VI, Allgemeine Besprechungen 2, Ausschnitte 1912–1914, Seite 22

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2. Cuttings
Aitung.

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Mmamen. Mat dhune, arama Mirmtuun.
[„Mosaik.“ Studien v# uil Soffé. Druck und Verlag sden Wiener Roman geben wollte ... Schnitzler ist ein Wiener
in so feiner Stil
von Friedrich Irrgang, Brünn, K42.] Eine bunte Sammlung von
Dichter, der seine Menschen aus dem Wiener Milieu herausholt.
Blute der Sterbl
Aufsätzen, die sich teils mit literarischen und Kunstfragen beschäftigen,
Das ist auch in diesem Roman, der in der Donaustadt spielt, der
der Götter, das
teils kulturhistorischen Inhalts sind. In den „Christlichen Motiven
Fall, wenngleich es dem Dichter hier auf Größeres ankommt, als
der Form mit di
in der bildenden Kunst“ behandelt Soffé die Krippe und das Abend¬
auf einen bloßen Milieuroman. Darum kann man auch nicht sagen,
nur in manche
mahl auf Grund sorgfältigen Studiums und eigener Anschauung der
daß „Der Weg ins Freie" der Wiener Ghettoroman ist. Denn ab¬
manchmal durch
hervorragendsten Darstellungen der beiden Stofse in älterer und
gesehen davon, daß der Held Georg v. Wergentin und seine Ge¬
wohl bieten sie
nauerer Zeit. Sehr ansprechend sind die englischen Skizzen, welche
liebte Anna keine Juden sind, spielt doch der Roman auch in
farbene Blut der
den Tower, den „Hof Karls I.“ und den „Londoner Salon des
Kreisen, die dem Ghetto fernstehen. Schnitzler wollte in diesem
aber dann plötzt
achtzehnten Jahrhunderts“ schildern. Lebhaft interessiert hat uns die
Werke an das Problem des Judentums als Bestandteil Oesterreichs
Abhandlung: „Der Dramatiker Schiller und die zeitgenössische
und vielleicht auch des modernen Europa rühren. Er kommt aber
[„Plastil
Kritik.“ Soffé hat sich die Mühe nicht verdrießen lassen, in alten
in der Judenfrage objektiv nicht weiter, denn sie ist ihm eine gant
Eugen Hollä
Zeitungen und Zeitschriften die Kritiken über die meisten Dramen
persönliche Frage. Darum ist auch die Dichtung eine ganz per¬
1912.] Das vo
Schillers aufzusuchen. Er teilt die bezeichnendsten Stellen aus ihnen
sönliche, an die man mit der Unbefangenheit desjenigen, der ein
eine willkommer
mit, die meist erheiternd wirken. Die Kritik verfuhr mit Schiller oft
Kunstwerk genießen will, herantreten muß, ohne Sensationsgeschrei
für jeden Gl
sehr ungnädig. Rektor Karl Philipp Moritz zum Beispiel nannte in
und ohne nach Aktualitäten zu suchen. Der Grundgedanke spricht
Weise einen St
der „Vossischen Zeitung" „Kabale und Liebe" „in Wahrheit ein
sich in dem Satze aus: Jede Rasse als solche ist natürlich wider¬
kann, an der *#
Produkt, das unseren Zeiten Schande macht", ein Stück „voll pöbel¬
wärtig, nur der einzelne vermag es zuweilen, durch persönliche Vor¬
Fülle kaum je
haften Witzes oder unverständlichen Galimathias“. Sein Gesamturteil
züge mit den Widerlichkeiten seiner Rasse zu versöhnen.“ Wie dieser
leitung über di
faßte er in den Worten zusammen: „Mit welcher Süirn kann ein
Ausschnitt ist die ganze Studie: ein Gemisch von Richtigem und
und Entwicklur
Mensch solchen Unsinn schreiben und drucken lassen, und wie muß
Falschem, von recht Naivem und Klugem. Das beweisen auch die
den Mythen de
es in dessen Kopf und Herzen aussehen, der solche Geburten seines
Schlußzeilen des Heftes, die alle Möglichkeiten offen lassen und in
Ausführlichkeits
Geistes mit Wohlgefallen betrachten kann.“ Als ein Kuriosum ersten
den Worten gipseln: „Die Annahme ist nicht unberechtigt, daß der
wenden. Dars¬
Ranges verzeichnet Soffé die Tatsache, daß noch heute — leider
sagt
Dichter wie wenig andere berufen ist, das moderne deutsche Lust¬
Körperdarstellut
er nicht wo — an einer Bühne die „Räuber“ in der Tracht der
spiel zu schreiben. Doch auch im ernsten Drama wird er uns noch
Schröpfkopf, K#
Schiller=Zeit gegeben werden, auf dem Theaterzettel aber die Be¬
manches zu sagen haben, denn seine Themen sind noch lange nicht
und Patrone de
merkung steht: „Das Stück spielt zur Zeit des Kaisers Maximilian,
erschöpft" u. s. w.
Immerhin läßt sich die Monographie zur
schmuck. Die
der den ewigen Landfrieden in Deutschland stiftete." Eine Art Aus¬
Lektüre empfehlen, denn abgesehen von den positiven Daten, die sie
Untergruppen,
grabung bildet „Ein Theaterdirektor in der Provinz“, ein Aussatz, der
gibt, geht sie auf Schnitzlers Schaffen mehr oder minder gründlich
Material vera¬
das Leben und Wirken des längst vergessenen fürstlich Esterhazyschen und
ein und ruft seine bunten, farbigen Werke wieder ins Gedächtnis,
illustrieren den
späteren Brünner Theaterdirektors Heinrich Schmidt schildert. Soffé
denen man so manche lebendige Stunde froh dankte.
Quellenverzeich
benützte bei dieser Arbeit die Biographie Schmidts von Paul
Schlenther.
[Maria Gräfin Gneisenau=Bonin. „Requiem.“
Fleiß und sel
Medizin in
Die letzte Aventiure des Herzogs Kindheart=Gant, Berlin. Verlegt
[„Artur Schnitzler.“
Eine Studie von Josef Karl
erschöpfend beh¬
von Julius Bard, 1911.] Wenn man die schweren, schwermütigen
Ratislav. Hamburg, Verlagsgesellschaft „Hamburg“ m. b. H.,
Altertum bese
Worte dieser Dichtungen liest, hört man wie die Stimme einer
1911.] Eine Monographie über Schnitzler. Aber Schnitzler hätte
großem Gesche
blonden Frau, die sie voll und milde in eine große Stille spricht.
eine bessere verdient. Der gute Wille ist ja da, der Wille,
den
Es sind Rhapsodien, die etwas gan, Eigenartiges ha###, oft sprung¬
Leistung stolz
Dichter zu erfassen, und weiter der Wille zur Gerechtigkeit. Aber
haft und dunkel wie durch Jahrhunderte überlieferte Balladen, die
der Stil ist spröd und steif, es fehlt jede Kongenialität mit dem
(Artur
ihre logischen Uebergänge verloren haben und sie allein ins Gemüt
Dichter und aus dem Ganzen weht eine Trockenheit, die sich lähmend
anstalt, Stutts.
versetzen, oft wieder mit suggestiver Bildkraft, die wie ein Fenster
auf den Leser legt wie die Staubluft eines schwülen Sommertages.
und Märchen
auf einen Ausblick, eine Episode, eine Landschaft, eröffnet. Gräfin
In der allgemeinen Charakteristik sagt Ratislav von Schnitzler, er
den Namende
Gneisenau ist eine tief moderne Dichterin, aber nicht in Bezug auf
habe „unier den modernen deutschen Autoren die meiste Verwandi¬
die vorliegend
die Sprache allein — denn das ist Kleid, kann angelernte Manier
schaft mit den Franzosen. In ihm kommen französischer Esprit und
Form geschrick
sein, ein Echo anderer Stimmen — sondern in dem Sinne
Nch
deutsche Skepsis zu einem angenehmen Ausgleich.... (Im Grunde ist
erraten. Ins
der ewigen Moderne: die Worte quellen nicht aus dem
er Philosoph und oft
erscheint unter der Maske einer
Briefform ges
kunstsinngen und kunstgeübten Verstand, sondern sie sind
leichten, töndelnden Muse
die ernste Faltenstirn des Philo¬
nicht als stör
eine zur Sprache gewordene innere Melodie, wie es Dante von der
sophen, der über seiner Darstellung steht, dem diese Dar¬
lichen Note
Entstehung seiner Kanzone „Ponne ch’avete intelletto d’amore“
stellung nur Mittel zum Zweck ist.
Aus einem Schüler
Ein junger ##
berichtet: „Danach nun geschah es, daß mich, auf einer Straße
des Naturalismus hat er sich längst zu einem führenden Meister
auf ärztliche
begriffen, längs welcher ein sehr heller Bach dahinfloß, ein solcher
herangebildet. ... Seine Technik ist meisterhaft entwickelt, besonders was
Heimatsort
Drang zum Dichten ankam, daß ich die Weise, wie ich es hielte, zu
die Führung des Dialogs betrifft. Der Einakter ist seine unum¬
drückt, wird
überdenken begann. ... Darauf begann meine Zunge, gleichsam wie
schränkte Domäne, vor allem der erotische, den er sich selbst als
schreitender
von selbst bewegt (quasi come per 80 stessa mossa), zu reden und
ein neues Genre geschaffen hat. Im großen Theaterstück wird
der
lichen Alltag¬
sprach: Frauen, die ihr den Geist der Minne habt. ..“ Dieser
Dramatiker oft vom Seelenmaler vollständig zurückgedrängt.“ Auch
Neigung zus
peheimnisvolle Ursprung bedingt auch eine unabweisbare Notwendig¬
Schnitzlers ursprünglicher Arztberuf und der Einfluß seiner
fachsten Ges¬
keit der Worte in ihrer Wahl, ihrer Folge. Und sie wollen darum
Rassenzugehörigkeit wird nach Gebüyr erwähnt. Herr Josef
der Schwell¬
nicht allein gelesen, sondern gehört werden; das verlebendigt sie in
Karl Ratislaw cruppiert Schnitzlers Werke nach ihrer inneren Zu¬
Arzt nach
weit höherem Maße als andere Verse. Unverkennbar ist die Verwandt¬
sammengehörigkeit, und das mag man hinnehmen, obwohl ja über
schaft mit Rainer Maria Riltes Dichtart. Aber Gräfin Gneisenau ist un¬
einer mög
das Zutreffen dieser inneren Zusammengehörigkeit die verschiedensten
g eich parsamer mit ihren Wort u. während Rilke sie bis zur Unerträglich¬
Tänschung;
Ansichten denkbar sind. Wie handelt nun abev Herr Ratislaw
keit wiederholt. Eine engere Beziehung läßt sich vielleicht zwischen
entsagen un
in dieser Gruppierung die einzelnen Werke ab? Hier ein Bei¬
neugewonn
Riltes „Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke“
spiel: „Der Weg ins Freie“, sagt er, „ist in erster Linie ein Be¬
und dev „Letzten Aventiure des Herzogs Kindheart Gant“ auf¬
gerade vor##
kenntnisroman. Der Dichter und der Mensch Schnitzler reichen
weisen. Doch besteht völlige Freiheit. Gräsin Gneisenau veröffentlicht
schmetternde
sich die Hände und die Vereinigung von Leben und
nur wenige Bücher. Das erste war das köstliche, schmale Buch „Aus
Held — „
Schaffen, von künstlerischem und menschlichem Empfinden ist eine
dem Tal der Sehnsucht“, dem an dieser Stelle einige Worte ge¬
Er hat mit
vollkommene. Der Weg ins Freie ist auch ein Wiener Roman. widmet werden konnten. Es gab wunderbar lustige Gesichte, die an
genommen!
Ich möchte aber nicht behaupten, daß Schnitzler mit diesem Werke Bilder von Puvis de Chavannes gemahnten, so unleibhaft zatt, erinnerungen
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