VI, Allgemeine Besprechungen 2, Ausschnitte 1909–1912, Seite 24

2. Guttings box 37/4
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Die deutschen Dramatiker der Gegenwart. II!).
Von Eduard Engel.
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unpoetische Verkleinerung des großartigen Weibes in der
uralten Legende.
Besorgt schauen sich die Theaterleiter und die Freunde
unserer dramatischen Dichtung nach den jungen Drama¬
tikern um, von denen uns neues Heil kommen soll. Jeder
neue Junge, jeder junge Neue wird zunächst wie ein Genins
behandelt, und unsere verrohtefte Theaterkritik gewährt
diesen Heilanden des Dramas die schönsten Ruhmes¬
vorschüsse. Schwerlich hat es je eine Zeit wie diese ge¬
geben, in der Kritiker und Zuschauer den jungen Talenten
so weitherzig entgegengekommen sind. Ein sehr einflu߬
reicher Teil unserer Presse treibt den grausamen Sport,
um jeden dieser Jungen und Jüngsten einen Nebelkreis
zukünftiger Verühmtheit zu verbreiten, grausam deshalb,
weil so viel vorausverkündeter Ruhm nur durch große

Meisterwerke verwirklicht werden kann. So hat es die
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Presse nacheinander mit Herbert Eulenberg und mit Karl
Gustav Vollmoeller getrieben, und herausgekommen ist
Karl Gustav Vollmoeller.
Wilhelm Schmidt=Vonn.
Hermann Bahr ist schon einer der
In Wilhelm Schmidt=Vonn, geboren 1876, kann
diesem Jung=Österreich, und er erscheint uns
Aman insofern seine Freude haben, als er zu den Auf¬
weil er so ziemlich jedes Jahr für eine neue lite
steigenden gehört. Er hat ein paar recht schlechte Stücke
begeistert ist, immer mit der gleichen tiefen
geschrieben, z. B. den „Jubiläumsbrunnen“, und einen
mit der gleichen Wärme, fast immer mit
spielerischen, oberflächlichen Geistreichigkeit
sehr guten Novellenband „Uferlente“ (Geschichten vom
untern Rhein), und ich war geneigt, ihm keine drama¬
Bahrs Leben auch manches Jahr mit je z
tische Zukunft mehr zuzusprechen. Man soll aber im lite¬
Überzeugungen gegeben. Er ist 1863 in
rarischen Prophezeien sehr vorsichtig sein: Schmidt=Bonns
hat in den zweiundzwanzig Jahren seiner
„Graf von Gleichen“ aus dem letzten Spielwinter hat be¬
etwa fünfundzwanzig Stücke verfaßt, dar#
wieder eins, das beinahe an die Kunst ge
wiesen, daß er sich höhere Ziele steckt, stärkere Kraft daran¬
Herbert Eulenberg.
zuwenden hat, und wenngleich ich seinen „Grafen von
die kaum zur Literatur gehören. Ein wir
werk ist ihm nicht ein einziges Mal gelung
Gleichen“ für ein verfehltes, ich meine vergriffenes Drama
es auch? Zur Kunst, auch zur heitersten,
halte, so stehe ich doch nicht an seinen dramatischen Fort¬
dabei nichts anderes als eine erhitzte Treibhausberühmt¬
wisser Kunsternst, und den bringt Bahr n
schritt anzuerkennen. Für verfehlt halte ich seinen „Grafen
heit, die nach ganz kurzer Zeit verfliegen mußte. Herbert
Ernst sich nicht mit der aufs Verblüffen
von Gleichen“ darum, weil der neuzeitliche Dichter durch¬
Enlenberg aus Mülheim (geboren 1876) ist durch seinen
Geistreichigkeit verträgt.
aus hat großartiger und tiefer sein wollen als der un¬
„Ritter Blaubart“ zu einer flüchtigen, halb komischen Be¬
Artur Schnitzler, 1862 in Wien
bekannte Erfinder der seinen Krenzzugsnovelle von dem
rühmtheit gelangt, aber nur von der Presse Gnaden, die
Manne mit den zwei geliebten und liebenden Frauen.
seinen einzigen großen Bühnenerfolg, mit
sehr verschieden von denen der Zuschauer sind. Sein
Die zu Hause gebliebene, die ihres Gatten Retterin vom
Liebelei“ (1895), nicht wieder erreicht oder i
bestes Stück ist meines Wissens noch nirgends zur Auf¬
Trauerspiel eines Mädchenherzens, das sich
sichern Martertode nicht mit einer den Durchschnitt über¬
führung gekommen, ja selbst in literarischen Kreisen so
und dafür ein ganzes Männerherz gewonn
ragenden Herzensgröße wertet, sondern sie mit einer ganz
gut wie unbekannt geblieben: die Tragödie „Kassandra“.
niedrigen, spießbürgerlichen Eifersucht verfolgt, ist eine
An dieses Stück halte ich mich, wenn von einem Drama¬
tiler Eulenberg gesprochen werden darf; alles andere gebe
ich preis.
Karl Gustav Vollmoeller, geboren 1878 in Stutt¬
gart, ist gleich Eulenberg einer der Dichter des „drama¬
tischen Schattenspiels“, der Schattendramen mit Schatten¬
gestalten für eine Schattenbühne. Seine bedeutendste
dramatische Arbeit: „Katherina, Gräfin von Armagnac