäftigten.
In drei Einakter zerfällt die „Komödie der Worte“, „Stunde des Erkennens“:
Ein betrogener Gatte hält über die Gattin verspätetes Gericht; die Rache hat er
jahrelang in seinem Herzen großgezogen, er hat jahrelang eine Maske getragen.
Nun glaubt er seine Frau ganz zu kennen, die Beweggründe ihres Tuns zu durch¬
schauen, den Nebenbuhler seiner Giorie entkleidet zu haben. Ein Irrtum: Ein
Gleichgültiger hinterging ihn; wüßte er das, er könnte verzeihen und den Frieden
seines Hauses wahren. Doch Komödie gegen Komödie: Klara gesteht die Wahrheit
nicht; zwei Menschen gehen voneinander, die ein wahrhaft gemeinsames Leben
führen wollten, in ihrem Innern einander fremd blieben. Sie hatten kein andres
Verständigungsmittel als Worte, Worte. „Der einzelne kann sich zur Not verstellen“,
sagte Ormin, „Doch für menschliche Beziehungen gibt es keine Maske“. Die Ehe
wird getrennt, sie duldet keine Lüge, von Mensch zu Mensch führt keine Brücke.
„Große Szene“: Herboth, der Schauspieler spielt sich und seiner Frau eine meister¬
hafte Szene vor. Wahrheit und Lüge lassen sich nicht mehr scheiden; der betrogene
Bräutigam kann zufrieden sein, denn was ist schließlich „wahr“ was „falsch“? Ein
Wort, leichtbeweglich, dehnbar, dem menschlichen Belieben untertan. Im „Bacchus¬
fest“ gewinnt der Gatte die Frau dem Liebhaber, durch seine Uberredungskunst
ab; kein schwieriges Beginnen, denn der Partner gibt die Partie im Voraus
verloren.
Drei verschiedene Motive werden angeschlagen; das gemeinsame ist, daß in
jedem der drei Stücke das zerbrechliche Material der Ehe auf seine Festigkeit
geprüft wird; Eckholt zieht die härteste Konsequenz, Frau Sophie hält im letzten
Augenblicke noch bei Herrgoth aus, Agnes hat mit dem Gedanken, Staufner zu
verlassen, bloß gespielt und schwenkt ohne viele Bedenken ein.
Die drei Einakter scheinen leicht hingeworfen, ein Spiel; doch welch tiefer
Ernst ist in ihnen verborgen! Der Dichter hat unstreitig mit seiner Ansicht recht
daß das innige stete Beisammensein von Mann und Frau am ehesten den seligen
Kern des Wesens enthüllen muß. Nun kennt einer den andern nicht, meint
Schnitzler, also sind die meisten Ehen nur Scheinverbindungen mit tragischem Ende.
Beide Teile suchen den Partner für die Lebenskomödie zu finden, der in ihrer Seele
zu lesen versteht; deshalb ist der Ehebruch sozusagen in Parmanenz erklärt. Nicht auf
Unmoral, sondern um einer höheren Moral willen: Die Wahrheit soll an Stelle
der Konvention zu Ehren kommen. Sind wir auch gezwungen, Sitte und Brauch
unseren Tribut zu zollen, in unserem Heim muß Ehrlichkeit im Denken und
Fühlen herrschen.
Dies der Allgemeingehalt, der sich aus der „Komödie der Worte“ meines
Erachtens deduzieren läßt. Welche Schlüsse gewinnen wir (daraus für Schnitzlers
künstlerische Eigenart? Als er sein Erstlingswerk schuf, stand plötzlich ein neuer
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