VI, Allgemeine Besprechungen 2, Ausschnitte 1903–1906, Seite 70

2. Cuttings
hox 37/3
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5
„ODSEIVER
österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
Wien, I., Concordiaplatz 4.
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in Berlin. Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopenhagen,
London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-York, Paris, Rom.
San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
(Quellenangabe ohne Gowühr.)
Das literarische Deutsch-Oesterreick
Ausschnitt aus:
Wien
E·6
vom:
156

„Artur Schuipter“ Eine kri
tische Studie über seine hervorragend
sten Werke von Alexander Sal¬
kind. Berlin=Leipzig Modernes Ver¬
lagsbureau Kurt Wigand.
130
Seiten Wertkritik, welche wirklich ein
literarisches Bedürfnis sind, denn
trotz manchem Essay ist die ganze
künstlerische Persönlichkeit Schnitzlers
noch nicht so greifbar vor uns ge¬
standen wie in diesem Buche, dessen
Chronologie der Werke von „Anatol“
(1893) bis „Dämmerseelen“ (1907)
reicht. Salkind nennt Schnitzler einen
echten Wiener Dichter. Abgesehen
davon, daß ich mir das an Schnitz¬
lers Stelle
trotz der reichen Liebe,
dem tiefen Verstehen und der hohen
Gerechtigkeit, die ihm sein Kritiker
entgegenbringt — nicht gefallen ließe,
ist das wohl in dem Sinne zu neh¬
men, wie man Goethe als echten
deutschen Dichter bezeichnet. Was der
Wahrheit ebenso nahe kommt wie: die
Menschheit, das ist Germania. Gewiß
aber hat Schnitzler auf dem gemüts¬
tiefen, spielerischen Ernste, wie er
südlicheren Naturen eigen ist, sein
weise lächelndes Lebenswerk gebaut,
dem manche Schelle, mancher Pagoden¬
schnörkel („justament“) nicht fehlen.
So mag Salkind recht haben. Den
Schluß der kleinen Personalskizze will
ich hier nicht missen: „Wie immer
man über Schnitzler denken mag, da¬
von bin ich überzeugt, daß niemand
seine Bedeutung leugnen wird; und
deshalb muß es um so peinlicher be¬
rühren, daß man, besonders in Wien,
der Geburtsstadt des Dichters, so
selten Gelegenheit findet, seine Werke
auf der Bühne zu sehen. Man könnte
da auf mancherlei Vermutungen kom¬
men ...“
Nun, keine Vermutung,
sondern Gewißheit ist, daß Schnitzter
dem Bildungspöbel, der Geld hat,
zu fein und zu — wahr ist, und an¬
dere, die das lieben, haben kein Geld
und die meisten von den letzten Thea¬
terbesuchern
— gehören nicht ins
Theater.
Nun, vielleicht wird es
langsam besser. Wien bekommt ja
immer mehr — Fremde.
Edmund Reimer=Ironside.