VI, Allgemeine Besprechungen 2, 1901 Sosnosky Jung Wien, Seite 7


Eeitig
zür Kordbeutschen
Pen
Nr. 22.
Berlin, Sonnabend den 26. Januar
S.=A. 7 Uhr 54 Min.
M.=A. 9 Uhr 58 Min. V.
spielerin. IX. Schauspielerin und Graf. X. Graf und
4. Das Salböl au
S.=U. 4 Uhr 32 Min.
M.=u.
Uhr — Min.
Dirne. Mit der Dirne beginnt, mit der Dirne schließt also
Der todten alt
dieser klassische Reigen, der in so geistvoller Symbolik den
Laß lächelnd ih
Was Du theurer bezahlst, die Lüge oder die Wahrheit?
Kreislauf der Sinnenlust zum Ausdrucke bringt. Trotz seiner
An Adler, Lan
Jene kostet Dein Ich, diese doch höchstens Dein Glück.
starken Erotik thäte man dem Buche jedoch bitter Un¬
Er lächelt der
recht, wenn man es bloß als pornographische Spielerei,
Hebbel.
Die schwebend
als „pikante Lektüre“, „nur für Herren“ ansähe; es ist weit
Abgründe und
mehr, es ist ein Kunstwerk in seiner Art, das es an fesselndem
Des Lebens tr
77*)
Reiz mit den besten Stücken aus Prévosts „Lettres de femmes“.
Man sollte einen Preis au
„Jung=Wien.
aufnehmen kann, an Tiefe und Wahrheit sie aber zumeist
lingt diesen Tiefsinn zu ergrü
Studienblätter von Theodor v. Sosnosky.
übertrifft; es ist ein Buch, in dem sich die Erotik zu klassischer
der Konkurrenz keineswegs aus
Höhe aufschwingt und das es sowohl als Kunstwerk wie als
Wenn dieses Gedicht der
[Nachdruck verboten.]
sittengeschichtliches Dokument verdiente, für die Nachwelt ein
ist, wer darf dann noch die al
Dankt Schnitzler seinen Ruf auch seinen dramatischen
bleibendes literarisches Denkmal zu werden, wie es Boccaccios
Verse verspotten: „Im Schatte
Werken, so ist das doch keineswegs als Beweis dafür anzu¬
„Decamerone“ ist, aber mit mehr Recht. Man komme nur ja
Unverstand mit Wehmuth zu
sehen, daß er als Dramatiker höher steht denn als Novellist;
nicht etwa mit dem landläufigen Einwand, das Thier im
griff“?] Die Weisheit jener Ve
das ist nur der Beweis für die bedauerliche Thatsache, daß
Menschen dürfe nicht zum Gegenstande der Kunst gemacht
Verstand sie garnicht zu ergründ
das liebe Publikum vor einem Autor in der Regel erst dann
werden u. dergl. m. In der Kunst gilt nur ein Grundsatz:
aks geradezu mustergültigen Un
Respekt bekommt, wenn er „aufgeführt“ wird. Das im onirt
„Tous les genres sont bons hors le genre ennuveux“, und
ders kann man das bezeichnen
ihm, da merkt es sich den Namen, den es auf dem Bücher¬
man braucht nur die berühmtesten Namen der Weltliteratur
Suchen keinen Sinn finden
umschlag kaum beachtet.
zu nennen, um jene Moralkeifer ad absurdum zu führen:
freilich anderer Ansicht, er ärg
Thatsächlich aber ist Schnitzlers Eigenart keineswegs für
Homer (in der berühmten Szene, wo Hephaistos seine ungetreue
einem Gedichte durchaus einen
die Bühne geschaffen; sie ist dazu viel zu fein, zu psychologisch,
Gattin Aphrodite in Ares' Armen überrascht), Ovid, Catull,
aus diesem Anlaß: „Die leute
zu erotisch; daß es ihm bennoch geglückt ist, sich die Bühne zu
Walter von der Vogelweide („Unter der Linde"), Goethe
dicht was sie den „eigentlichen
erobern, zeugt nur für sein technisches Geschick. Seiner Be¬
(Römische Elegieen, Brautnacht, Braut von Corinth), Byron,
affen die auch immer mit der
gabung aber entspricht das Gebiet der Erzählung weit besser,
Heine, Zola, Maupassant: sie Alle sind in ihren Werken der
fahren als müsse dort ein kör
und zwar das der Novelle, nicht des Romans, (denn für dieses
Erotik durchaus nicht aus dem Wege gegangen! Nur darauf
der Originalorthographie und
hat sie zu wenig Kraft und ist sie zu einseitig). Eigentliche
kommt es an, daß das Fleisch durch den Geist geadelt werde!
gegebene Ausspruch läßt tief
Novellen hat er freilich nur wenige geschaffen, darunter die
Beurtheilung seiner Dichtung
mit dem Wissen des Arztes und der Psychologie des Dichters
Noch nicht so bekannt wie Bahr und Schnitzler, aber auf
Danke verpflichtet, denn wir
geschriebene Erzählung „Sterben“ und die Novellen „Ab¬
dem besten Wege, es zu werden, ist Hugo v. Hofmanns¬
ängstlich zu hüten haben, in
schied" und „Die Todten schweigen“ in der Sammlung „Die
thal. Rascher als er ist wohl noch Niemand zu seinem
zu forschen — es wäre ja me
Frau des Weisen"**), die alle drei höher stehen, als
Rufe gekommen, und ganz sicher nicht leichter. Er besaß ihn
Uebrigens muß der Gerechtigkei
seine Bühnenstücke.
Auch seine Einakter=Sammlung
schon, ehe er ein Buch veröffentlicht hatte, er war — in
ben, daß doch nicht alle D
1
seiner novellistischen
„Anatol“ muß man eigentlich
einer Hyperbel gesprochen

berühmt, bevor er etwas ge¬
klassische Höhe des Unsinns er
Thätigkeit rechnen. Denn es sind keine Bühnenstücke, wenn
schrieben hatte. Auch heute, wo sein Lob doch schon in allen,
Hätte Max Nordau, als
sich auch einige aufführen lassen, sondern im Grunde nichts
meist den höchsten Tonarten posaunt und getrommelt wird,
Hofmannsthal schon gekannt,
Anderes als Novelletten in dramatischem Gewande. Gerade
besteht sein
ganzes literarisches Gepäck aus einigen
exemplar für seine Theorie au
diese künstlerische Ausdrucksform scheint ihm die liebste zu sein,
dramatischen Szenen, die allenfalls als Einakter gelten
sich Mystizismus und „Echola
sie ist es vielleicht, weil er weiß oder unbewußt fühlt, daß sie
einer unbekannten Anzahl von
können, und
mit Verachtung geht er jedem
die seiner Eigenart angenehmste ist.
dichten, die noch nicht in Buchform erschienen sind.
und ängstlich flieht er das
Er hat sie auch in seinem jüngsten Buche wieder an¬
Man sollte meinen, das wäre denn doch nicht genug, um ge¬
nur im verschwommenen
gewendet, und zwar mit der denkbar besten Wirkung, denn er
feiert zu werden, zumal in unserer Zeit; es müßten diese Traumwelt, wo nichts mehr
hat bisher nichts geschrieben, was so durchaus eigenartig und
spärlichen Proben denn ein Genie verrathen. Hofmannsthal unbestimmte, absonderliche Fo
fesselnd wirkt wie dieses Buch. Es ist daher sehr zu bedauern,
ist nun freilich eines; so behaupten wenigstens seine Verehrer, esich heimisch und wohl.
daß das Publikum sich vorläufig davon nicht selber überzeugen
glauben braucht man's aber darum nicht. Man hat ihn
mystischen Atmosphäre empfind
kann, denn es ist mit Ausschluß der Oeffentlichkeit erschienen. In
sogar mit Goethe in Zusammenhang gebracht und behauptet,
mit der Sorgfalt einer sich sch
Anbetracht des stark erotischen Themas einerseits und der zur
berechnete Worte.
er stehe unter dessen Einfluß. Das mag richtig sein; aber
Zeit herrschenden Stimmung hat der Autor es nämlich für
wenn es wahr ist, dann ist es nicht so sehr der Goethe, der
Diese Worte aber haben
rathsam gehalten, sein Werk nicht der Oeffentlichkeit zu über¬
den ersten Theil des „Faust“ geschrieben, als vielmehr der,
imponiren ihnen: „Gewöhnli
geben und damit die Beschlagnahme des Buches und gehässige
welcher „der Tragödie dritten Theil“ geschrieben hat: „Deuto¬
nur Worte hört, es müsse
Anfeindungen heraufzubeschwören; er hat es vielmehr vor¬
bald“, „Symbolizetti“, „Allegorowitsch Mystificinski“
lassen.“ Mit den Versen Hofn
gezogen, das Werk als unverkäufliches Manuskript in der be¬
liche Bewandtniß wie mit#
Von welchem geistigen Kaliber dieses „Genie“ ist, das
schränkten Anzahl von 200 Exemplaren drucken zu lassen und
gleichnamigen satirischen Mär
wird einleuchtender als jede Erörterung folgendes Gedicht
in seinem Bekanntenkreise zu vertheilen. Dank der so sehr im
losen Feigheit und Meinuna
beweisen:
Schwange stehenden (Un¬) Sitte des Bücherverleihens ist es
Hofmannsthal seinen — alle
1. Den Erben laß verschwenden
natürlich von Hand zu Hand zu Hand gegangen, so daß sein
beschränkten — Erfolg.
An Adler, Lamm und Pfau
Dasein längst kein Geheimniß mehr ist und man nicht mehr
Das Salböl aus den Händen
Wer sich durch das ver
Gefahr läuft, indiskret zu erscheinen, wenn man darüber schreibt.
Der todten alten Frau:
vermögen nicht beirren und
Das aber kann man, wofern man kein Mucker ist, mur
Die Todten, die entgleiten,
ger Furcht, für rückständt
usche
im günstigsten Sinne thun.
Es ist ja gewiß kein
Die Wipfel in dem Weiten,
jede literarische Mode mitmac
Buch für junge Mädchen (d. h. keines, das man
Ihm sind sie wie das Schreiten
hellen Kopf, ein scharses Aus
solchen in die Hand giebt — gefallen würde s ihnen
Der Tänzerinnen werth.
der wird über diesen gepri
jedoch ganz außerordentlich), und keines für alte Jungfern,
2.
Er geht, wie den kein Walten
müssen, das wesentlich ande
denn das Thema ist, wie schon erwähnt, nicht eben
Vom Rücken her bedroht.
Freunden. Wer in das i
von vestalischer Keuschheit. Es sind zehn Dialoge, die, an sich
Er lächelt, wenn die Falten
thalschen Dichtungen keck hine
ganz selbstständig, doch zusammen ein Ganzes bilden, das den
Des Lebens flüstern: Tod!
nur darum so geheimnißvoll
kennzeichnenden Titel „Reigen“ führt. Es kommen darin
Ihm bietet jede Stelle
sie im Dunkeln leben. Im
zehn Personen vor, mit denen der Autor durch sorgfältig ge¬
Geheimnißvoll die Schwelle,
hat wohl schon Jeder an i
wählte Permutationen zehn zärtliche Téte-à-téte's herstellt, von
Es giebt sich jeder Welle
die körperlichen und die ge
denen jedes in einer Schäferstunde gipfelt. Er thut dies
Der Heimathlose hin!
tastische Gestalt an, die uns
folgendermaßen: I. Dirne und Soldat. II. Soldat und
dem ersten Tagesschimmer der
3. Der Schwarm von wilden Bienen
Stubenmädchen. III. Stubenmädchen und junger Herr.
Nimmt seine Seele mit,
Alles wieder sehen, wie es
IV. Junger Herr und junge Frau (eines Andern). V. Junge
Das Singen von Delphinen (!!!)
Hofmannsthal: seine Wirkung
Frau und ihr Gatte.
Gatte urd Süßes Mädel.
Beflügelt seinen Schritt:
er bestehen; darum liebt
VII. Sühes Mädel und Dichter. VIII. Dichter und Schau¬
Ihn tragen alle Erden
dunkeln Empfindungen und
Mit mächtigen Gebärden,
vielgerühmte Schönheit seiner
Vergl. Beilage Nr. 17a.
Der Flüsse Dunkelwerden
Kritik nicht Stand zu halten:
**) Sterben. Novelle. 1895.
Die Frau des Weisen.
heit der Sprache doch nur d
Begrenzt den Hirtentag!
Novellen. 1898. Beide Berlin. S. Fischer.
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1
Jadwiga in ihrer ganzen Größe zu kennen, doch dieser To¬
lassen und lag nun so still da