VI, Allgemeine Besprechungen 1, 7, Josef Karl Ratislav, Seite 1


box 36/7
1. PanphletsOffarints
Seite 7
„Die Quelle“
Heft 9 u. 10
Drei Meisterbilder des „Kunstwark“
Verlag von G. D. W. Callwer, München.


*

2
5. Hieronpmus Holzschuher.
Albrecht Dürer: 1. Selbstporträt. 2. Ritter, Tod und Tenfel.
Korl Schönherr und Arthur Schnitzler.
Zwei österreichische Dramatiker.
Von Josef Karl Ratislav, Wien.
aber ist auch als Dichter Arzt geblieben und er
Trotz der fortschreitenden Operettenüberflutung,
hat Bücher geschrieben, die nur ein Arzt schreiben
an der Wien in dieser Saison genug zu leiden
konnte, Schönherr verrät — mit einigen Aus¬
hatte, ist es doch zwei Bühnen gelungen, mit zwei
nahmen — seinen Beruf nicht in so deutlicher Art.
echten Dichterwerken einen unbestrittenen Erfolg
Als Künstler sind beide Dichter gänzlich ver¬
zu erringen, der sich weit über die Grenzen des
schieden, ihre Sphären berühren sich nirgends.
Reiches hinaus fühlbar machte. Das Deutsche
Eine Gegenüberstellung ihrer letzten großen Werke,
Volkstheater hat mit Schönherrs „Glaube
die man in gewisser Hinsicht ganz gut historische
und Heimat“, das Burgtheater mit Schnitzlers
Stücke nennen kann, zeigt vielleicht am besten den
„Der junge Medardus“ bewiesen, daß auch
Unterschied. Schönherr stellt an einigen wenigen
in unserer Zeit ein echt dichterisches Werk noch
Menschen die Tragödie eines Volkes dar, Schnitzler
lebensfähig ist. Für beide Dichter sind diese
gibt eine breitangelegte oramatische Historie, die
Aufführungen von Bedeutung geworden: ihr
in bunten, lebendigen Bildern mit einer Fülle von
Name ist nicht mehr ein unbekannter, sie ge¬
Personen und Geschehnissen an unseren Augen
hören zu den Großen der modernen Lite¬
vorüverzieht. Schönherr gibt einen Kampf zwi¬
ratur. Beide Dichter entstammen dem vielge¬
schen Glaube und Heimat in wenigen auf das
schmähten Österreich.
Außerste zusammengedrängten Akten, Schnitzler
Schönherr, der Dichter der „Erde“, 1868
zeichnet einen zwischen Liebe und Pflicht hin= und
zu Axams geboren, ist ein Tiroler. Aber er blieh
hertaumelnden Jüngling und findet dabei Zeit
nicht ein Heimatskünstler, er wuchs über die Tiroler
genug, eine Unzahl anderer Personen in seiner
Berge empor — zu einer ewigen, über Zeit und
trefflichen Weise zu charakterisieren. Beide Dramen
Ort stehenden Kunst, die sich am schönsten in
haben einen opernhaften Schluß: in Glaube und
„Glaube und Heimat“ erschließt. Schnitzler
Heimat“ zerbricht der wilde Reiter sein Schwert,
galt lange Zeit nur als der Meister des erotischen
unter dem Friedensgeläute der Glocken wird
Einakters. Wie tief aber gerade er, der 1862 zu
Medardus Klähr erschossen „als dieses Krieges
Wien geboren ist, das Wesen Wiens und der
letzter und seltsamster Held“.
Wiener erfaßte, wie er seine genaueste Kenntnis
Karl Schönherr ist im Jahre 1895 mit drei
dieses so eigenartigen Menschenschlages in Kunst
Büchern hervorgetreten, in denen die derblustige
umsetzte, das hat man erst in der letzten Zeit ein¬
Natur des Tirolers vorherrscht und die im Tiroler
zusehen begonnen. Schnitzler und Schönherr sind
Dialekt geschrieben sind. Die „Inntaler Schnal¬
ihrem Beruf nach Arzte und es ist interessant,
zer“ und die „Tiroler Marterln für ab¬
zu verfolgen, wie beide vom Standpunkt des
gestürzte Bergkraxler“ gehören mit der
Künstlers aus sich zu ihrem Berufe stellen. Die
Figur des Acztes kehrt in ihren Stücken immer, trefflichen Sammlung „Allerhand Kreuzköpf“
wieder — besonders oft bei Schnitzler. Dieser zum Besten, was in dieser Art aus Tirol kam.