2. Guttings box 37/2
#e I. Frike
Wiener sein. Der Wiener schwört auch
hs Herr
darauf, dass sein Bestes noch kommt, und
hrte uns
was hat dieser Rufer im Streit, dieser geni¬
nden
ale Selbstbeweihräucherer, dieser Marquis
chenden
der Pose, dieser burschikos-übermüthige
nnen
Weiber- und Federheld schon alles bis dato
geleistet? Ein Verdienst wird man ihm nicht
rauben: er hat den jungen Kollegen den
Rücken gestärkt, ihnen einen Sammel- und
Mittelpunkt gegeben und die Ueberzeugung
beigebracht, dass Jung-Wien nicht den An¬
schluss an Jung-Berlin braucht, um etwas
Gutes aus sich zu machen. Fraglos ist er
ein wenig Poseur, etwas „Fatzke,“ wie die
an der Spree sagen würden, und ich glaube,
die Wiener wissen das am besten; aber
trotzdem nehmen sie ihn ernst, denn sie
ein
wissen, er ist ein geborener Führer,
Mann des Aufsehens und Erfolges, ein
Pionier, der den anderen die Wege ebnet,
der goldene Brücken schlägt und Ruhmes¬
tempelchen baut, er ist der Mann, der das
Wienerthum unter die Leute gebracht hat und
us,
bringt — wer weiss, wie sehr noch. Freilich,
er steht nicht allein, und die um ihn über¬
ragen ihn des Oefteren sogar an Dichtergrösse
n.
und natürlicher Begabung. Da ist zum
nd
Beispiel J. J. David, der eine Art Uebergang
von (den Aelteren zu den Modernen bildet,
der köstlich-sensitive Peter Altenberg, der
zle
mehr den Duft der Dinge als die Dinge
des
wiedergiebt, da ist Hugo von Hofmannsthal,
stadt
der wundervolle Verseschmied, da ist vor
spielt,
allem Arthur Schnitzler. Gar so lange ist
kleinen
es noch nicht her, dass man in Wien
natol“)
lächelte, wenn man von dem Doktor medi¬
r uns
cinae Arthur Schnitzler sprach, der ein Sohn
Mädel“,
seines Vaters sei, und, wie es heisst, auch
nd von
Verse mache; man spöttelte wohl, dass er
ersteht
unter den Dichtern ein guter Arzt und
Seufzer
unter den Aerzten ein guter Dichter sei. Das
es hat.“
wurde mit einem Schlage anders, als Schnitzlers
eeine
Drama „Liebelei“ erschien, die Tragödie des
aussichtslosen Liebesverhältnisses, eine echt
herab¬
Wiener Dichtung, die aber überall gefiel und
er Zur
überall aufgeführt wurde. Vorher war
seinen
„Anatole“ erschienen, eine Serie von Vorhang¬
n, sein
lüftern, dramatischen Situationen und Dialogen,
arob in
durchweg etwas dekadent, aber prächtig in
sbricht,
ihrer Naturwahrheit und von einem be¬
„Misse-
strickenden Stimmungsreiz. Das' Neue in alle¬
ne Sen¬
dem war die Entdeckung der Vorstadtstube
netes
mit dem „süssen Mädel“ — das ist eine
rkung,
Wiener Bezeichnung, auf die Sache aber ver¬
errn
stand man sich in der ganzen, wenigstens in
ns an
der halben Welt. Gleich würde man die Nase
Ger¬
rümpfen über Arthur Schnitzler, wenn er nicht
mehr gekonnt hätte. Aber er konnte mehr
gsber
Er schrieb den „Grünen Kakadu“, eine
meisterhafte Darstellung der Revolution im
kleinsten Duodezformat, und seitdem glauben
auch die anderen, die Nicht-Wiener, dass
Schnitzler der Welt noch viel zu sagen hat;
nennt man die besten Namen, wird auch der
seine genannt.
Das sind ein paar Ausschnitte aus der
jüngsten Wiener Litteraturgeschichte, über die
uns gestern in der Litterarischen Gesellschaft
Herr Marcell Salzer ein kleines, ungemein
anregendes Kolleg las. Es war keine Ka¬
thederweisheit, keine Dogmenlehre, nur eine
war,
Plauderei, die aber um so förderlicher
je einfacher und spontaner sie sich gab. Und
der liebenswürdigen theoretischen Unter¬
weisung folgte sogleich ein Praktikum, und
dieses war sogar bei weitem die Hauptsache.
Denn Herr Salzer recitirte seine Landsleute
Ju
mit einem Schwunge, einer Natürlichkeit und
Liebe, wie es eben nur ein Landsmann ver¬
mag, Wir standen ganz unter dem Zauber
1.
dieser Dichtungen und glaubten, Wiener Luft
ben im
zu athmen. Gedichte von David, Hugo von
as, das
Hofmannsthal und Anton Lindner leiteten die
gewinnt,
beiden Theile ein. Peter Altenberg war durch
etwas
ein paar Skizzen seines prächtigen Büchleins
Prisches,
„Wie ich es sehe“, Hermann Bahr durch
isches“.
eine Humoreske „Die schöne Frau“ vertreten,
tsteller-
die Herr Salzer von A bis Z auswendig, oder
echtem Humor durchwentes Lebens- und Herzen nachempfinden und durch seinen
Sittenbild von Chr. G. Morgenstern, der etwas
Vortrag dieselbe Wirkung dem Hörer über¬
abseits von der sensitiven Richtung der
mitteln. Er wird darum auch immer nur
solche Werke vortragen, für die er sich
jüngsten Wiener Dichterschule zu stehen, im
selbst wirklich begeistern kann. Und der
Uebrigen ihrer aber durchaus würdig zu
sein scheint.
Hörer seinerseits wird stets die Echthleit dieser
Begeisterung fühlen, und was vom Herzen
Alles in Allem war „Jung-Wien“ einer
kommt, wird auch bei ihm den Weg zum
der unterhaltendsten und anregendsten Abende
Herzen nicht verfehlen.
der Litterarischen Gesellschaft — Dank der
Die Gesellschaft (Leipzig, Juni 96).
reichen und schönen Spenden dieser Poeten
Marcell Salzer wusste. seiner Kunst die Weihe
und der vortrefflichen Charakterisirungskunst
des Augenblicks zu geben. Er las mit
Ihres Interpreten.
flehender, hilfloser Stimme, mit visionären
Landauer Anzeiger (25. 1. 99). Herr
Augen. Aber er wusste auch um das wahr¬
Marcell Salzer ist ein höchst gewandter Re¬
haft erschütternde Lebenssegment einen 8o
citator, dessen echt österreichische Gemüth¬
intensiven Flor süssdustender Stimmung zu
lichkeit dem Vortrage von vornherein eine
spinnen und mit dem Tone des Frühlings,
gewisse Wärme giebt. Seine Ausdrucks¬
des Furchtbaren und der Versöhnung so
fähigkeit ist erstaunlich. Wie köstlich ge¬
suggestive Gefühlsschauer zu erzwingen, dass
lang ihm z. B., um nur eins zu erwähnen,
sich das Lauschen fast wie zu einer An¬
das Liliencron'sche Gedicht mit seinem, Halli
dachtsstunde gestaltete.
und Halloh! Die Zuhörer lachten und
Leipziger Neueste Nachrichten (11. 12.
klatschten Beifall ohne Unterlass.
1898). Auf Veranlassung des Landes¬
Landauer Zeitung (2. 11. 58). Der auf
verbandes der „Gesellschaft für Ver¬
gestern anberaumte Vortrag des Gewerbe¬
breitung von Volksbildung“ trug der
vereins im Theatersaal war sehr gut be¬
in Deutschland wie in Oesterreich rühmlichst
sucht, so dass schon lange vor Heginn der
ekannte Recitator Herr Marcell Salzer aus
Saal dicht besetzt war. Man hat offenbar
Wien Dichtungen reichsdeutscher und öster¬
reichischer Poeten vor. Hatte er mit ersteren
gesetzt, und dieselben rechtfertigen sich denn
schon stürmischen Beifall gefunden, so ge¬
auch in der glänzendsten Weise. Im 2. Act
wannen seine Vorträge aus den öster¬
der „Weber“ wird uns in tief ergreifender
reichischen Dialectdichtungen vollends die
Weise die bittere Noth und Armuth einer
Herzen der Zuhörer. Meisterhaft beherrschte
Weberfamilie geschildert. In meisterhafter
er sowohl die Stimme, wie intimes Geberden¬
Weise brachte Herr Saizer diesen Act zum
und Mienenspiel, so dass man die handelnden
Vortrag. Unübertrefflich zeigt sich der Re¬
Personen vor sich zu haben meinte.
citator besonders darin, dass er es verstcht,
Lemberg. „Militär-Wissenschaft¬
ebenso das schwache Hüsteln eines alter¬
licher
und Casino-Verein in Lem¬
gebeugten Greises nachzuahmen, wie den
berg“ (2. 2. 97). Euer Wohlgeboren! Es
wilden, gellenden Verzweillungsschrei eines
gereicht mir zum Vergnügen, zu constatiren,
lebensmüden Weibes. Doch wenden wir uns
dass Ihre am 28. Jänner 1897 im hiesigen
lieber den erheiternden Humoresken zu, mit
Militär-Wissenschaftlichen und Casino-Vereir
denen uns Herr Salzer reichlich bedacht hat.
abgehaltene Recitation ungetheilten Beifall
Besonders gefiel hier die unübertreffliche
fand. — Das reichhaltige Programm war mit
Darstellung der „schönen Frau“, die von
Rücksicht auf das aus den Mitgliedern des
dem unter den Launen der Gemahlin arg
Casinos, deren Familien und geladenen
leidenden Gemahl in so vorzüglicher Weise
Gästen bestehende sehr zahlreich- Auditorium
ironisirt wird. Diese Proben mögen genügen,
sehr geschickt und mit feinem Geschmack
um unsern Lesern zu zeigen, dass wir gestern
zusammengestellt. Ich wünsche Ihnen für die
Abend einen Kunstgenuss erster Güte hatten.
Zukunft gleiches Gelingen.
Es ist daher nicht zu verwundern, wenn sich
Mit dem Ausdrucke meiner Werth¬
am Schlusse jeder einzelnen Leistung wahre
schätzung
Beifallsstürme entfesselten, die am Schlusse
Der Vereins-Präses
des ganzen Vortrages eine förmliche
Plentzner
Ovation darstellten.
K. u. k. Feldmarschall-Lieutenant.
Landshuter Zeitung (10. 12. 98). Man
versprach sich von dem Wiener Marcell
Ueber die Lemberger Vorlesungen
Salzer einen besonders amüsanten Abend.
Marcell Salzer’s vom 4. u. 5. Januar 1898
Und man fand sich auch nicht getäuscht.
schreibt Herr Universitäts -Professor
Herr Salzer verstand es, durch seine Vor¬
Dr. Karl Maria Werner im Märzheft der
tragskunst seine Zuhörer bald „bis zu
„Gesellschaft“ (Berlin 1898): Salzer’s
Thränen zu rühren“, bald zu unbändiger
Vorzüge sind ein ganz schlichter Vortrag,
Heiterkeit mitzureissen.
ein künstlerisches Abtönen und Masshalten,
Kurier von Niederbayern (Landshut,
ein leichtes, fein pointirtes Sprechen, ein ge¬
10. 12. 98). Herr Marcell Salzer, eine Sym¬
wisser prickelnder und picanter Reiz im
pathische Erscheinung, gewann durch die
Detail, vollständige Gewalt über seine
lebenswarme Natürlichkeit seiner Vortrags¬
Stimme, Beherrschung des Hochdeutschen
weise seine Hörer im Flug.
wie der Dialecte, und nicht zum Wenigsten
Leipzig (Vorlesung vom 20. 11. 96 in
litterarisches Gefühl und geschmackvolles
der
„Litterarischen Gesellschaft“).
Verständniss bei der Auswahl der Vortrags¬
Magazin für Litteratur (Berlin, 28. 11. 96).
stücke. Wir Deutschen in Lemberg, die wir
Marcell Salzer versteht, im Gegensatz
kein Theater besitzen, danken Salzer doppelt
zu seinen Collegen, das, was er liest. Er
für den Genuss.
gab in seiner Einleitung ein kurzes Feuilleton
Przeglad (Lemberg, 8. 2. 98). Wiedenski
über die jungen Wiener Autoren, in dem
deklamator Marceli Salzer odczytal onegdaj
leichten, preciösen Stile, den er von seinen
slynny dramat Halbego „Mlodosé“.
Freunden gelernt hat. Dann las er die
przeciwienstwie do Strakoscha jest Salzer
Dichtungen. Er las mit Temperament, mit
reprezentantem nowej szkoly deklamatorskiej,
feinen und feinsten Modulationen seiner
czyta naturalnie, bez przesady, a podkresia
schmiegsamen Stimme, in sorgsam durch¬
subtelne intencye pocty, kladzie nacisk na
empfundenem Verständniss für die zarten,
psychologie osöb i sytuacyi, i stara sie w.
zerbrechlichen Stimmungen, die er uns
publicznosci wywolac nie bezposrednie
suggerirte.
wrazenie za jakakolwiek cene, lecz zaintereso¬
Leipziger Tageblatt (24. 11. 96.) —
wanie sie samem dzielem i zrozumienie go,
Herr Marcell Salzer verstand es vortrefflich,
co potem posrednio wywoluje wrazenie
die verschiedenen Werke zu charakterisiren
trwalsze i glebsze. P. Salzer jest jeszcze z
und das zahlreich erschienene Publikum hat
innego wzgledu osobistoscia bardzo interesu¬
durch Jung-Wien noch Jung-Berlin und Jung¬
jaca, gra on bowiem w nowozytnej literaturze
Leipzig kennen gelernt.