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2. Cuttings
ODN. I. K
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Oskar F. Walzel: Bühnenfragen der Gegenwart.
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reiche Umformung erfährt: „Du bift ja ein
sein des Publikums gerückt werden, daß
Dichter, ein Seelenkünder — erkläre das doch
komische und tragische Bühne aller Zeiten mit
den Leuten, die es nicht veritehen wolleng,
der Bühnenillusion gespielt hat. Nicht bloß
sagt Amadeus. Albertus erwidert: 9. wenn
die ariitophanische und die shakespearische
du Wert darauf legit, so mache ich einfach
Komödie geitattet sich, mit einem Ruck in
ein Stück daraus. Dann werden sie ohne
dem Zuschauer das Bewußtsein wachzurufen,
weiteres diese Art von Ehe begreifen
daß er nicht Wirklichkeit, sondern Theater¬
wenigitens von halb acht bis zehn... In
spiel vor sich hat. Wie Fabio in „Was ihr
einem Stück kann ich ja den Fall viel klarer
wollte (III, 4) angesichts der tollen Streiche
daritellen, als er sich tatsächlich präsentiert,
Malvolios ausruft: „Wenn man dies auf dem
ohne das überflüssige episodische Beiwerk,
Theater vorftellte, so tadelte ich es vielleicht
mit dem uns das Leben verwirrt.e Weitere,
als eine unwahrscheinliche Erdichtungg, so
die Illusion zerltörende Scherze, die in dem¬
verweift der Patriarch von Jerusalem den
selben Drama und in anderen Bühnenver¬
Tempelherrn in Lessings NNathang, ungewiß,
suchen Schnitzlers ihren Platz fanden, seien
ob ihm bein Faktum oder eine Hypothes’g in
hier nicht gebucht; nur der itärkiten und
des Tempelherrn anklagender Frage vorgelegt
schärflten Ausprägung, die das Spiel mit der
worden sei, auf das Theater, pwo dergleichen
Bühne durch Schnitzler erfahren hat, sei noch
pro Et contra sich mit vielem Beifall könnte
gedacht, des nGrünen Kakaduc (1899). Geilt¬
Behandeln lasseng. Weiß er doch nicht, ob
voller und doch auch bühnengemäßer hat
man ihn nur omit einer theatral'schen Schnurrec
keiner seiner Vorgänger die dramatische
zum beiten habe. Wie in Shakespeares Lult¬
Spiegelwirkung herausgebracht. Selbit das
spiel wird hier dasselbe Spiel mit der Bühne
Mufter= und Meifterftück romantischer Komik,
und ihrer Illusion getrieben, zu dem auch die
der „Geltiefelte Katerg von Tieck, erscheint
auf der komischen Bühne oft geltellte Frage
beinahe plump und unbeholfen neben Schnitz¬
zählt: „Hältlt du mich für einen Theater¬
lers bühnensicherem Spiel mit der Illusion.
onkel ?
„Groteske in einem Akte nennt sichedes
Ebenso iit es durchaus nicht bloß Eigen¬
Stück. Es spielt in Paris am Abend des
heit der komischen Bühne des Ariftophanes,
14. Juli 1789 und beginnt, kurz ehe die Nach¬
Shakespeares, Holbergs, Goethes, der Roman¬
richt von der Erltürmung der Baitille die
tiker auf der Bühne von der Bühne zu reden,
Stadt durcheilt. Ein verkrachter Theater¬
das aufgeführte Stück im Stücke selblt zu
direktor hat eine Spelunke als Theater — wir
kritisieren, auf das Theater wieder ein Theater
würden heute sagen: als Kabarett — ein¬
und sein Publikum zu itellen und in solchen
gerichtet. Die Schaurpieler und Schauspiele¬
Spiegelwirkungen Wirklichkeit und Spiel bunt
rinnen mimen Beutelschneider, Zuhälter,
wechseln zu lassen. Und vor allem sind
Dirnen. Das Publikum sitzt unter ihnen.
solche Taten nicht bloß von ehedem, solche
Mit behaglichem Gruseln kann es alle Schrecken
Scherze gibt es auch heute noch auf komischer
unmittelbaren Zusammenseins mit Lumpen
wie auf tragischer Szene. Kein Dichter der
und Verbrechern auskoften und dabei jeden
Gegenwart aber neigt ihnen gleich itark zu
Augenblick sich selbit beruhigend versichern,
wie Arthur Schnitzler.
daß alles nur Spiel sei. Die Illusion ilt aufs
Schon Schnitzlers Vorliebe für das Puppen¬
höchfte gefteigert, da die hemmenden Wir¬
spiel beweift, wie wenig Wert er, der doch
kungen des Bühnenraumes gänzlich fehlen;
auch vom Naturalismus ausgegangen ist, auf
und doch kann eben diese höchftgelteigerte
die Erzielung des Wirklichkeitseindrucks im
Illusion nie dauernd beitehen, da jedermann
Rahmen der Bühne legt. Seine ernfte Dra¬
den Künftlerscherz durchschaut. Dies ftete
matik itrebt allenthalben auf jene Spiegel¬
Hin und Her der Stimmung wird noch be¬
wirkungen ariltophanischer, shakespearischer,
wegter durch die Revolutionsluft, in die alles
holbergischer, tieckischer Komik hin. Im
getaucht ist. Die Vicomtes, Marquis und Mar¬
„Zwischenspielg entspinnt sich in dem Augen¬
quisen, die das Publikum bilden, bekommen¬
blick, da der dramatische Konflikt sich mehr
frechite. Worte zu hören. Iit’s Ernft oder
und mehr zuspitzt, zwischen dem Helden
Maskerade, wenn der Wirt die Hochadeligen
und seinem dichtenden Freunde Albertus ein
duzt? pSie werden unheimlich witzig,
Dialog, in dem doch auch nur die alte Frage
diese Leute,g meint einer aus dem Publi¬
nach dem Theateronkel eine feine und geilt¬
e
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Oskar F. Walzel: Bühnenfragen der Gegenwart.
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reiche Umformung erfährt: „Du bift ja ein
sein des Publikums gerückt werden, daß
Dichter, ein Seelenkünder — erkläre das doch
komische und tragische Bühne aller Zeiten mit
den Leuten, die es nicht veritehen wolleng,
der Bühnenillusion gespielt hat. Nicht bloß
sagt Amadeus. Albertus erwidert: 9. wenn
die ariitophanische und die shakespearische
du Wert darauf legit, so mache ich einfach
Komödie geitattet sich, mit einem Ruck in
ein Stück daraus. Dann werden sie ohne
dem Zuschauer das Bewußtsein wachzurufen,
weiteres diese Art von Ehe begreifen
daß er nicht Wirklichkeit, sondern Theater¬
wenigitens von halb acht bis zehn... In
spiel vor sich hat. Wie Fabio in „Was ihr
einem Stück kann ich ja den Fall viel klarer
wollte (III, 4) angesichts der tollen Streiche
daritellen, als er sich tatsächlich präsentiert,
Malvolios ausruft: „Wenn man dies auf dem
ohne das überflüssige episodische Beiwerk,
Theater vorftellte, so tadelte ich es vielleicht
mit dem uns das Leben verwirrt.e Weitere,
als eine unwahrscheinliche Erdichtungg, so
die Illusion zerltörende Scherze, die in dem¬
verweift der Patriarch von Jerusalem den
selben Drama und in anderen Bühnenver¬
Tempelherrn in Lessings NNathang, ungewiß,
suchen Schnitzlers ihren Platz fanden, seien
ob ihm bein Faktum oder eine Hypothes’g in
hier nicht gebucht; nur der itärkiten und
des Tempelherrn anklagender Frage vorgelegt
schärflten Ausprägung, die das Spiel mit der
worden sei, auf das Theater, pwo dergleichen
Bühne durch Schnitzler erfahren hat, sei noch
pro Et contra sich mit vielem Beifall könnte
gedacht, des nGrünen Kakaduc (1899). Geilt¬
Behandeln lasseng. Weiß er doch nicht, ob
voller und doch auch bühnengemäßer hat
man ihn nur omit einer theatral'schen Schnurrec
keiner seiner Vorgänger die dramatische
zum beiten habe. Wie in Shakespeares Lult¬
Spiegelwirkung herausgebracht. Selbit das
spiel wird hier dasselbe Spiel mit der Bühne
Mufter= und Meifterftück romantischer Komik,
und ihrer Illusion getrieben, zu dem auch die
der „Geltiefelte Katerg von Tieck, erscheint
auf der komischen Bühne oft geltellte Frage
beinahe plump und unbeholfen neben Schnitz¬
zählt: „Hältlt du mich für einen Theater¬
lers bühnensicherem Spiel mit der Illusion.
onkel ?
„Groteske in einem Akte nennt sichedes
Ebenso iit es durchaus nicht bloß Eigen¬
Stück. Es spielt in Paris am Abend des
heit der komischen Bühne des Ariftophanes,
14. Juli 1789 und beginnt, kurz ehe die Nach¬
Shakespeares, Holbergs, Goethes, der Roman¬
richt von der Erltürmung der Baitille die
tiker auf der Bühne von der Bühne zu reden,
Stadt durcheilt. Ein verkrachter Theater¬
das aufgeführte Stück im Stücke selblt zu
direktor hat eine Spelunke als Theater — wir
kritisieren, auf das Theater wieder ein Theater
würden heute sagen: als Kabarett — ein¬
und sein Publikum zu itellen und in solchen
gerichtet. Die Schaurpieler und Schauspiele¬
Spiegelwirkungen Wirklichkeit und Spiel bunt
rinnen mimen Beutelschneider, Zuhälter,
wechseln zu lassen. Und vor allem sind
Dirnen. Das Publikum sitzt unter ihnen.
solche Taten nicht bloß von ehedem, solche
Mit behaglichem Gruseln kann es alle Schrecken
Scherze gibt es auch heute noch auf komischer
unmittelbaren Zusammenseins mit Lumpen
wie auf tragischer Szene. Kein Dichter der
und Verbrechern auskoften und dabei jeden
Gegenwart aber neigt ihnen gleich itark zu
Augenblick sich selbit beruhigend versichern,
wie Arthur Schnitzler.
daß alles nur Spiel sei. Die Illusion ilt aufs
Schon Schnitzlers Vorliebe für das Puppen¬
höchfte gefteigert, da die hemmenden Wir¬
spiel beweift, wie wenig Wert er, der doch
kungen des Bühnenraumes gänzlich fehlen;
auch vom Naturalismus ausgegangen ist, auf
und doch kann eben diese höchftgelteigerte
die Erzielung des Wirklichkeitseindrucks im
Illusion nie dauernd beitehen, da jedermann
Rahmen der Bühne legt. Seine ernfte Dra¬
den Künftlerscherz durchschaut. Dies ftete
matik itrebt allenthalben auf jene Spiegel¬
Hin und Her der Stimmung wird noch be¬
wirkungen ariltophanischer, shakespearischer,
wegter durch die Revolutionsluft, in die alles
holbergischer, tieckischer Komik hin. Im
getaucht ist. Die Vicomtes, Marquis und Mar¬
„Zwischenspielg entspinnt sich in dem Augen¬
quisen, die das Publikum bilden, bekommen¬
blick, da der dramatische Konflikt sich mehr
frechite. Worte zu hören. Iit’s Ernft oder
und mehr zuspitzt, zwischen dem Helden
Maskerade, wenn der Wirt die Hochadeligen
und seinem dichtenden Freunde Albertus ein
duzt? pSie werden unheimlich witzig,
Dialog, in dem doch auch nur die alte Frage
diese Leute,g meint einer aus dem Publi¬
nach dem Theateronkel eine feine und geilt¬
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