VI, Allgemeine Besprechungen 2, Ausschnitte 1912–1914, Seite 14

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Kurze Anzeigen: K
wird zu wenig eingegangen, der glänzende Dialog des ersten
Aktes im „Weiten Land“ nicht gewürdigt. Am schwächsten
geraten ist wohl die Einleitung, die sich vergeblich müht,
die österreichische Individualität des Dichters zu kenn¬
zeichnen und gelegentlich ein Wörtchen über die „gehaltlose
Wortkunst“ Hofmannsthals und die „moderne Faustnatur“.
Hermann Behrs fallen läßt. Im ganzen ist die Schrift
liebenswürdig warm im Ton und frisch gehalten.
Wien
A. v. Weilen
Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Traum¬
satire im siebzehnten und achtzehnten Jahrhun¬
dert. Dissertation. Von Heinz Klamroth Bonn
1912, Emil Eisele. 146 S.
Die von vielen Seiten ermunterten Bestrebungen, in
der Literaturgeschichte die formalen Gesichtspunkte stärker
zu betonen, dringen in erster Linie auf genetische Dar¬
stellung der literarischen Typen und Gattungen. Dabei
erhebt sich die auch in andern Wissenschaften viel erörterte
Schwierigkeit, nach der Herauslösung der zu verschiedenen
Zeiten und unter verschiedenen Bedingungen entstandenen
Werke aus dem allgemeinen geschichtlichen Zusammenhang
eine in sich geschlossene Entwicklung zu erkennen, und gerade
Forscher, die über methodische Probleme gründlicher nach¬
gedacht, haben hervorgehoben, daß die Literaturgeschichte
in dieser Hinsicht nicht so günstig gestellt sei wie etwa die
Kunstgeschichte. Fremde Instanzen haben oft genug in
die Entwicklung der poetischen Formen und Gattungen
bestimmend eingegriffen und die Bildung einer fortwirken¬
den Tradition innerhalb dieser Teilgebiete dichterischen
Schaffens gestört oder verhindert. Die fleißige, aber un¬
disziplinierte Arbeit Klamroths bestätigt die Wahrheit
solcher Bedenken, indem sie darüber hinweggeht. In den
moralischen Wochenschriften des 18. Jahrhunderts finden
sich häufig satirische Schilderungen, eingekleidet in den Be¬
richt eines Traumes. Klamroth statuiert also „die Traum¬
satire als eine in sich zusammenhängende Literaturgattung
mit gemeinsamen formalen Bestandteilen“, faßt sie als
„Ergebnis einer zusammenhängenden Entwicklung“ auf und
schreibt ihre Geschichte. Oder vielmehr ihre Vorgeschichte;
ein großer Teil des Buchs ist den Quellen der Quellen der
„Traumsatiren“ gewidmet. Richtig ist, daß in dieser Traum¬
literatur sich Motive und Analogien der Einkleidung finden,
die in der antiken und mittelalterlichen Visionendichtung
ebenfalls anzutreffen sind, und daß vom 10. Jahrhundert
an, nach dem Absterben der religiösen Mythenbildung,
zugleich mit der literarischen Aufarbeitung der Apokalyptik
die Vision als Maske des Satirikers Eingang findet. Aus
dieser satirischen Literatur schöpfte Quevedo, und ihm
folgte Moscherosch. Was aber daraus entnommen werden
kann, ist eine Filiation von Motiven, deren formaler
Charakter übrigens fragwürdig ist, keine Entwicklung einer
selbständigen Kunstform. Ferner beachtet Klamroth nicht,
daß die apokalyptischen Motive auch außerhalb des von
ihm betrachteten Kreises Möglichkeiten des Fortlebens
finden konnten; er unterläßt es auch, den Anregungen der
bildenden Künste nachzugehen. Überhaupt darf nicht außer
acht gelassen werden, daß die symbolische Bedeutung der
Traumvorstellungen und die früh populär gewordene Ein¬
sicht in die Verwandtschaft der selischen Zustände des Dich¬
tens und des Träumens immer wieder von selbst zur Er¬
findung solcher Einkleidungen führen konnte.
Unerläßlich war eine psychologische Distinktion von
Traum und Vision und eine Vergleichung der stilistischen
Ausdruckswerte. Klamroth definiert: „der Traum ist
eben ein Traum, die Vision dagegen (!) ein inneres Er¬
lebnis“ (S. 45). Die literarischen Schöpfungen selbständig
zu charakterisieren, hat Klamroth gar nicht versucht, er
entschädigt durch seitenlange Auszüge aus Lehrbüchern und
Monographien. Über die Stellung und Bedeutung der
Allegorie könnte Klamroth aus den Dante=Werken von
F. X. Kraus oder Voßler Aufschluß gewinnen.
Berlin=Halensee
Hugo Bieber
Telephon 12.904.
„ODSLNWEN
I. Seterr. beh. konz. Unternehmen für Zeitungs¬
Ausschnitte und Bibliographie.
Wien, I., Conoordiaplatz 4.
Vertretungen
in Bertin, Brüssel, Budapest, Chicago, Cleveland, Christianis,
#, Kopenhagen, London, Madrid, Mailand, Minnespelle.
New-Vork, Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petess¬
burg, Toronto.
(Gaellenangabe ehse Gowden.
hu#schntt aus: Oge. Guette
en.
W Be

Arthur Schnitzler, eine Studie von Josef Karl Ralis#
lav. — Homburg, Verlag Homburg G. m. 91##1.—
Diese von unserem Wiener Redakteur verfaßte Bkoschüre
zeichnet sich durch dieselbe liebevolle Eindringlichkeit uns warm¬
herzige Charaktersierung aus, die unserem Leserkreise bereits aus
0
seinem Artikel über Schnitzler und Schönherr (IV. I.
Nr. 9/10) bekannt ist. Der in Oesterreich noch immer nicht nach
Gebühr gewürdigte Dichter wird dadurch sicherlich in den weitesten
Kreisen nach Verdienst geschätzt werden. Weitere in jeder Hin¬
sicht ausgereifte Studien z. B. über den österreich. Altmeister
Stephan Milow 2c. stehen in absehbarer Zeit bevor und
dürften dem Dichter und unserem jungen Literaturhistoriker zohl¬
reiche neue Freunde zuführen.
Dr. ##.
0 J (Färnner-Miteid. Mu#
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