VI, Allgemeine Besprechungen 2, Ausschnitte 1912–1914, Seite 12

2. Cuttings
box 37/5
„.lancisco, Stocknonn.
burg, Ofonto.
(Quellenangabe öhne Oewähr.)
Ausschnitt aus:
remdenblatt, Wien
vom
B
* (Peter Nausen in Wien.) Seit gestern befindet sich als Gas
des dänischen Generalkonsuls der dänische Dichter Peter Nansen in
Wien. Er hatte die Güte, einen unserer Mitarbeiter zu empfangen und
ihm einige Mitteilungen über den Zweck seiner Wiener Reise zu machen.
„Ich reise wenig.“ so begann Herr Nansen. „Seit langer Zeit aber trug
ich mich mit der Absicht, Wien aufzusuchen, dessen Publikum seit jeher
meiner Kunst günstig gesinnt war. Dies nal nun hat sich die Gelegenheit,
Wien aufzusuchen, dadurch ergeben, daß, mich Herr Direktor Jarno vom
Josefstädter Theater brieflich bat, der hier geplanten Premiere meines
Stückes „Eine glückliche Ehe“ persönlich beizuwohnen. Gleichzeitig
wurde ich eingelaben, im Beethoven=Saal eine Vorlesung im Verein mit
Karin Michaßlis zu halten. Es war geplant, die Vorlesung Mittwoch
zu veranstalten. Die Aufführung meines Theaterstückes sollte am Samstau
folgen. Nun aber ist dem Direktor Jarno das Unglück passiert, daß
Maran, der Träger der Hauptrolle in meinem Stück, erkrankte. Infolge¬
dessen schrieb mir Direktor Jarno noch im letzten Augenblick vor meiner
Abreise von Kopenhagen ab, mit dem Bemerken, daß das Stück aus dem
angegebenen Grunde erst Mitte November aufgeführt werden könne. Nun
waren aber die Annoncen bezüglich meiner Vorlesung schon längst in die
Zeitungen eingerückt und alle Vorbereitungen hiezu waren getrossen,
daß ich sie nicht absagen konnte. Außerdem veranlaßte mich die Tatsache,
daß Karin Michaslis die Reise nach Wien bereits angetreten hatte, zur
Fahrt hieher. Ich werde also um das Vergnügen kommen, auf das ich
mich so sehr gefreut hatte: der Vorstellung meines Theaterstückes beiwohnen
zu können.“ Auf die Frage, ob Nansen schon in Wien gewesen sei, ant¬
wortete er verneinend. Aber, so erzählte er mit sichtbarer Genugtuung, er
habe eine Menge von Freunden und Bekannten in Wien und er freue
sich, sie wirderzusehen. Mit Artur Schnitzlar verbinde ihn schon
seit Jahren innige Freundschaft. Dieser habe ihn vor nun 16 Jahren
zum ersten Male in Kopenhagen besucht. Ein zweites Mal sei er später
mit dem österreichischen Dichter Beer=Hofmann gekommen. Nansens
Entwicklung ist eine bemerkenswerte. Mit 18 Jahren trat er in der offi¬
ziellen Regierungszeitung in Kopenhagen als Journalist ein. Sein erstes
Werk „Junge Leute“, welches das einzige nicht ins Deutsche über¬
setzte Buch von ihm sei, habe er in dieser Zeit geschrieben. Das Buch habe
in gleicher Weise großen Erfolg und großes Aergernis gebracht. Bald
darauf sei er bei der Zeitung „Politiken“ eingetreten und einer der ersten
gewesen, die dieses zu den wichtigsten Zeitungen Dänemarks empor¬
gestiegene Blatt nach Kräften gefördert haben. Als ihm nachher ein An¬
trag gestellt wurde, als literarischer und geschäftlicher Leiter in die große
Gyldendalsche Verlagsbuchhandlung einzutreten, habe er den Antrag an¬
genommen, aber damit seinem Leben, das bis dahin hauptsächlich der
Kunst gewidmet war, eine andere Richtung gegeben. Im Lause des Ge¬
spräches meinte Nanskn, die in der Welt kursierende Ansicht, daß er nichts
mehr schreiben wolle, sei nicht ganz richtig. Richtig sei, daß er seine Werke,
die man in zwei Bänden zusammenfassen könne, als in sich abgeschlossen
betrachte. Jedoch schreibe er Artikel und kleine Novellen noch heute. Er
freue sich, sagen zu können, daß ihm, wie überhaupt der nordischen Li¬
teratur, Deutschland und Oesterreich die größten Erfolge brachten. In Eng¬
land stünde es bei weitem nicht so gut. Und was Amerika, Holland und
Ungarn betreffe, so sei wegen der mangelhaften Autorgesetze in diesen
Ländern kein eigentlicher Erfolg zu erkennen. Seine Werke würden dort
von den Verlegern an sich gerissen und unter anderen Titeln herausge¬
geben. Er erfahre oft erst Jahre nachher davon. Umsomehr mache es
ihm ein Vergnügen, in Wien zu weilen. Er werde sich leider nicht lange
hier aufhalten können, sondern müsse bald wieder nach Kopenhagen fahren.
Nansens wichtigste Werke sind: Das Buch „Theater“, „Juliens Tagebuch“,
der Roman „Gottesfriede", „Maria“, die Geschichte einer Liebe" und
andere mehr.


in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Gent, Kon
d. Minnespolls, New-Torh,
hagen, London, Madrid, Mai
Paris, Rom, San Francieco, Steckholm, Se. N
— 600
Ausschnitt aus:
reussische Jahrbücher, Berli
—HOl 1912
vom:
Notizen und Besprechungen.
355
Dr. Julius Kapp: Arthur Schnitzler. Im Kenien=Verlag zu
Leipzig. 1912.
Wer sich von dem Ernst anstrengender Tagesarbeit erholen will, greift
gern zu den Werken eines der jungösterreichischen Dichter und ergötzt sich
an ihrem Witz und ihrer Grazie, ihrer Pikanterie und ihrer Verherrlichung
des Lebensgenusses, die ihm so echt wienerisch vorkommen, wie die ein¬
schmeichelnden Weisen Straußscher Walzer. Er hält sie mehr für Unter¬
haltungsschriftsteller als für Dichter, und wenn er den ernsten Unterton,
der so manche ihrer Dichtungen durchklingt, überhaupt hört, so findet er,
daß er nicht recht hineinpaßt, und daß sie besser täten, sich nicht mit der
Tragik des Lebens zu befassen. Die Besten unter ihnen wollen aber nicht
bloß sein und geistreich unterhalten, sondern als Dichter angesehen und den
führenden Geistern im Deutschen Reich gleichgeachtet werden. Zu diesen
gehört Arthur Schnitzler, der unbestritten die bedeutendste Persönlichkeit
unter ihnen ist. Als Dramatiker wie als Novellendichter hat er uns ein
Stück Neuland erschlossen. Wie einst Alexander Dümas die Kameliendame,
so hat er das „süße Mädel“ für die Bühne gewonnen, und niemand vor
ihm hat den ironisch=wehmütigen, zugleich leichtsinnigen und melancholischen,
willensmatten Genußmenschen, der das Leben erleidet, anstatt es zu ge¬
stalten, so plastisch deutlich vor uns hingestellt. Dr. Julius Kapp ist ein
ausgezeichneter Führer durch seine Werke; er analysiert diese ebenso ein¬
gehend wie geistvoll und läßt uns sowohl die Eigenart seines dichterischen
Schaffens wie auch seine Grenzen erkennen. Daß Arthur Schnitzler sich
nie an eine Aufgabe gewagt hat, zu deren Bewältigung ihm die Vorbe¬
dingungen: die Wucht elementaren Gefühls und ethisches Pathos, fehlten,
ist ihm entschieden als ein Verdienst anzurechnen.
K
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