VI, Allgemeine Besprechungen 1, 7, Norbert Jacques, Seite 4

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1. Panphlets offbrints
das ganze Heldentum zugedacht war, nur der negative unschädliche Trotz
blieb. Ein Anlauf, der in die Luft verschlug.
Aber die Wiener kamen und verstanden, überlegen wie ein auskultiviertes
Volk, in der Bissigkeit dieser Dichtung ihren symbolischen Ernst und ihre
erkennende Wahrheit. Und merkwürdig, sie zeigten die Überlegenheit ihres
Fehlers. Sie schimpften, aber liebten das Theaterstück. Sie machten die
Tragödie von jenes „Kriegs letztem und seltsamstem Helden“ sozusagen zum
Festspiel ihres Volkes.
Wie in ihrem Alltag, so erging es auch bei dieser feierlichen Gelegenheit.
Um das positiv Dichterische der Schicksalsgestaltung ihres Landmanns Me¬
dardus schlang sich in Liebe das Regative des schönen strohfeuerflammige
Wiens, der pikanten Bastardschwester der deutschen Städte.
Chronik: Aus Junius' Tagebuch
Thom gegenwärtigen Kanzler des Deutschen Reiches sprechen, heißt:
X seine Zeit mit der Kririk des Unfruchtbaren töten. Dieses Geschäft
überlassen wir neidlos der Tagespresse; die kann ja nicht umhin, die
Unzulänglichkeiten des deutschen Geschäftsführers zu buchen, und darf nicht
müde werden, solche täglich anschwellende Schädlichkeit bloßzustellen. Man
muß aber feststellen, daß die Schwäche des Mannes anfängt ein Talent
zu werden. Lindequist, der nicht in den Kongosumpf steigen wollte (der,
um nutzbar zu werden, mehrere Hundertmillionen verschlingen wird), wird
beseitigt; Wermut, der schon gerühmt werden mußte, weil er den Reichs¬
haushalt nach den elementarsten kaufmännischen Regeln verwaltete und die
Deckung der neuen Wehrlasten nicht auf schwankende Überschüsse gründen
wollte: Wermut muß fort. Beide werden brüsk und in allen Formen der
Ungnade entlassen. Die Nation sieht diese charaktervollen Männer in die
Anonymität untertauchen, in die, nach deutschem Mißbrauch, vorher Bülow,
Posadowsky, Dernburg gedrängt wurden, und ihre Stellen an ältliche Be¬
amte vergeben, denen von den Offiziösen eine unbemakelte Bureaukraten¬
tüchtigkeit nachgerühmt wird. Als ob er, der wächserne, der eiserne Kanzler
wäre, dessen Herrscherwille nur Werkzeuge brauchen, keine Mitarbeiter
dulden konnte. In dem Bundesrat rührt sich die Opposition gegen
Preußens Führung, besonders seit der kluge Freiherr von Herrling das
kacholische Bayern auf sehr katholische Weise vertritt. Er will die erweiterte
Erbschaftssteuer nicht, weil das Zentrum sie nicht will. Nun mag auch der
Kanzler sie nicht mehr, die er kurz vorher als Beitrag zur Deckung der
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