2. Cuttings box 37/4
es geht noch ziemlich oft fehl,
überschätzt auffallende Einzelerschei¬
nungen, sieht da „Österreich“ wo
kaum ein kleiner Teil von ihm
vertreten ist, bleibt auch wohl an
der rein literarischen Erscheinung
haften, dringt nicht bis zum Leben
vor, das dahintersteht. Der Kunst¬
wart, der hier eine besondre Auf¬
gabe sah, ist mit seinen Bemühen
recht einsam geblieben. In Öster¬
reich dagegen, und gerade dort, wo
man des reichsdeutschen Verständ¬
nisses am meisten bedarf, fühlt man
sich vernachlässigt, isoliert, zu be¬
sonderen Anstrengungen und For¬
derungen veranlaßt und bleibt in
jenem oft unreifen „Nachträumen“.
stecken. So kommt trotz mannig¬
facher und sehr reicher Begabung
selten etwas völlig Einheitliches
zustande. Man sucht die „Tür
ins Freie“ und verfehlt sie vor
lauter Leidenschaft des Suchens.
Allmählich beginnt dies besser
zu werden. Österreichische Autoren
schildern die österreichische Wirklich¬
keit, von der sich noch die eben ver¬
flossene Literatur abgewandt hatte,
ohne jene heimische Befangenheit,
die bis jetzt immer die Hemmung
nach der andern Seite bedeutet
hatte. Deutschösterreich beginnt sich
seiner besonderen Lage klarer be¬
wußt zu werden und Deutschland
zugleich diese Besonderheit anzu¬
erkennen, mit all den Bedingt¬
heiten; aber auch oft herben
Schönheiten, die sie mit sich bringt.
Im Kunstwart ist schon mehrfach
von der Orientierungsarbeit der mo¬
dernen Literatur die Rede gewesen.
Die österreichische im besonderen
Heer und Flotte
wird dieser Aufgabe mit besonderer
Liebe zu dienen haben. Sie wird
danach trachten müssen, nach und
nach das ganze österreich, nicht
nur das „süße Mädel“, feine
melancholische Stimmungserlebnisse
sund kulturscheue Naturhymnen,
80
——.—
sondern den gewaltigen Reichtum
an schöpferischen und schwer rin¬
genden Kräften in unserm großen
und wichtigen Oststaate darstellerisch
und damit menschlich zu bewälti¬
gen. Damit wird jene Heimat¬
fremdheit oder Heimatenge auf¬
hören; alle jene oft störenden Be¬
tonungen werden verschwinden,
und mit dem Gefühl, daß unsre
Zusammengehörigkeit mit den Deut¬
schen im Reich sich ganz von
selber versteht, wird sich auch
die Anerkennung und Vollgültig¬
keit unsrer heimischen Eigenart
einstellen. Die Anfänge dieser Zu¬
kunftsentwicklung sind schon zu
spüren. Die spezifisch österreichi¬
schen, von den politischen Verhält¬
nissen bedingten geistigen Zustände
suchen bereits allenthalben (und
nicht nur in der Literatur) nach
Formen, in denen sie auch dem
unter anderen Bedingungen leben¬
den Reichsdeutschland verständlich
werden können. (So zum Beispiel
in dem in der Abstinenzbewegung
wohlbekannten „Neudeutschen Kul¬
turbund“.) Diese Bemühungen alle
aber, die literarischen wie die prak¬
tischen; werden nur dann zur
vollen Reife gedeihen, zum klaren
gegenseitigen Verstehen führen kön¬
nen, wenn Reichsdeutschland das
Seine dazu tut und mit mehr als
dilettantischem, gelegentlich auch mit
mehr als ##erarischem Interesse an
solchen Bestrebungen orientierend,
fördernd, bessernd und da und dort
auch — lernend teilnimmt.
J. Lehner
Militärbauten
or langer Zeit schon ist im Kunst¬
Bwart (XX, 13) für eine end¬
liche Reform der Kasernenbauten
gesprochen worden. Wer in Deutsch¬
land reist, dem fällt es immer wie¬
der auf, daß bei der hohen mili¬
tärischen Ausbildung unsres Vol¬
Kunstwart XXIV, 1
es geht noch ziemlich oft fehl,
überschätzt auffallende Einzelerschei¬
nungen, sieht da „Österreich“ wo
kaum ein kleiner Teil von ihm
vertreten ist, bleibt auch wohl an
der rein literarischen Erscheinung
haften, dringt nicht bis zum Leben
vor, das dahintersteht. Der Kunst¬
wart, der hier eine besondre Auf¬
gabe sah, ist mit seinen Bemühen
recht einsam geblieben. In Öster¬
reich dagegen, und gerade dort, wo
man des reichsdeutschen Verständ¬
nisses am meisten bedarf, fühlt man
sich vernachlässigt, isoliert, zu be¬
sonderen Anstrengungen und For¬
derungen veranlaßt und bleibt in
jenem oft unreifen „Nachträumen“.
stecken. So kommt trotz mannig¬
facher und sehr reicher Begabung
selten etwas völlig Einheitliches
zustande. Man sucht die „Tür
ins Freie“ und verfehlt sie vor
lauter Leidenschaft des Suchens.
Allmählich beginnt dies besser
zu werden. Österreichische Autoren
schildern die österreichische Wirklich¬
keit, von der sich noch die eben ver¬
flossene Literatur abgewandt hatte,
ohne jene heimische Befangenheit,
die bis jetzt immer die Hemmung
nach der andern Seite bedeutet
hatte. Deutschösterreich beginnt sich
seiner besonderen Lage klarer be¬
wußt zu werden und Deutschland
zugleich diese Besonderheit anzu¬
erkennen, mit all den Bedingt¬
heiten; aber auch oft herben
Schönheiten, die sie mit sich bringt.
Im Kunstwart ist schon mehrfach
von der Orientierungsarbeit der mo¬
dernen Literatur die Rede gewesen.
Die österreichische im besonderen
Heer und Flotte
wird dieser Aufgabe mit besonderer
Liebe zu dienen haben. Sie wird
danach trachten müssen, nach und
nach das ganze österreich, nicht
nur das „süße Mädel“, feine
melancholische Stimmungserlebnisse
sund kulturscheue Naturhymnen,
80
——.—
sondern den gewaltigen Reichtum
an schöpferischen und schwer rin¬
genden Kräften in unserm großen
und wichtigen Oststaate darstellerisch
und damit menschlich zu bewälti¬
gen. Damit wird jene Heimat¬
fremdheit oder Heimatenge auf¬
hören; alle jene oft störenden Be¬
tonungen werden verschwinden,
und mit dem Gefühl, daß unsre
Zusammengehörigkeit mit den Deut¬
schen im Reich sich ganz von
selber versteht, wird sich auch
die Anerkennung und Vollgültig¬
keit unsrer heimischen Eigenart
einstellen. Die Anfänge dieser Zu¬
kunftsentwicklung sind schon zu
spüren. Die spezifisch österreichi¬
schen, von den politischen Verhält¬
nissen bedingten geistigen Zustände
suchen bereits allenthalben (und
nicht nur in der Literatur) nach
Formen, in denen sie auch dem
unter anderen Bedingungen leben¬
den Reichsdeutschland verständlich
werden können. (So zum Beispiel
in dem in der Abstinenzbewegung
wohlbekannten „Neudeutschen Kul¬
turbund“.) Diese Bemühungen alle
aber, die literarischen wie die prak¬
tischen; werden nur dann zur
vollen Reife gedeihen, zum klaren
gegenseitigen Verstehen führen kön¬
nen, wenn Reichsdeutschland das
Seine dazu tut und mit mehr als
dilettantischem, gelegentlich auch mit
mehr als ##erarischem Interesse an
solchen Bestrebungen orientierend,
fördernd, bessernd und da und dort
auch — lernend teilnimmt.
J. Lehner
Militärbauten
or langer Zeit schon ist im Kunst¬
Bwart (XX, 13) für eine end¬
liche Reform der Kasernenbauten
gesprochen worden. Wer in Deutsch¬
land reist, dem fällt es immer wie¬
der auf, daß bei der hohen mili¬
tärischen Ausbildung unsres Vol¬
Kunstwart XXIV, 1