VI, Allgemeine Besprechungen 2, Marcel Salzer Programmheft, Seite 28

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Platz gefüllt, als der Recitator, dem ein so
ist es sehr verdienstvoll, die prächtigen Ge¬
guter Ruf vorangegangen war, ihn betrat.
dichte Detlev v. Liliencron's in weiteren
Wir dürfen nun mit Vergnügen hier
Kreisen bekannt zu machen.
sagen, dass uns Herr Salzer einen grossen
Berner Tagblatt (7. u. 12. 10. 99). Einen
Genuss bereitet hat. Was uns über ihn be¬
herrlichen Abend hat der noch junge Wiener
richtet worden war, hat sich hier in Basel
Recitator Marcell Salzer, der sich bereits
bewahrheitet: Marcell Salzer ist wirklich ein
eines hohen Rufes im gesammten deutschen
Vortragskünstler, der sich mit Feinfühligkeit
Sprachgebiet erfreut, seinen Zuhörern im
in das Wesen von Dichtwerken hineinzu¬
Palmensaal bereitet. Hier tiefer, unheilbarer
finden vermag. Das zeigte sich schon im
Seelenschmerz, dort übersprudelnder Froh¬
ersten Stück, der gemüthstiefen Novelle „Das
muth, da behagliche Lebensfreude, da die
Orakel“ von Wildenbruch, die der Recitator
Zuckungen wilder Leidenschaft, alles wusste
in derjenigen Einfachheit und Innigkeit hin¬
der geniale Recitator in einer Weise wieder¬
erzählte, aus der sie Wildenbruch heraus¬
zugeben, die stets des gewollten Effectes
gedichtet hat. Dann kar Lyrik. Von
sicher war. Es war ein durchaus un¬
G. Keller bot uns Herr Salzer das frohe
gekünstelter Vortrag von Anfang bis zu
„Denker und Dichter“ und das edie „Jung
Ende, aber von einer dramatischen Lebendig¬
gewohnt, alt gethan“ in schöner Vollendung.
keit, die schwer zu überbieten sein dürfte.
C. F. Meyer war mit dem „Hochzeitslied“
Alle Register lässt er spielen, vom blasirt¬
und der Ballade „Mit zwei Worten“ ver¬
frivolen Ton der Wiener Mondaine bis zum
treten. Der dritte Lyriker dieser ersten Ab¬
übermüthigen Jauchzen des Naturburschen
theilung war Detlev von Liliencron: „Das
vom Schlage eines Detlev von Lilieneron und
Gewitter“, „Bruder Lüderlich“ und „Die
die nervöse Beweglichkeit dieser Litteratur
Musik“ gaben da Herrn Salzer Gelegenheit
spiegelt sich auf's interessanteste im Mienen¬
zur Entfaltung seines besten Könnens; noch
spiel des Vortragenden. Ein besonderer
Liebling des Recitators scheint Liliencron zu
nie haben wir lachende Schalkhaftigkeit,
tollenden Uebermuth und unbändige Lebens¬
sein; die sinnliche Frische und den musi¬
kalischen Wohllaut dieses Poeten hat er denn
lust besser, echter, hinreissender wieder¬
auch prächtig zur Geltung gebracht.
gegeben gehört. Prachtvoll war auch, wie
Herr Salzer, z. B. im dritten Gedicht, die
Bern: Intelligenzblatt (7. u. 10. 12. 99).
Tonmalerei zur Geltung brachte. Dann kam
Der Recitator Marcell Salzer hat in seinem
Hermann Bahr an die Reihe. Bahr hat
gut besuchten Debüt sich Bern ganz erobert.
Mit jeder Nummer des fein ausgewählten
nichts Tiefes zu sagen, aber um so Vergnüg¬
Programmes wuchs in den Zuhörern die
licheres. In seiner Humoreske „Die schöne
Frau“ ist ein Stück leichtlebigen Wiener¬
Ueberzeugung, einen Meister seiner Kunst
thums festgehalten, und Marcell Salzer, der
vor sich zu haben. Herr Salzer legt in Ton
sein Wien im Innersten kennt, hat dieses
und Sprache so viel, dass die Zuhörer nicht
nur gefesselt, sondern hingerissen werden
in heller Freude und neckischer Schönheit
und ganz unter dem Eindrucke der vor¬
angelacht hat.
getragenen Werke stehen. — Bei seinem
Der zweite Theil des Programms war
zweiten Auftreten konnte Herr Salzer mit
Goethe gewidmet. „Der Gott und die Baja¬
Genugthuung constatiren, dass er sich die
Herzen der Berner im Sturm erobert hat,
jadere“ für uns persönlich die ergreifendste
denn kaum vermochte der Grossrathssaal das
Ballade des grossen Dichters, eröffnete die
zahlreich herbeigeströmte Auditorium zu
Serie. Wir dürfen sagen: es geschah mit
fassen. Auch die auswärtige Lehrerschaft
grosser Kunst; dann kam die liebenswürdig
hatte sich die seltene Gelegenheit, einen
humoristische „Wirkung in die Ferne“: „Die
Königin steht im hohen Saal“, dann „Der
Künstler ersten Ranges in der Recitation zu
getreue Eckart“ diese so herzig einfache und
hören, nicht entgehen lassen. Die Auffassung
doch von den Schauern der Gespensternacht
und Wiedergabe des neuen Programms war
auch diesmal wieder meisterhaft, namentlich
Sachen hat Marcell Salzer den ihnen eigenen
aber übten die humoristischen Vorträge eine
Ton gefunden und hat sie uns dargeboten in
wahrhaft elektrisirende Wirkung auf die
all ihrer Frische. Nochmals kam dann Wien
athemlos lauschende Menge aus, die durch
brausenden Beifall den Genuss des Ge¬
dran mit Chr. G. Morgenstern’s Lebens- und
botenen belohnte. Möge der beliebte Re¬
Sittenbild „Das Pferd“, einer naturalistischen,
in ihrem Schluss aber doch innerlich be¬
citator den Weg nach Bern recht bald
wieder finden.
wegenden Studie, der der Künstler in allen
Biel: Tagesanzeiger für die Stadt Biel
ihren Theilen völlig gerecht wurde. Ton und
Stimmung wirkten. Den Schluss machte
und das Seeland (21. 1. 99). —— Der Saal
war drückend voll. Das Programm war aber
Rosegger. Da zeigte nun Herr Salzer, wie
gut er auch den Dialect beherrscht. Die
auch verheissend und Neugierde erweckend;
es wies Namen der besten modernen Dichter
ganze Ursprünglichkeit des Steirischen kam
heraus, als er die höchst gelungenen Anec¬
auf, deren Werke für ein grösseres Publikum
noch den Reiz der Neuheit besitzen. —
doten „Ein wissenschaftliches Gespräch“ und
„Der Regenschirm“ zum besten gab.
Besonders die Lyrik Detlev von Liliencron’s
Wir sind also mit den besten Eindrücken
gab Herrn Salzer Gelegenheit, seine glänzende
Vortragskunst nach allen Richtungen leuchten
aus dem Saale zu Schmieden weggegangen,
zu dassen. Am meisten angesprochen hat
und wir glauben Herrn Salzer versichern zu
uns „Das Gewitter“ mit dem köstlichen Re¬
können, dass er mit seinem Debut sich das
Baseler Publikum gewonnen hat. Er soll
frain „Wo die rothen Kühe grasen“, den
nur wiederkommen; er wird dann sehen, wie
Herr Salzer so fein interpretirte, dass ihm
der Dichter dafür danken müsste. Hermann
gern die Freunde, die er sich am Dienstag
Abend in unserer Stadt gewonnen hat, ihn
Bahr’s Humoreske „Die schöne Frau“ schloss
willkommen heissen werden.
den Abend in gelungener Weise und hinter¬
Basler Nachrichten (22. 3. 1900). Das
liess jene heitere Stimmung, jenes prickelnde
Debut des Herrn Marcell Salzer in Basel
Gefühl, wie es der Schaumwein spendet, der
hatte sich eines guten Besuches und unge¬
nach vollendetem Mahle in angenehmer Ge¬
sellschaft genossen wird. Herr Salzer leistet
wöhnlich lebhaften Beifalls zu erfreuen. Der
auf seinem Gebiete wirklich Gutes. Ver¬
Künstler hat sich bei uns zweifelsohne auf
ständnissvolles Eingehen auf die Intentionen
das beste eingeführt. Sein sorgfältig ge¬
des Dichters und ein klangvolles Organ, dem
bildetes, modulationsfähiges Organ, sein leb¬
alle Töne zu Gebote stehen, zeichnen ihn
haftes Temperament und eine, wie aus allem
aus. Der kaufmännische Verein hat uns mit
ersichtlich war, treffsichere Auffassung setzten
dem Salzer’schen Recitationsabend einen
ihn in Stand, seine Recitationen in jeder Be¬
grossen Genuss geboten.
ziehung durchzubilden und zu schönster
Wirkung zu bringen.
Bern: „Der Bund“ (9. 10. 99).
„Bahnwärter Thiel.“
Marcell Salzer’s Wirkung liegt in der wunder¬
Novelle von Gerhart Hauptmann.
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Leben erhält, wenn sie gehört und nicht blos
gelesen wird, wie jede Erzählung ihren Zweck
nur dann wirklich erreicht.
Und wie verstand Herr Marcell Salzer in
diesem seinem einstündigen Vortrage die
Sprache zu handhaben! Wir wellen nicht
reden von der Sicherheit, mit de##er seine
Stimme plötzlich zu moduliren reiss, um
jetzt die Stimme eines Mannes, jetzt diejenige
einer Frau, jetzt die eines Kindes wiederzu¬
geben, einmal im gleichmässigen Tone des
Erzählers zu sprechen, dann im Effect der
Leidenschaft, hernach wieder stille Zärtlich¬
keit, hierauf jubelnde Freude, bald tiefes
Weh, bald wilden Hass zur Darstellung zu
bringen. Was vichnehr den Meister in der
souveränen Beherrschung des Wortes charak¬
terisirt, ist die Kunst, mit der er jedem
Buchstaben so zu sagen Bedeutung, Leben,
anschauliches, urkräftiges Leben, einzuhauchen
weiss. War es z. B. nicht, als er zu jener
Stelle der Hauptmann'schen Erzählung kam,
die das Vorüberfahren eines Zuges an der
Barrière schildert, an welcher der Bahnwärter
stcht, als stehe man dabei? Und dann die
Schilderung des Unglücks und seiner grauen¬
haften Folgen: wie ward man mitgerissen
vom Erzähler in Entsetzen, banger Erwartung
des Verhängnisses, vor dem es kein Ent¬
rinnen giebt, und qualve
Julden des¬
selben!
Hatte dieser erste #
Theil des
gestrigen Vortragsabends
d und er¬
schütternd auf die Zuhörer gewirkt, so ver¬
stand es Herr Marcell Salzer im zweiten
humoristischen Theil gleich meisterhaft, den
Saal in die fröhlichste Stimmung zu ver¬
setzen mit seiner köstlichen, bis in die
kleinsten, unscheinbarsten Details dem Leben
abgelauschten Vortragsweise, die uns das
feiste Pfäfflein, die gebrechlichen Alten, die
lebenslustige Jugend etc. etc. leibhaftig vor
Augen führte.
Kurzum, der kaufmännische Verein Biel
verdient unsern lebhaftesten Dank für den
seltenen genussreichen Abend, den er uns
gestern dargeboten.
Express (Stadtanzeiger für Biel, das
Seeland und den Jura, 21. 1. 99).
Unseren besten Dank für den Vortrag, den
uns der rührige Vorstand des Kaufmännischen
Vereins hat geniessen lassen. Einen wahren,
gediegenen Künstler hatten wir in Marcell
Salzer Gelegenheit zu hören, einen Künstler,
wie wir ihn nur selten wieder hören werden.
Chur: Der freie Rhätier (5. 10. 99). Der
Recitationsabend des Herrn Marcell Salzer
hat die Erwartungen der zahlreichen Zu¬
hörerschaft vollauf befriedigt, wenn nicht
übertroffen. Das reichhaltige Programm bot
die angenehmste Abwechslung. Die Glanz¬
nummer des Abends bildete für uns die
Audienzscene im III. Act des „Don Carlos“.
Sie war von wahrhaftiger Theaterwirkung,
die Zuhörer wurden mit hingerissen. Geradezu
überraschend wirkte die echt künstlerische
Aussprache, die den Dialog wunderbe deut¬
lich erkennen liess.
Chur: Neue Bündoner Zeitung (ö. 10.99).
Herr Salzer hat uns wieder einen sehr ge¬
nussreichen Abend geboten; namentlich Aus¬
gezeichnetes leistet er auf dem Gebiete des“
Schwankes. In Bahr’s „Die schöne Frau,
in den Humoresken von Rosegger und Lilien¬
cron brillirte der Recitator durch seine
geradezu fabelhafte Zungenfertigkeit und
angeborene Schauspielgabe.
Davoser Blätter (4. 11. 99). Der Vor¬
stand des Deutschen Clubs in Davos, der
den treitlichen Gedanken gehabt hat, für
seinen ersten Familienabend in der heurigen
Saison einen in allen litterarischen Kreisen
so angesehenen Recitator wie Marcell Salzer
zu Gaste zu laden, hat damit allen Gästen
und Freunden des Clubs eine Freude be¬
Freitet, für die sie ihm innigen Dank wissen
werden. Herr Salzer hat Bedeutendes ge¬
leistet; Jedermann hatte das Gefühl, einem
wahren und echten Meister der Recitations¬
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